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Plenarsitzung

Magdeburg – „Eine rote Stadt wird braun“

Magdeburg galt als „rote“, weil lange Zeit von der Sozialdemokratie geprägte Stadt. Kein Wunder also, dass sich die ortsansässigen Nationalsozialisten auf den Sturz eben jener demokratischen Kräfte hinarbeiteten und den Sieg der NSDAP bei den Reichstagswahlen im März 1933 frenetisch feierten. Der Historiker Dr. Maik Hattenhorst hat über die politischen Geschehnisse im Jahr 1933 in Magdeburg geforscht und letztlich sogar promoviert. In seinem Buch „Magdeburg 1933 – Eine Stadt wird braun“ blickt er auf jene schicksalshaften Monate im Frühjahr 1933 zurück und beleuchtet, wie diese das Stadtbild für immer veränderten. Im Interview mit ihm greifen wir wenige Fragestellungen heraus.

Cover des Buches von Maik Hattenhorst über Magdeburg im Jahr 1933.

Maik Hattenhorsts Buch über Magdeburg im Jahr 1933 war zugleich seine Promotion zum Thema.

Nur eine Woche nach den Reichstagswahlen standen in Magdeburg am 12. März 1933 Kommunalwahlen an. Wie war die politische Stimmung in der einst so „roten Stadt“?

Zwischen der Reichstagswahl am 5. März 1933 und den Kommunalwahlen eine Woche später herrschte eine zugleich gewalttätige als auch euphorische Stimmung aufseiten der Anhänger des neuen Regimes in Magdeburg. Die verbleibenden demokratischen Kräfte und kommunistischen Parteigänger gerieten dagegen in die Defensive.

Auf der Straße kam es zu machtpolitischen Inszenierungen in Form von vorübergehenden Besetzungen von Gebäuden und Institutionen, Kasernen und Polizeiunterkünften. Hierzu zählte etwa das Bundeshaus des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold und das Magdeburger Rathaus, die beide am 11. März von Formationen der SA und des Frontsoldatenbunds Stahlhelm symbolisch in Besitz genommen wurden, einhergehend mit Flaggenhissungen, Aufzügen und dem Absingen von NS-Kampfliedern sowie der Nationalhymne, aber auch handfester Gewalt wie im Falle des Bürgermeisters Herbert Goldschmidt, der jüdischer Herkunft war.

Die SA versuchte (erfolgreich), nach der für die NSDAP erfolgreichen Reichstagswahl, bestimmte Orte in Magdeburg zu „erobern“. Wie und aus welchem Grund? Und gab es Gegenwehr?

Die symbolische oder vorübergehende „Eroberung“ und Inbesitznahme von Gebäuden und Institutionen der bisher demokratisch verfassten Stadtgesellschaft folgte in der Konsolidierungsphase auch eine neue Verwendung, wie etwa im Falle des Reichsbannergebäudes in der Regierungsstraße, das als „Braunes Haus“ berüchtigt werden sollte. Der Besetzung des Rathauses folgte dann die Ernennung eines zunächst kommissarischen Bürgermeisters der NSDAP und schließlich die Abschaffung der demokratischen Kommunalverfassung. Bereits in der „Kampfzeit“ hatte man ähnlich wie in Berlin auch in Magdeburg immer wieder gezielt als „rot“ geltende Stadtteile mit Propagandaaufzügen heimgesucht. Nennenswerte Gegenwehr erfolgte weder seitens der „Eisernen Front“ noch seitens anderer Verbände der organisierten Arbeiterschaft trotz der hohen Organisationsdichte. Offenbar war bereits mit dem „Preußenschlag“ im Sommer 1932 entschieden, dass man der autoritären Herausforderung nicht bewaffnet entgegentreten würde.

Am 8. März 1933 stürmten die Rechten auf das Magdeburger Rathaus zu. Auch hier sollte die Hakenkreuzfahne gehisst werden. Zwei Personen gerieten dabei besonders in den Aufruhr. Wie sind diese Übergriffe einzuordnen? Ein fader Vorgeschmack auf das, was noch kommen sollte?

Mit der ersten von drei Besetzungen des „roten Rathauses“ artikulierte vor allem die Magdeburger SA ihre Ungeduld. Nach der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler war man hier nicht mehr geneigt, auf die pseudodemokratische Bemäntelung des lange erhofften Umbruchs zu warten. Vielmehr verstanden sich die braunen Kolonnen als revolutionäre nationale Kräfte. Reuter und Goldschmidt sollten dann am 11. März noch vor der Kommunalwahl gewaltsam aus dem Rathaus geworfen werden. Damit war offensichtlich, dass es sich nicht mehr um demokratische Wahlen handelte.

Wie veränderte sich die Zusammensetzung des Magdeburger Stadtrats nach der Wahl am 12. März 1933. Was wurde aus den ausgeschiedenen und (wieder-)gewählten Räten, die nicht für die NSDAP in den Stadtrat eingezogen waren?

Tatsächlich erreichte die NSDAP auch am 12. März 1933 nicht die absolute Mehrheit der Stimmen, sondern bedurfte zunächst des Bündnisses mit der „Kampffront Schwarz-Weiß-Rot“, in der sich die nationalen Parteien DVP und DNVP vor Ort zusammengeschlossen hatten. Bis zum Sommer aber waren die übrigen Parteien entweder verboten, aufgelöst oder hatten sich selbst unter Druck aufgelöst. Die Abgeordneten der KPD hatten ohnehin bereits seit dem „Reichstagsbrandgesetz“ unter schweren Repressionen zu leiden.

Stadtverordnete der SPD wurden in sogenannten wilden Konzentrationslagern wie dem Stadion Neue Welt inhaftiert, wurden vielfach entlassen und/oder verloren nach dem Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums ihre Stelle. In den kommenden Jahren arbeiteten ehemalige Funktionäre in gänzlich anderen Branchen als bisher und vermochten immerhin untereinander Kontakt zu halten. Bürgerliche Parteivertreter schieden in der Regel aus dem nun nicht mehr demokratisch legitimierten Stadtrat aus oder passten sich an.

Seite aus der Magdeburgischen Zeitung vom 12. März 1933, in der von der Schutzhaft des Magdeburger Oberbürgermeisters Ernst Reuter und des Bürgermeister Herbert Goldschmidt berichtet wird. Die Zeitung warb ganz offen für die Abwahl der linken Politiker.

Seite aus der Magdeburgischen Zeitung vom 12. März 1933, in der von der Schutzhaft des Magdeburger Oberbürgermeisters Ernst Reuter und des Bürgermeister Herbert Goldschmidt berichtet wird. Die Zeitung warb ganz offen für die Abwahl der linken Politiker.