Der Landtag von Sachsen-Anhalt hat seine Dialogreihe wiederbelebt und am Donnerstag, 7. Juni 2018, seine zweite Station im Rathaussaal von Halberstadt absolviert. Die Abgeordneten diskutierten mit Bürgern zum Thema „Schule: Kluge Köpfe braucht das Land“.
Frontalunterricht an der grünen Tafel, mit Kreide und Polylux – diese Zeiten sind schon etwas länger vorbei. Im Schulunterricht kommen immer mehr die mittlerweile gar nicht mehr so neuen Medien zum Einsatz. Ein paar Dinge sind aber geblieben und werden sich für ein erfolgreiches Schüler/innenleben auch in Zukunft nicht ändern: eine Lehrkraft vermittelt den Lernstoff und die Schülerin und dem Schüler wird nichts anderes übrigbleiben als zu pauken und in Leistungskontrollen erlerntes Wissen nachzuweisen.
Doch wie soll sie aussehen, die Schule 2.0? Über dieses Thema diskutierten fünf Abgeordnete aus den Fraktionen des Landtags auf Einladung von Landtagspräsidentin Gabriele Brakebusch mit Bürgerinnen und Bürgern im Rathaussaal von Halberstadt. Der Diskussion stellten sich Angela Gorr (CDU), Dr. Hans-Thomas Tillschneider (AfD), Thomas Lippmann (DIE LINKE), Prof. Dr. Angela Kolb-Janssen (SPD) und Wolfgang Aldag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN). Durch die „Landtag im Dialog“-Veranstaltung führte der MDR-Journalist Stephan Schulz.
Eröffnungsstatements der Abgeordneten
Zu Beginn der Gesprächsrunde hatten die Abgeordneten Zeit für ein kleines Eröffnungsstatement, das schon einen Einblick in die vertretene Bildungspolitik gewährte. Eine Ausschreibung sei noch keine Stellenbesetzung, erinnerte Thomas Lippmann eingangs der Diskussionsrunde an die fehlenden Lehrkräfte in den Schulen Sachsen-Anhalts. Seine Fraktion hatte die Volksinitiative „Den Mangel beenden!“ erheblich unterstützt, die sich für die umgehende Einstellung von 1 000 Lehrkräften eingesetzt hatte.
„Wir versuchen, dem Mangel deutlich entgegenzusteuern“, versicherte Angela Gorr hinsichtlich der Bemühungen der Kenia-Koalition. Dies beziehe sich sowohl auf die Zahl der Neueinstellungen als auch auf die Ausschreibungsmodalitäten.
„Die herrschende Politik entwickelt untaugliche Lösungen für Probleme, die sie selber geschaffen hat“, kritisierte Hans-Thomas Tillschneider. Die Heterogenität der Klassen trage zum Lehrermangel bei, weil mehr Lehrkräfte benötigt würden als in Klassen ohne Integration und Inklusion. Die Klassenmaßstäbe sollten wieder auf ein einheitliches Niveau gesetzt werden – hier gehe auch die Lesekompetenz vor digitaler Ertüchtigung der Schulen.
„Wir haben in den letzten zwei Jahren einiges getan, um die Situation zu entschärfen“, betonte Wolfgang Aldag. Der Druck von außen habe dabei geholfen, politisch Änderungen herbeizuführen. „Wir kommen kleine Schritte voran, aber es gibt immer noch Luft nach oben.“
Früher getroffene Bevölkerungsprognosen hätten sich als falsch herausgestellt, sagte Angela Kolb-Janssen. „Wir haben heute mehr Schülerinnen und Schüler als erwartet. Somit reichen die uns zur Verfügung stehenden Lehrerinnen und Lehrer nicht aus. Daran arbeiten wir.“
Schulen im Dinosaurierzeitalter
Die Schulen im Land befänden sich in einem digitalen Dinosaurierzeitalter, sagte Silke Heick, Koordinatorin der Arbeitsgemeinschaft „Werkstatt Fachdialog: IT-Strukturen gemeinsam entwickeln“ (zum Positionspapier; PDF) und Gast der Dialogveranstaltung. Sie benötigten zuallererst eine technische Basisausstattung, ohne dass ein Antrag gestellt werden müsse, dazu gehöre ein leistungsfähiges Glasfasernetz und belastbares W-LAN.
Zudem sollte es medienpädagogische Schwerpunkte geben, die sich jede Schule individuell stelle. Schulen, die bereits gut in die digitale Schiene eingestiegen seien, sollten dann die Möglichkeit bekommen, sich um Landesgelder für Extraprojekte zu bewerben. „Es gibt auch für kleines Geld Lösungen – zum Beispiel Open-Source-Produkte –, die sich kurzfristig umsetzen ließen“, so Silke Heick.
Inklusion braucht bestimmte Bedingungen
Der gemeinsame inklusive Unterricht an sich sei nicht das Problem, sondern die Bedingungen für diesen Unterricht, erklärte Dr. Detlef Eckert und widersprach damit der Ansicht vom Abgeordneten Tillschneider. Eckert war selbst Landtagsabgeordneter und macht sich bis heute in der Behindertenrechtspolitik stark. Viele Lehrkräfte seien nicht ausreichend ausgebildet, um die Ansprüche der Inklusion erfüllen zu können.
Die Klassenstärke müsste schrittweise deutlich gesenkt werden, um echten inklusiven Unterricht möglich zu machen. Inklusion würde auch in wirtschaftlich deutlich schwächeren Ländern (zum Beispiel Mexiko) überhaupt nicht in Frage gestellt, so Eckert. „Inklusion belastet die Klasse“, entgegnete Tillschneider, dessen Fraktion deutliche Inklusionsgegnerin ist. Förderschulen dagegen könnten auf die individuellen Bedürfnisse der Kinder besser eingehen.
Rüstungsausgaben versus Bildungsausgaben
Während im Jahr in Deutschland 35 Milliarden Euro für die Rüstung ausgegeben würden, würden nur 18 Milliarden Euro in Bildung und Forschung investiert – „das ist ein Armutszeugnis für unser reiches Land“, betonte Dagmar Käsewieter, Lehrerin in Halberstadt. Unter den vorherrschenden Rahmenbedingungen könne nicht mehr lange gearbeitet werden. „Wir sind nicht am Limit, wir sind schon längst darüber.
Warum muss eine Schule ein Medienkonzept schreiben, in dem begründet werden muss, warum man W-LAN braucht? Das sollte selbstverständlich sein“, so Dagmar Käsewieter. „Diese Zeit würden wir lieber am Schüler investieren.“ Die begeisterte Lehrerin forderte dringend deutlich mehr Personal.
Probleme mit der Organisation des Schülerverkehrs im ÖPNV oder mit der Beantragung von Fördermitteln wurden ebenfalls thematisiert. Auch die baulichen Bedingungen von Schulen und Sporthallen mancherorts stießen auf Kritik.
Fortsetzung der Dialogreihe
Die Reihe „Landtag im Dialog“ wird fortgesetzt: Am Mittwoch, 22. August 2018, werden Landtagspräsidentin Gabriele Brakebusch, fünf Abgeordnete sowie Bürgerinnen und Bürger in Magdeburg zum Themenfeld „Europa“ diskutieren.