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Plenarsitzung

Über Mopsfledermaus, Rotmilan und Co.

  • Grüne: Biodiversität kein Luxus, sondern Daseinsvorsorge
  • 19 Arten in Sachsen-Anhalt brauchen besondere Fürsorge
  • Landwirtschaftsminister sieht Land auf gutem Weg

Was haben Rotmilan, Wildkatze und Mopsfledermaus gemeinsam? Von allen drei Tierarten gibt es in Sachsen-Anhalt nur noch wenige. Für ihren Erhalt werde seitens der Landesregierung nicht ausreichend getan, so die Meinung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. 

Der fortschreitende Verlust der Artenvielfalt verursache laut Grünen ökologische Probleme und habe negative ökonomische sowie gesellschaftliche Auswirkungen. Um dem entgegenzutreten, forderten sie in ihrem Antrag von der Landesregierung unter anderem, den Aktionsplan zur Umsetzung der Biodiversitätsstrategie des Landes Sachsen-Anhalt zu überarbeiten. Dabei soll es zu einer präzisen Definition der Ziele und zur Darstellung der notwendigen Aufgaben zur Erreichung dieser Ziele kommen. Darüber hinaus soll die landwirtschaftliche Förderung auf ihren Nutzen für den Naturschutz hin geprüft und perspektivisch an naturschutzfachliche Kriterien gebunden werden.

Der Bestand des Rotmilans in Sachsen-Anhalt ist in den vergangenen 20 Jahren deutlich eingebrochen. Foto: Hansueli Krapf

„Die Erhaltung der Biodiversität ist kein Luxus – sie ist Daseinsvorsorge“, sagte Prof. Dr. Claudia Dalbert (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zu Beginn ihres Redebeitrags. Sachsen-Anhalt trage für 19 Arten besondere Verantwortung, diese zeige sich allerdings nicht durch besonderes Engagement. Die Grünen-Politikerin warf der Landesregierung vor, in den vergangenen Jahren keine geeigneten Maßnahmen zum Schutz der Artenvielfalt ergriffen zu haben und untermauerte dies mit Beispielen aus der Tierwelt, unter anderem der Mopsfledermaus. Die 2010 vom Kabinett verabschiedete Strategie des Landes zum Artenschutz sei gescheitert, das aktuelle Bild „niederschmetternd“.

Grüne: Aktionsplan muss überarbeitet werden

Gründe für den ausbleibenden Erfolg sieht Dalbert unter anderem in fehlenden konkreten und überprüfbaren Zielvorgaben, stattdessen handle es sich bei den Formulierungen des Ministeriums um „naturschutzfachliche Lyrik“. Vereinbartes Ziel sei es, bis 2020 das Artensterben zu stoppen, daher werde es langsam Zeit, ernsthaft damit zu beginnen. Der Aktionsplan müsse grundlegend überarbeitet werden, dabei müsse von naturschutzfachlichen Überlegungen und nicht von haushaltstechnischen Zwängen ausgegangen werden. Zudem sollte zwischen Dauer- und Prozessaufgaben unterschieden werden, Erstere müssten im Landeshaushalt verankert werden. Wenn die Landesregierung so weitermache, setzte sie die Lebensgrundlagen der zukünftigen Generationen aufs Spiel.

Da der Erhalt der Biodiversität sehr stark von der Art der landwirtschaftlichen Nutzung abhängig ist, forderten die Grünen außerdem, dass die landwirtschaftliche Förderung perspektivisch umgestellt und an klare naturschutzfachliche Vorgaben geknüpft wird. Zudem könnten sie sich eine jährliche Konferenz zur Artenvielfalt vorstellen, um die gesamte Bevölkerung mitzunehmen und einen Dialog zwischen Politik und Wissenschaft anzustoßen.

Dr. Hermann Onko Aeikens, Minister für Landwirtschaft und Umwelt, wies den Vorwurf der Grünen zurück, die Landesregierung habe hinsichtlich des Erhalts der biologischen Vielfalt zu wenige Maßnahmen ergriffen. Es gehe zu weit zu behaupten, dies führe langfristig zu einer existenziellen Bedrohung der Menschheit. Der Minister erklärte: „Der Erhalt der Biodiversität ist längst integraler Bestandteil in fast allen politischen Bereichen geworden.“ Viele Probleme seien bereits erkannt und vieles schon erreicht worden, zum Beispiel im Bereich des Dauergrünlandes. Darüber hinaus werde 2016 die deutsche Naturschutzkonferenz in Magdeburg stattfinden, von der er sich wesentliche Impulse für die weitere Arbeit in Sachsen-Anhalt erwartet. 

Aeikens: Es hat sich schon viel getan

Aeikens argumentierte, man dürfe nicht immer nur „Alarm schlagen“, sondern die Menschen auch zum Mitmachen aktivieren. Außerdem würden viele ergriffene Maßnahmen erst mittel- und langfristig ihre Wirkung entfalten. Der 2010 verabschiedete Aktionsplan sieht automatisch eine Überarbeitung zu Beginn der Legislaturperiode vor (also im Frühjahr 2016). Ein weiterer Grund, warum er den Antrag der Grünen ablehnte und stattdessen auf den Alternativantrag von CDU und SPD verwies. Dieser hält die bisherige Biodiversitätsstrategie weiterhin für geeignet, um die Artenvielfalt zu schützen.

Ralf Bergmann (SPD) erklärte, der Antrag der Grünen sei berechtigt und auch das „Alarmschlagen“ müsste erlaubt sein, da es in dem einen oder anderen Bereich nötig sei. „Naturschutz ist allerdings nicht Haribo-Colorado.“ Man dürfe nicht ein paar negative Beispiele herausnehmen und alles andere sei in Ordnung. Es sei Fakt, dass es den größten Artenschwund in der Landwirtschaft gebe, hier wünschte er sich deutlich mehr Aktivitäten von der Regierung.

Bergmann: Lage ernster als angenommen

Der Einsatz von Neonicotinoiden (synthetisch hergestellte Insektizide) beispielsweise sei nicht nur für Insekten, sondern auch für Vögel gefährlich und sollte seiner Ansicht nach sofort verboten werden. Der SPD-Politiker verdeutlichte die aktuelle Situation in der Landwirtschaft mit der Formulierung. „Früher gab es eine Fruchtfolge, heute gibt es eine Giftfolge.“ Er zeigte sich überzeugt, die Situation sei weitaus dramatischer als wir uns das derzeit vorstellen.

Claudia Dalbert habe zu Recht auf ein erhebliches Defizit der Landesregierung aufmerksam gemacht und den Inhalt des Antrags könne er voll und ganz unterstützen, sagte André Lüderitz (DIE LINKE). Der Alternativantrag der Landesregierung belege, dass selbst die Koalition nicht mit dem von der Landesregierung Erreichten zufrieden sei.

In den Ausschüssen wurde das Thema bereits mehrfach diskutiert und auf fehlende Kriterien zur Überprüfbarkeit verwiesen. Geändert habe sich seither allerdings nichts, konstatierte Lüderitz. An die Antragstellerin gerichtet fragte er: „Glauben Sie wirklich, dass diese Landesregierung zum Umsteuern in der Lage ist?“ Er selbst bezweifle dies, appellierte jedoch an Minister Aeikens, die Chance zum Umsteuern zu nutzen und den Antrag der Grünen anzunehmen.

Auch Thomas Leimbach (CDU) betonte, dass die Bewahrung der biologischen Vielfalt ein wichtiges Thema sei. Der Antrag der Grünen verzerre jedoch absichtlich die Wirklichkeit, denn Sachsen-Anhalt brauche sich beim Artenschutz nicht zu verstecken. Die sprachliche Überhöhung, dass der Verlust der Artenvielfalt zu einer existenziellen Bedrohung der Menschheit führe, sei nicht gut für die Überzeugungskraft des Antrags.

Leimbach: Aktionsplan ohne Hektik fortsetzen

Leimbach sieht das Land – ähnlich wie der Landwirtschaftsminister – auf einem guten Weg. Bereits jetzt würden erhebliche finanzielle Mittel für den Artenschutz eingesetzt. Der CDU-Politiker verwies außerdem auf erste Erfolge: So könnten beispielsweise Biber, Wolf und Lachs immer öfter zwischen Arendsee und Zeitz beobachtet werden. Zudem bedeute mehr Geld nicht automatisch mehr Artenvielfalt. Daher wolle seine Fraktion den Aktionsplan von 2010 fortsetzen, ganz ohne operative Hektik, sondern mit Konzentration.

Der Antrag der Grünen wurde abgelehnt, der Alternativantrag mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen beschlossen.