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Plenarsitzung

Zukunft des Landes auf der Regierungsagenda

11. Jun. 2020

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff wartete in der Juni-Sitzungsperiode des Landtags mit einer Regierungserklärung auf – viel ist passiert in den letzten Wochen und Monaten. Unter dem Titel „Wege aus der Krise – unser Sachsen-Anhalt-Plan für die Zukunft“ widmete er sich den drängenden Fragen der Zeit. Im Anschluss an die Regierungserklärung hatten die Vertreter/innen der Fraktionen die Möglichkeit, zum Gesagten Stellung zu beziehen und eigene Standpunkte in die Debatte einzubringen.

Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff während seiner Regierungserklärung im Plenarsaal des Landtags von Sachsen-Anhalt. Foto: Landtag

Frühzeitig und entschlossen reagiert

„Wir haben die Lage gut im Griff“, aber immer wieder gebe es neue Infektionen, Covid-19 sei noch nicht Geschichte, sondern werde uns noch eine längere Zeit begleiten, konstatierte Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff (CDU). Er dankte den Sachsen-Anhalterinnen und Sachsen-Anhaltern, die sich in den letzten Wochen solidarisch gezeigt hätten und weil sie in überwältigender Zahl Verständnis für die getroffenen Maßnahmen gezeigt und sich auch nach ihnen gerichtet hätten. Man habe frühzeitig und entschlossen auf die Pandemie reagiert, was die Ausbruchszahlen in überschaubarem Maße gehalten habe.

Es sei recht schnell darum gegangen, Schäden abzumildern, die durch das Herunterfahren des gesellschaftlichen Lebens entstanden seien, 283 Millionen Euro seien an Zuschüssen für die Unternehmen des Landes seien geleistet worden, dazu sei die Soforthilfe für Künstler und die Notbetreuung in den Kitas gekommen. Die Landesregierung habe darüber hinaus eine Wiederöffnungsstrategie laut Sachsen-Anhalt-Plan erarbeitet. Solange es keinen Impfstoff gebe, könne man noch nicht unbedarft zum Alltag zurückkehren, erklärte Haseloff. Es sei nötig, sich weiter an die Abstands- und Hygieneregeln zu halten, um einen erneuten Anstieg der Infektionszahlen zu verhindern.

Haseloff wolle sich dafür einsetzen, Investitionen für heimische Unternehmen zu gewinnen, beispielsweise für die hiesige Pharma- und Medizintechnik, um Equipment und Medikamente im Land herstellen zu können. Die Breitband-Anbindung aller Schulen soll weitergeführt werden – Sachsen-Anhalt sei noch vor Bayern das Erste von nur zwei Bundesländern mit einem konkreten zeitlichen Plan und entsprechenden Verträgen, lobte Haseloff.

Der Ministerpräsident warb für eine flächendeckende vorsorgliche Grippeschutzimpfung im Frühherbst, um schwere Krankheitsverläufe im Falle einer zweiten Corona-Welle zu verringern. Bislang gebe es nur einen moderaten Anstieg der Arbeitslosenzahlen in Sachsen-Anhalt. Allerdings befänden sich viele Arbeitnehmer/innen noch in Kurzarbeit, die Arbeitslosenzahlen dürften also noch anwachsen. Der Bund steuere aber bereits mit Konjunkturprogrammen dagegen, so Haseloff. Es müsse gelingen, auch im täglichen Konsum und in der Auftragsvergabe (Handwerk) wieder in einen normalen Lebensrhythmus zurückzufinden. Der beste Wirtschaftsmotor sei, wenn es keine zweite Corona-Welle gebe, die Einhaltung der Gesundheitsschutzregeln sei daher unbedingt notwendig.

Beendigung aller Schutzmaßnahmen

Die Landesregierung habe mit ihren Corona-Maßnahmen eine Vollbremsung des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens bewirkt, mit der niedergerissen werde, was in dreißig Jahren nach der Wiedervereinigung aufgebaut worden sei, monierte Oliver Kirchner (AfD). Der Pandemieplan des Landes sei zwar vor langer Zeit in Kraft getreten, umgesetzt worden sei er in diesem Jahr aber zu spät. Man habe in den vergangenen Jahren ob der verschiedenen Pandemien (SARS etc.) genügend Zeit gehabt, sich auf eine Pandemielage vorzubereiten. Dennoch habe man in Sachsen-Anhalt erst im März mit der ersten Eindämmungsverordnung reagiert.

Landtag und parlamentarische Opposition seien nicht in die Erarbeitung der Verordnungen eingebunden gewesen, kritisierte Kirchner. Man sei bundesweit von einem Worst-Case-Szenario mit mehr als 1,5 Millionen Infizierten ausgegangen. „Was wir hier erleben, steht in keinem Verhältnis zur Wirklichkeit“, so Kirchner: Die AfD in Bund und Ländern fordere die sofortige Rücknahme aller eindämmenden Maßnahmen, darunter die Kontaktgebote und das Maskentragen. Das 130-Milliarden-Euro-Hilfspaket des Bundes genüge nicht, vor allem, wenn die Mittel in die bekannten Kanäle der „ökosozialistischen Planwirtschaft“ flössen, so Kirchner.

Gemeinsam die Krise bewältigen

Der Ministerpräsident habe eindrucksvoll die Linie der Landesregierung während der Corona-Krise dargestellt, der AfD-Fraktionsvorsitzende habe dagegen lediglich die trostlose Rolle seiner Partei unter Beweis gestellt, konstatierte Dr. Katja Pähle (SPD). Es sei gut, dass die AfD weder im Bund noch in den Ländern an politischer Gestaltung beteiligt sei, denn sie habe vom Wesen einer Pandemie nichts verstanden.

Jede Eindämmungsverordnung sei die Verhandlung eines kleinen Koalitionsvertrags gewesen; die bisherigen Ergebnisse zeigten, „dass es sich gelohnt hat“, so Pähle. Der Weg aus der Krise hänge mit Richtungsentscheidungen für Veränderungen zusammen, die das Land stärker machen und das Land für neue Herausforderungen festigen sollen. Dies betreffe unter anderem die Gesundheitsversorgung: Die Finanzmittel im nächsten Doppelhaushalt für die Auflösung des Investitionsstaus in der Krankenhauslandschaft würden nicht reichen, hier müsse erheblich nachjustiert werden.

Die 130 Milliarden Euro aus dem Konjunkturprogramm des Bundes seien eine beeindruckende Antwort auf den wirtschaftlichen Rückgang; es sei zu unterstützen, dass die Ausgabe der Mittel an zukunftsgerichtete Technologien geknüpft sei. Mit einem kommunalen Investitionsprogramm solle die Wirtschaft des Landes angekurbelt werden.

Schwächen haben sich gezeigt

Neben den gesellschaftlichen Beschränkungen seien Produktion und Konsum für viele Branchen stark eingeschränkt oder ganz unterbrochen worden, rekapitulierte Thomas Lippmann (DIE LINKE), eine Krise der Wirtschaft habe sich schnell abgezeichnet. Durch politische Entscheidungen würden nun große Geldmengen verteilt, um die sich die verschiedenen Lobbygruppen bemühten, auch wenn sie manchmal weniger statt mehr betroffen seien. Hier bedürfe es Entscheidungen mit Augenmaß, die auch für Nachhaltigkeit stünden. „Die wirtschaftlichen Schäden können mit Geld behoben werden“, sagte Lippmann. Die Börsen hätten ihre Vor-Krise-Stände längst wieder erreicht.

Die Folgen im sozialen und kulturellen Bereich seien allerdings langandauernder. Lippmann nannte das Gesundheitssystem, das in der Krise seine Mängel offenbarte. Der Lockdown habe ja daraus resultiert, dass nicht genügend Kapazitäten für Erkrankte vorhanden gewesen seien. Seine Schwächen habe auch das Bildungssystem gezeigt: Personalmangel und fehlende digitale Infrastruktur hätten ein Unterrichten zuhause stark eingeschränkt.

Nur mit viel Mühe hätten die negativen Auswirkungen im Kulturbetrieb gemindert werden können. Durch die engen Spielräume in den Haushalten des Landes und der Landkreise hänge die Kultur immer am seidenen Faden. Lippmann kritisierte zudem die „unzureichende Grundfinanzierung der Kommunen“, ein radikaler Schuldenschnitt wäre in dieser Ausnahmesituation die richtige Maßnahme gewesen. Lippmann forderte, die Corona-Einschränkungen nach und nach zurücknehmen, dafür aber ein Frühwarnsystem durch flächendeckende Tests zu installieren.

Neun wichtige Ziele

Die Corona-Krise habe die Schwachstellen der Gesellschaft offengelegt, eine ressourcenschonende Wirtschaftsweise müsse endlich umgesetzt werden, betonte Cornelia Lüddemann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN). Klimakrise und Corona-Krise seien gleichen Ursprungs – weil der Mensch Raubbau an der Natur betreibe. Man müsse in neue Technologien investieren, nur so könne das Land konkurrenzfähig bleiben.

Lüddemann nannte neun wichtige Ziele ihrer Fraktion: Konsequenten Umweltschutz; Digitalisierung in allen Bereichen; Natur- und Artenschutz; die Verkehrswende so gestalten, dass man ohne CO2-Ausstoß von A nach B kommen kann; regionale Wertschöpfungsketten deutlich ausbauen, um die Abhängigkeit von internationalen Lieferketten zu unterbrechen;  Gebot der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse im ländlichen Bereich umsetzen; Kommunen wieder mehr finanziellen Spielraum geben; Wert der Bildung anerkennen – von der Kita bis zur Universität; Nachhaltigkeit als oberstes Kriterium für alle Entscheidungen.

„Wir haben nur diesen einen Planeten, verschenkte Chancen kommen in keinem Bereich zurück“, so Lüddemann. „Wir stehen am Scheideweg, unser Land zukunftsfähig aufzustellen.“

„Es war der richtige Weg“

Die Maßnahmen seien mit sehr großer Verantwortung und Augenmaß vorgenommen worden, aus Sicht der CDU-Fraktion seien sie richtig und nötig gewesen, und die Zustimmung im Land spreche für sich, sagte Siegfried Borgwardt (CDU). Dass Sachsen-Anhalt eine überschaubare Zahl an Erkrankungen vorweise, sei das Ergebnis dieser umsichtigen Entscheidungen. Ein endgültiges Ende der Pandemie sei noch nicht in Sicht, schrittweise würden allerdings die Einschränkungen mittlerweile wieder zurückgenommen. Voraussetzung für die Öffnung von Geschäften, Kitas, für private Treffen etc. sei die Einhaltung der Hygiene- und Pandemievorschriften. All dem liege eine enorme Anstrengung der Landesregierung und aller beteiligten Einrichtungen zugrunde.

„Ich bin überzeugt, dass es der richtige Weg war“, auch wenn sich Kritik und Verschwörungstheorien häufen, betonte Borgwardt. Ein Blick auf Spanien und Italien zeige, dass die Krise in Deutschland sehr viel schwerer hätte ausfallen können. Sehr schnell sei Deutschland in der Lage gewesen, Patienten auf das Virus zu testen und die Ausbreitung so einzudämmen. „Die ergriffenen Maßnahmen halten hoffentlich auch einer möglichen zweiten Virus-Welle stand“, sagte der CDU-Fraktionsvorsitzende. Nun gelte es, die Wirtschaft des Landes wieder anzukurbeln. „Wir begrüßen das Konjunkturprogramm des Bundes.“ Die Kommunen des Landes würden in den kommenden beiden Jahren deutlich entlastet.

Bis Ende Mai seien in der Investitionsbank des Landes 47 200 Anträge auf Förderung gestellt worden. 283 Millionen Euro Fördermittel seien ausgereicht worden. 6 900 Anträge seien (aus Versehen?) doppelt eingereicht worden, 255 nachgewiesene Betrugsversuche habe es gegeben. Man habe in den letzten Wochen viel gelernt, sodass das Land gezielter und effektiver auf einen neuen starken Ausbruch reagieren könnte – „den sich natürlich niemand wünscht“, so Bordwardt.

Beschlüsse wurden am Ende der Aussprache zur Regierungserklärung nicht gefasst.