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Plenarsitzung

Wohin steuert die deutsche Wirtschaft?

31. Jan. 2020

Die AfD-Fraktion wollte in der von ihr beantragten Aktuellen Debatte unter anderem in Erfahrung bringen, ob es gelingen werde, die soziale Marktwirtschaft Erhard‘scher Prägung wiederherzustellen oder ob das Land „in eine ökosozialistische CO2-gesteuerte Planwirtschaft mit allen verheerenden Folgen wie Deindustrialisierung, Massenarmut und Wohlstandsvernichtung“ gleite. Darüber hinaus ging es um die Energiezukunft des Landes, die Automobilindustrie und die EU-Bürokratie.

Anlässlich einer von der AfD-Fraktion eingebrachten Aktuellen Debatte gab es einen heftigen verbalen Schlagabtausch zwischen den Landtagsfraktionen zum Thema Wirtschaft. Foto: fotolia.com

Farle: „CO2 ist völlig ungefährlich“

Das kommende Jahrzehnt werde richtungsweisend für die Zukunft des Landes, konstatierte Robert Farle (AfD). Er sehe voraus, dass Deutschland wie schon vor hundert Jahren scheitere. Der Grundstein für den Erfolg Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg sei die soziale Marktwirtschaft nach den Entwürfen Ludwig Erhards gewesen. Er habe einen neuen Weg zwischen Kapitalismus und Sozialismus finden wollen. Er habe die Aufhebung der Zwangsbewirtschaftung und der Preisbindung für die meisten Waren durchgesetzt, damit habe sich der Markt aufbauen können. Diese Art der Marktwirtschaft gebe es heute nicht mehr, sie sei durch vielerlei Steuern völlig verzerrt, kritisierte Farle: „Der Staatsinterventionismus greift immer weiter um sich.“

Mit staatlicher Unterstützung verdienten sich Investmentunternehmen und Erneuerbare-Energien-Unternehmen eine goldene Nase. Durch ein „gigantisches Umverteilungsprojekt“ werde Deutschland eine CO2-gesteuerte Gesellschaft, die die Automobilindustrie in Deutschland zerstöre. Die CO2-Reduktion sei „der größte Wirtschafsbetrug in der Geschichte der Menschheit“, denn, so Farle: „Kohlendioxid ist ein völlig ungefährliches Spurengas, ohne das es kein Leben gibt.“ Farle setzte Flugscham, Anti-SUV-Kampagnen und „Fridays for Future“ mit „Mao Tse-tungs ‚großen Sprung‘ und Kulturrevolution in einem“ gleich.

Sich den Herausforderungen von morgen stellen

Es sei abwegig, die Situation von heute mit der der 1920er Jahre zu vergleichen, die in die Weltwirtschaftskrise und den Nationalsozialismus mündete, betonte Sozialministerin Petra Grimm-Benne (SPD) – in Vertretung des Wirtschaftsministers – in Richtung AfD. Auch die kritiklose Rückbesinnung auf die Erhard’sche Marktwirtschaft sei unpassend. Die AfD wolle die Aktuelle Debatte lediglich dazu benutzen, die gesellschaftliche Herausforderung des Klimawandels zu negieren und zugleich ein verzerrtes, schlicht falsches Bild von der Klimasituation zu zeichnen.

Es gelte, sich dem Klimawandel und dessen wirtschaftlichen Folgen zu stellen – man müsse an den bekannten Stellschrauben der Klimapolitik drehen, und hier spielten die von Menschen verursachten CO2-Emissionen eine große Rolle, so Grimm-Benne. Natürlich stehe die Welt vor großen Herausforderungen, aber es gebe Fortschritte bei den Speichertechnologien und in der Wasserstoffenergie. Gleichwie, „für die Herausforderungen von morgen können nicht die Rezepte von gestern herangezogen werden“, zeigte sich Grimm-Benne überzeugt.

Klimaschutz gefährdet Teile der Volkswirtschaft

Es seien bisher 72 erfolgreiche Jahre soziale Marktwirtschaft in Deutschland gewesen, sagte Ulrich Thomas (CDU). Nach dem Zweiten Weltkrieg seien Wohnraum und Nahrung knapp gewesen, viele existenzielle Fragen sollten zunächst durch den Staat geregelt werden. Durch die Einführung der sozialen Marktwirtschaft sei die Bundesrepublik in das Wirtschaftswunder eingetreten, neue und ungeahnte Kräfte der Wirtschaft hätten sich gezeigt. „Die Wirtschaft sollte für den Wohlstand der Gesellschaft sorgen.“

In der sozialen Marktwirtschaft schaffe der Staat die Rahmenbedingungen, es bedürfe jedoch viel individueller Verantwortung, so Thomas. In diesem Sinne müsse dem schleichenden Ausbau des Sozialstaats Einhalt geboten werden, auch der Klimaschutz gefährde Teile der Volkswirtschaft, die wiederum das Sozialsystem tragen solle. „Unsere Unternehmen wollen keine Fördermittel“, sagte Thomas, sondern sie wollten für ihre Arbeit ein gutes Umfeld finden, das wirtschaftlich tragfähig sei. „Gerechtigkeit und Wohlstand sind nur in einem fairen Wettbewerb möglich“, Ökonomie und Ökologie schlössen sich dabei nicht aus. Deutschland dürfe keine Gesellschaft der Vermeider und Hinderer werden, so der CDU-Abgeordnete.

„Müssen handeln, und zwar jetzt“

Es bestehe die Notwendigkeit des Umbaus der Wirtschaft, denn man könne nicht so weiter machen wie bisher, sagte Hendrik Lange (DIE LINKE). Wer dies dennoch wolle, dem gehe es nur ums „Geldmachen, koste es, was es wolle“. Die Leugnung des Klimawandels sei wissenschaftlich widerlegt, so Lange. Er erklärte grob: Durch die Bindung von Kohlenstoff bei der Entstehung von Steinkohle und Braunkohle sei das heutige Klima mit seiner Temperatur entstanden. Durch den Abbau und Verbrauch der Kohle-, Gas- und Ölvorkommen werde nun seit Jahrhunderten dieser Kohlenstoff in Form von Kohlendioxid in die Atmosphäre abgegeben – dadurch habe sich die Temperatur weltweit immer weiter erhöht.

„Der Strukturwandel wird kommen“, zeigte sich Lange überzeugt. Dass in diesem Zuge die Automobilindustrie an Glanz verliere, liege allein an der Trägheit der Konzerne und dem knallharten Betrug beim Diesel. „Wenn wir nicht wollen, dass unser Planet krachen geht, müssen wir handeln – und zwar jetzt.“ Es sprach sich für ein ressourcenschonendes und rationelles Wirtschaftssystem aus, das sich an den Bedürfnissen der Menschheit orientiere.

Politik muss Rahmen der Marktwirtschaft setzen

„Baut sich da wirklich ein planwirtschaftliches Monster vor uns auf und nur Herr Farle kann uns alle retten, ich denke nein“, erklärte Olaf Meister (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN). Der Beitrag des AfD-Abgeordneten Farle könne nur als Realsatire bezeichnet werden. Die Marktwirtschaft sei zunächst ein effizienter Wirkmechanismus, aber sie habe per se noch keine Ethik. Für diese ethische Komponente bedürfe es der Rahmensetzung durch die Politik. Gute Beispiele fänden sich im sozialen Sektor: Wer bekomme medizinische Hilfe – nur der sie bezahlen könne oder auch der sie brauche? Diese Rahmensetzung sei also mitnichten ein Anzeichen für eine öko-sozialistische Planwirtschaft, stellte Meister klar.

Die große Auseinandersetzung verlaufe nicht zwischen Marktwirtschaft und Planwirtschaft, sondern zwischen denen, die nachhaltig wirtschaften wollten, um die eigenen Lebensgrundlagen nicht zu zerstören, und denen, die sich darum nicht kümmern wollten. „Es kann nicht alles so bleiben, wie es in den 1960er Jahren in Deutschland gewesen ist – weder im Verkehr noch bei den Hautfarben oder bei den Rollen der Geschlechter“, sagte Meister. Deutschland stecke mitten in einer Verkehrs- und Energiewende, treibe die Digitalisierung voran und stelle sich auf die Veränderungen durch die Globalisierung ein.

Zuständigkeit nicht aus der Hand geben

Es falle schwer, sich inhaltlich mit der „Aufzählung von Parolen durch die AfD“ im Antrag der Aktuelle Debatte auseinandersetzen, gestand Holger Hövelmann (SPD). Die Frage, ob Deutschland auf eine Planwirtschaft zusteuere, sei grotesk und fern jeder Realität. Eine tragfähige Wirtschaft werde nur auf einer ökologischen Grundlage bestehen – aber die Unternehmen hätten das – anders als die AfD – längst erkannt. So widme man sich beispielsweise in Leuna der chemischen Produktion aus nachwachsenden Rohstoffen.

Es müsse gelingen, eine klimafreundliche Politik und Wirtschaft zu gestalten, die allen im Lande zugutekommen. Denn weniger begüterten Haushalten könne man aus Kostengründen noch keinen Einkauf im Reformhaus oder den Kauf eines Tesla-Autos nahelegen. Der Klimawandel und dessen Verhinderung seien Thema auf der ganzen Welt, die Aktivistinnen und Aktivisten verbündeten sich über die Kontinente hinweg, legte Hövelmann dar. Die Politik dürfe die Zuständigkeit für die Gestaltung des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Rahmens nicht aus der Hand geben.

Am Ende der Aktuellen Debatte wurden wie gewohnt keine Beschlüsse gefasst.