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Plenarsitzung

Zwischen Segen und Fluch: 10 Jahre Hartz IV

Die Fraktion DIE LINKE hatte für die Januarsitzung des Plenums eine Aktuelle Debatte mit dem Titel „10 Jahre Hartz IV – Arbeitsmarktpolitik und gesellschaftlicher Umbruch“ beantragt. Der Landtag von Sachsen-Anhalt setzte sich in der Debatte mit der Hartz-IV-Entwicklung und ihren Folgen für unser Bundesland (zwischen Arbeitsmarkterfolgen, so die Befürworter, und schwindender Solidarität, so die Kritiker) auseinander.

Dirlich: „Hartz IV muss weg!“

Die Hartz-IV-Reform sei mit dem Anspruch angegangen worden, allen Arbeitslosen alle Elemente der Arbeitsförderung zugänglich zu machen. Tatsächlich sei aber der Zugang zu diesen Maßnahmen erschwert worden. Die Eingliederungsmittel seien mit Hinweis auf den Rückgang der Arbeitslosenzahl drastisch vermindert worden: Während die Arbeitslosenzahl in Sachsen-Anhalt sich nur geringfügig verringert habe, seien die Eingliederungsmittel um über 50 Prozent zurückgegangen, kritisierte Dirlich.

Von der „größten Arbeitsmarktförderungsmaßnahme“ seien die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe, die konstant hohe Kinderarmut und das Bürokratiemonster „Bildungs- und Teilhabepaket“ geblieben, resümierte die Linken-Abgeordnete. Nach wie vor stehe Hartz IV für ein strukturelles Problem des Arbeitsmarktes, so zum Beispiel bei der Ausweitung des Niedriglohnsektors (nach den USA der größte der Welt). Mitunter bildeten sich bereits Parallelgesellschaften heraus: Menschen, die Nahrungsmittel von der Tafel und Sachen von der Kleiderbörse holen, und Leute, die sich von Wachkräften das Privateigentum schützen lassen, monierte Dirlich. Für die Linken stehe fest: „Hartz IV muss weg!“

Grundsicherung für Arbeitsuchende hergestellt

Wenn es Hartz IV nicht gegeben hätte, wo ständen wir heute? Das bedingungslose Grundeinkommen hätte damals wie heute wohl keine Mehrheit gefunden, erklärte Sozialminister Norbert Bischoff. Die Reform habe auf die Grundsicherung für Arbeitsuchende abgezielt. Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe wurden zusammengelegt – dadurch hätten unheimlich viele Menschen, die in der Sozialhilfe „geparkt“ gewesen seien, die Möglichkeit erhalten, wieder in Vermittlung zu kommen. Es handele sich um ein transparenteres und leichter zugängliches System für Transferleistungen und die Reaktivierung für den Arbeitsmarkt, sagte Bischoff.

Die Bundesregierung habe seinerzeit gehofft, mit der Reform mehr Menschen in Arbeit bringen zu können, aber der Arbeitsmarkt habe dies letztlich nicht in dem erwarteten Maß hergegeben, räumte der Minister ein. Insgesamt habe sich das System – trotz einiger bekannter Schwachstellen – als erfolgreich erwiesen. Heute hat sich die Situation auf dem Arbeitsmarkt deutlich verändert. Menschen gezielt in Arbeit und junge Menschen in Ausbildung zu bringen, soll durch neu aufgelegte Programme sichergestellt werden.

Zweiten Arbeitsmarkt etablieren

Zehn Jahre „Hartz IV“ und ALG II – die Aktuelle Debatte biete die Möglichkeit, die Reform der Arbeitsmarktförderung unter die Lupe zu nehmen, sagte Peter Rotter (CDU). So zahlreich die betroffenen Gruppen, so zahlreich seien auch die Meinungen über den Erfolg oder Nichterfolg von Hartz IV. „Ich halte den damals gegangenen Schritt für richtig, bei allen handwerklichen Fehlern des Reformprogramms – es war richtig und erfolgreich, Arbeitsmarktstatistiken belegen dies“, erklärte Rotter. Die Reform habe die Grundsicherung geschaffen, dass auch Menschen ohne Beschäftigung ein menschenwürdiges Leben ermöglicht werde. Es müsse weiterhin angestrengt werden, Brücken in den Arbeitsmarkt zu bauen, um Menschen aus der Landzeitarbeitslosigkeit herauszubringen und sie von einem Leben ausschließlich auf ALG-II-Basis abzubringen.

Rotter sprach sich für die Etablierung einen zweiten Arbeitsmarktes aus, der auch minderqualifizierten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern eine sinnvolle Beschäftigung ermögliche. Entsprechende Regelungen sollten auf Bundesebene schnellstmöglich geschaffen werden.

Hartz-IV-Sanktionen abschaffen

Die Konzentration des Reichtums werde sich in Deutschland und weltweit in den kommenden Jahren noch verstärken, konstatierte Cornelia Lüddemann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN). Die Hartz-IV-Reformen seien umwälzend gewesen. Die Verantwortung für den ökonomischer Abstieg werde den Betroffenen oft selbst zugeschoben, Hartz IV stehe mittlerweile für Verwahrlosung, Übergewicht und Faulheit. Dies sei nicht hinzunehmen, erklärte Lüddemann.

Auch die Mittelschicht erlebe eine neue Unsicherheit: Selbst jahrelange Erwerbstätigkeit schütze heute nicht vor dem Sturz in die Armut. Die Zumutbarkeitsregeln für einen Job seien mit der Ausweitung des Niedriglohnsektors vom Bund quasi abgeschafft worden, nehme man eine Stelle nicht an, drohten Sanktionen (Leistungskürzung). Die Einführung des Mindestlohns sei ein erster guter Schritt zur Abschaffung der arbeitsmarktpolitischen Probleme, aber es gebe noch zu viele Ausnahmeregelungen. Lüddemann sprach sich für die Abschaffung der Sanktionen und die Anhebung der Leistungssätze aus.

Alternative für die Bürgerarbeit schaffen

Es sei ein bisschen abenteuerlich, was die Opposition der Regierungskoalition in der Aktuellen Debatte mit auf den Weg gegeben habe. Nostalgie und Rückwärtsgewandtheit – dies seien die zentralen Punkte, die Andreas Steppuhn (SPD) aus dem Redebeitrag der Linken-Abgeordneten Sabine Dirlich gezogen habe. Linke und Grüne sprächen sich für eine Mindestsicherung ohne Sanktionen aus, „aber ein paar mehr Gedanken sollte man sich schon machen“, sagte Steppuhn. Eine Lohnuntergrenze hätte auf dem Niedriglohnsektor schon sehr viel früher festgelegt werden sollen, räumte er allerdings ein. Hier sei man mit der Einführung des Mindestlohns schon vorangekommen.

Die Arbeitsmarktpolitik sei nichts Statisches, sondern sie müsse kontinuierlich weiterentwickelt werden. Bei Hartz IV habe es Fehler gegeben, die auszuräumen gewesen und noch auszuräumen seien. Um jeden langzeitarbeitslosen Menschen müsse gekämpft werden, um ihn auf den Arbeitsmarkt zu bringen. Steppuhn sprach sich für eine neue Version des ausgelaufenen Programms „Bürgerarbeit“ aus.

Beschlüsse wurden am Ende der Aktuellen Debatte nicht gefasst.