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Plenarsitzung

Wie geht's weiter mit der Schafhaltung?

Der Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat sich am Mittwoch, 24. August 2016, in Bebertal zu einem Fachgespräch rund um die Schafhaltung getroffen. Eine Erkenntnis: Ohne finanzielle Förderung ist die Schafhaltung ein Minusgeschäft.

Dr. Ralf-Peter Weber, Staatssekretär im Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, und Energie erklärte, dass es in den letzten Jahren zu einer Stabilisierung des Schafbestands in Sachsen-Anhalt gekommen sei. Derzeit gehe man von rund 105.000 Schafen aus. Dennoch sei die Lage der Schafhalter in Sachsen-Anhalt nicht rosig, durchschnittlich stammten 60% der Einnahmen eines Schäfers aus finanziellen Zuwendungen, so Weber. Zudem habe sich der Markt für Lammfleisch zwar erholt, die Verkaufserlöse würden jedoch nicht zur Kostendeckung führen.

Positiv bewertete er die Situation in der Deichpflege, derzeit würden knapp 57 Prozent von Sachsen-Anhalts Deichen mit Schafen beweidet. Außerdem hätten die Schäfer in den letzten Jahren die Förderungsmöglichkeiten über Agrar-, Umwelt- und Klimaschutzmaßnahmen sehr gut angenommen. Dies soll in den nächsten Jahren beibehalten und wenn möglich ausgeweitet werden.

Hobby-Schäferei hat zugenommen

„Es wurde in den letzten Jahren sehr viel Positives unternommen und wenn ich an die Milchbauern denke, weiß ich, wie gut es uns geht. Aber der Teufel liegt wie immer im Detail“, sagte Karl-Heinz Eggert, vom Verband der Schaf- und Ziegenzüchter Sachsen-Anhalt. Er verwies darauf, dass in der von der Landesregierung erwähnten Statistik viele Hobby-Schäfer enthalten seien. Mit diesen könnten aber keine Deiche und keine Kulturlandschaften bewirtschaftet werden.

Dem schloss sich Dr. Hans-Jörg Rösler vom Landesschafzuchtverband Sachsen-Anhalt an. Außerdem sei ein großer Unterschied, ob es sich um Mutterschafe oder um Schafe insgesamt handelt. Zähle man nur die Mutterschafe in Sachsen-Anhalt reduziere sich die Zahl von 105.000 auf rund 53.000, alles andere seien Jungschafe oder Lämmer, die eben nicht zur Deichpflege eingesetzt werden könnten.

Noch Potential bei Deichbewirtschaftung

Großes Potential sieht Rösler noch bei der zu beweidenden Deichfläche. Denn zur Zeit würden in Sachsen-Anhalt nur 2800 Hektar von möglichen 4300 Hektar mit Schafen beweidet. Gleichzeitig müsste sichdie Vergütung eines Schäfers merklich erhöhen, um die Schafwirtschaft rentabler zu gestalten. Momentan erhalten die Schäfer 270 Euro/ha beweideter Deichfläche, Rösler forderte mindestens 450 Euro/ha. Einige Photovoltaik-Betreiber würden sogar 500 Euro/ha bieten.

Entlohnung muss besser werden

Zusammenfassend sagte Rösler, Schafhalter hätten als Fleischproduzenten in Europa keine Chance, sie könnten nur als extensive Grünlandbewirtschafter von gesellschaftlich gewünschten Agrarumweltmaßnahmen überleben. Seiner Meinung nach gebe es derzeit einen ganz einfachen Grundsatz: „Fläche bringt Geld, Schafe kosten Geld!“ Daraus ergebe sich das Problem, dass zu wenige Schafe auf dem Deich grasten, um ihn anständig zu bewirtschaften. Dabei hätten sich Schäfer eigentlich verpflichtet, die Natur- und Artenvielfalt zu pflegen und zu schützen. Deshalb müsse sich die Gesellschaft in diesem Bereich bewegen, sonst befürchtet er, bleibe das Grünland bald leer.

Zu viel Bürokratie und Nachwuchssorgen

Viele Schäfer müssten mittlerweile weite Wege zur Landschafts- oder Deichpflege zurückzulegen, ergänzte Karsten Siersleben, vom Landeskontrollverband für Leistungs- und Qualitätsprüfung Sachsen-Anhalt. Daher stelle sich die Frage, ob sich die Arbeit für die Schäfer noch rechne. Außerdem stünden viele Betriebe in den nächsten Jahren vor einem Betriebswechsel und die Nachwuchssuche würde sich äußerst schwierig gestalten. Daneben klagte er über die zunehmende Bürokratie: „Schäfer verlieren ihren Betrieb heute eher am Schreibtisch als wegen schlechter Arbeit mit den Schafen“, sagte Siersleben. Hilfe bei der Buchhaltung könnten sich viele Schäfer finanziell nicht leisten.

Wolfgang Köhler vom Bauernverband Sachsen-Anhalt, Kreisverband Börde, bestätigte im Wesentlichen die Aussagen des Landesschafzuchtverbands. Von der Wolle allein könnten Schäfer heute nicht mehr leben, sie seien daher darauf angewiesen, dass ihre gesellschaftliche Leistung, die sie bei der Deich- und Landschaftspflege erbringen, honoriert werde.

Stiftung Kulturlandschaft als Chance

Die Anreize für Schäfer müssten jedoch verbessert werden, so Köhler. Eine Möglichkeit dafür sieht er über die Stiftung Kulturlandschaft, die kürzlich gegründet wurde. Die Stiftung macht sich das Kompensationsgesetz zu eigen und will produktionsintegrierte Kompensationsmaßnahmen in Kooperation mit Landwirten umzusetzen. So könnten naturschutzfachlich wertvolle Grünländer mit Schafen, Ziegen oder Rindern beweidet werden. Die Kosten dafür würde das jeweilige Unternehmen übernehmen, das für den Flächenausgleich zuständig wäre. Damit könnte den Schäfern eine langfristige finanzielle Perspektive von bis zu 30 Jahren gegeben werden, erläuterte Dr. Jens Bürger von der Stiftung Kulturlandschaft. Dies könnte die Suche nach Nachfolgern etwas erleichtern.     

Übergriffe durch Wölfe nehmen zu

Ein wichtiges Thema des Fachgesprächs waren natürlich auch die „Schutzmaßnahmen gegen den Wolf“. Staatssekretär Dr. Weber erläuterte, dass die Übergriffe durch den Wolf deutlich gestiegen sind. Während es 2013 lediglich zehn Vorfälle gab, mussten im ersten Halbjahr 2016 bereits 28 vermerkt werden. Weber räumte ein, dass es derzeit häufig noch an ausreichend Informationen rund um den Wolf mangele. Daher kämpfe sein Ministerium bei den derzeitigen Haushaltsverhandlungen unter anderem auch für eine bessere personelle und finanzielle Ausstattung des Wolfszentrums.

Momentan unterstütze die Regierung die Schäfer vor allem beim präventiven Herdenschutz, so erhalten Schäfer finanzielle Unterstützung, wenn sie einen Elektrozaun kaufen. Außerdem könnten zustätzlich Herdenschutzhunde genutzt werden, dies benötige jedoch große Sachkenntnis und es müssten geprüfte Hunde sein, so Weber weiter. Seitens des Ministeriums gebe es deshalb derzeit noch rechtliche Bedenken, die Anschaffung von Herdenhunden in den Förderungskatalog der Landesregierung aufzunehmen.

Schäfer fordern: „Der Wolf muss ins Jagdgesetz rein"

Schäfer Karl-Heinz Eggert belässt es mittlerweile nicht mehr nur bei einem Zaun, sondern baut zwei Zäune rund um seine Schafherde auf. Dies bedeute natürlich erheblichen Mehraufwand, erklärte der 69-Jährige und findet deutliche Worte: „Der Wolf muss ins Jagdgesetz rein und muss reduziert werden.“ Wenn seine 250 Schafe beispielsweise an einer Autobahn stehen, könne er aus Angst vor dem Wolf nicht mehr ruhig schlafen. Denn läuft ein Schaf auf die Autobahn und verursacht einen Verkehrsunfall, helfe ihm keine Versicherung. Hier müsste dringend etwas geändert werden, so Eggert.

Zudem warnte der Schäfer davor, Geld für Herdenschutzhunde zur Verfügung zu stellen. Obwohl er seit Jahren mit Hunden arbeite, müsste er dann nach jetziger Gesetzeslage plötzlich einen Nachweis erbringen, dass er sich mit Hunden auskenne. Anders als bei Polizeidiensthunden und Jagdhunden, gibt es für Hütehunde keine gesetzliche Grundlage.

Dr. Rösler vom Landesschafzuchtverband forderte in dem Zusammenhang, dass Schäfer als sachkundige Personen im Sinne der Hundehaltung anerkannt werden, schließlich würden sie im Rahmen ihrer Ausbildung lernen, wie sie mit ihren Hunden umzugehen hätten. Momentan sei es per Gesetz so, dass ein Hütehund zum Kampfhund werden könnte, wenn er hinter einem Hasen herlaufe, so Rösler.

Außerdem wünschte er sich noch mehr Aufklärung und Informationen rund ums Thema Wolf, zum Beispiel wo genau dieser einen Zaun übersprungen hat. Daraus könnten Rückschlüsse gezogen werden, wie Zäune und Sicherungsanlagen verbessert werden könnten. Außerdem erklärte er: „Der Wolf darf nicht das Gefühl bekommen, dass er sich alles erlauben kann“. Das wäre das falsche Signal, sonst züchte man sich das Problem selber heran.