Cookies helfen uns bei der Weiterentwicklung und Bereitstellung der Webseite. Durch die Bestätigung erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies gesetzt werden.

Plenarsitzung

Starkes Europa, starkes Sachsen-Anhalt

Kultur- und Staatsminister Rainer Robra hielt zu Beginn der April-Sitzungsperiode des Landtags von Sachsen-Anhalt eine Regierungserklärung mit dem Titel „Sachsen-Anhalt wählt ein starkes Europa!“. Er richtete sich damit an die wahlberechtigten Menschen in Sachsen-Anhalt, die aufgerufen sind, am 9. Juni 2024 ihre Stimme bei der Europawahl 2024 abzugeben.

Flaggen der Mitgliedsländer vor dem europäischen Parlament in Brüssel.

Flaggen der Mitgliedsländer vor dem europäischen Parlament in Brüssel.

Sachsen-Anhalt hat von Europa profitiert

„Wir alle sind Europa und wir brauchen Europa ‒ ein starkes Europa, das kein Spielball der Weltgeschichte ist“, sagte Staatsminister und Minister für Kultur Rainer Robra (CDU). Nationalstaatliche Konzepte böten für die Bewältigung der Herausforderungen der Zeit keine genügende Lösung. Die Europäische Union sei komplex, man müsse gemeinsam und kontinuierlich an einem Strang ziehen, um die Interessen des Landes Sachsen-Anhalt zu vertreten, betonte Robra.

Die Mitgestaltungsmöglichkeiten seien vielfältig, und das Land nutze diese auch, beispielsweise durch die Mitwirkung im Bundesrat. Von Juli 2022 bis Juni 2023 habe Sachsen-Anhalt den Vorsitz der Europaministerkonferenz der Bundesrepublik innegehabt und hier Impulse gesetzt. Die Landesvertretung in Brüssel biete die Chance, Kontakte zu den europäischen Partnern zu halten und auszubauen. In der letzten Förderperiode seien rund 2,2 Milliarden Euro Fördermittel nach Sachsen-Anhalt geflossen, viele Tausend Projekte hätten so umgesetzt werden können. Gleiches sei für die aktuelle Förderperiode bis 2027 zu erwarten.

Die finanziell hochdotierten wirtschaftlichen Ansiedlungen wie Intel erhöhten die Sichtbarkeit Sachsen-Anhalts für ausländische Investoren, lobte Robra und hob auch die Regionalpartnerschaften und Kooperationsvereinbarungen mit Gebieten in Polen, Frankreich und Spanien hervor. In der kommenden Zeit gebe es einige europapolitische Herausforderungen, so die Gestaltung der Zukunft der EU (Stichwort Öffnung für neue Mitglieder) und innere Reformen, die zum Beispiel zum Bürokratieabbau und zu neuen Abstimmungsmodellen (qualifizierte Mehrheit statt Einstimmigkeit) führen sollen.

Robra warb für die Teilnahme an der Europawahl 2024, er wies darauf hin, dass bereits 16-Jährige an die Wahlurne gerufen würden. Es gelte, durch Informationsangebote insbesondere diese jungen Menschen für die europäische Idee zu gewinnen.

Viele Fördergelder werden nicht abgerufen

Die Landesregierung singe ein Loblied auf die Europäische Union und die „ach so tollen Errungenschaften“, rekapitulierte Tobias Rausch (AfD) aus seiner Sicht die Regierungserklärung des Europaministers. Die offiziellen Problemlagen der Bürger würden dabei aber verschleiert. Deutschland habe im Jahr 2022 30,8 Milliarden Euro in die EU eingezahlt, aber nur circa 11,1 Milliarden Euro durch die Fördertöpfe zurückbekommen. Immer mehr Menschen stellten den Nutzen der Europäischen Union in Frage, so Rausch. Viele Fördergelder würden gar nicht abgerufen, weil der bürokratische Aufwand zu hoch sei, kritisierte Rausch. Geld, das für Sachsen-Anhalt notwendig sei, beispielsweise für Infrastruktur oder Rente, werde an die EU transferiert; die Solidarität gehe hier nur in eine Richtung. Die AfD spreche sich gegen ein „Europa der Bevormundung“ und gegen die neue Gebäudeordnung, das Verbrenneraus und den Green Deal aus, so Rausch. Die AfD wolle ein Europa der Vaterländer, das in einer neuen Wirtschafts- und Interessengemeinschaft mit einem gemeinsamen Binnenmarkt, geschützten Außengrenzen und Reisefreiheit aufgehe.

Stimme nicht ungenutzt lassen

Die Europäische Union ist mehr als die von der AfD aufgestellte Plus-Minus-Rechnung, betonte Holger Hövelmann (SPD). Sie stehe für Solidarität, Nachteilsausgleich, Frieden, Wohlstand und Sicherheit. Die Ansichten der AfD entsprächen denen der Brexit-Befürwörter, und die würden sich heute ganz anders äußern. Zu vielen Menschen im Land sei die Europäische Union egal, ihr Ruf sei schlecht, monierte Hövelmann. „Aber ohne diese Union würden wir sehr schnell merken, was fehlt, vieles wäre nicht mehr möglich, kaum ein Bauer im Land könnte ohne EU-Förderung existieren.“ Man müsse auf eine Förderpolitik setzen, die die Angst vor kommenden Strukturveränderungen nehme, und auf eine Außenpolitik, die sich allen Attacken wiedersetze. „Europapolitik und Kommunalpolitik gehen Hand in Hand, eine handlungseingeschränkte Union wäre ein Desaster für die Kommunen des Landes.“ Hövelmann sprach sich dafür aus, insbesondere auf die Stimmen der jungen Menschen zu bauen: „Lassen Sie Ihre Stimme nicht ungenutzt, wählen Sie ein modernes und sicheres Europa!“

Polen wichtiger Wirtschaftspartner

Die Europäische Union sei bedroht, warnte Wulf Gallert (Die Linke), vor allem durch die Verfolgung nationaler Interessen im Gegensatz zu gemeinschaftlichen Interessen. Wer Europa stärken wolle, müsse sich gegen die engen nationalstaatlichen Interessen stellen. Nur Menschen, die sich in ihrer Existenz bedroht fühlten, verlören den Glauben an die EU. Dies sei beim Brexit erkenntlich geworden. Die EU müsse als sozialer Schutzraum gestaltet sein, der den Menschen eine Rechtsstaatsgarantie biete. Ein einfacher Freihandelsmarkt sei keine Alternative. Auf den Vorwurf der AfD, dass Polen einer der Profiteure der EU-Fördermittel sei, müsse man hinzufügen, dass dessen wirtschaftliche Entwicklung auch Sachsen-Anhalt zugutekomme, erklärte Gallert, denn Waren im Wert von drei Milliarden Euro würden aus Sachsen-Anhalt nach Polen exportiert.

Als Gemeinschaft nicht auseinanderdriften

„Unsere Zukunft ist Europa, eine andere haben wir nicht“, das habe schon Hans-Dietrich Genscher gewusst, von dem dieses Zitat stamme, sagte Andreas Silbersack (FDP). Die Wahl am 9. Juni werde zeigen, in welche Richtung sich Europa und Deutschland entwickelten. Im Rahmen des europäischen Binnenmarkts habe es in den letzten zwei Jahrzehnten keinen größeren Profiteur gegeben als Deutschland. Natürlich hätten die Mitgliedsstaaten jeweils eigene Vorstellung von der Entwicklung der EU, aber „wir können es uns nicht leisten, dass das Europa von 27 Nationalstaaten auseinanderdriftet“. Freilich halte jede Nation an der eigenen Identität fest, aber setze man dabei auf Grenzen und Zölle, dann „schießen wir uns selbst ins Knie“, sagte Silbersack in Richtung AfD. Die Herausforderungen von Wirtschaft, Migration und Green Deal müssten gemeinsam angegangen werden.

„Brauchen sozial gerechte Transformationen“

Die Europäische Union sei widerstandfähig, gerecht, solidarisch und gebe Sicherheit, erklärte Dorothea Frederking (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN). Zusammenarbeit und Einigkeit seien gut für die Interessen der Nationalstaaten, aber eben für alle Mitgliedstaaten. Der Green Deal müsse weitergehen, denn er stehe für eine klimaneutrale Wirtschaft und sei zugleich ein kraftvolles Konjunkturprogramm, er mache Europa widerstandsfähiger gegen die Auswirkungen des Klimawandels. Im Sinne von „erhalten, was uns erhält“ lobte Frederking das neue EU-Renaturierungsgesetz. „Wir brauchen Transformationen, die sozial gerecht sind“, erklärte Frederking. So setzten sich die Grünen beispielsweise für eine staatlich gestaffelte Mindestlohnrichtlinie ein.

Entscheidungen hinterfragen

Die Idee eines geeinten, friedlichen und wirtschaftlich gemeinsam agierenden Europas sei schon älter, habe aber erst nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs Form angenommen, erinnerte Markus Kurze (CDU). Seit 1949 habe sich das Staatenbündnis stetig weiterentwickelt – von wirtschaftlicher Zusammenarbeit über Grenzenlosigkeit bis hin zur gemeinsamen Währung Euro. Die Europäische Union sei sogar mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet worden. Die Menschen stellten sich die EU in Zukunft mit noch stärkerer Wirtschaft vor, sie solle demokratisch agieren und rechtsstaatlich sein, sagte Kurze. Manche Verbote und Zwänge wie das Verbrenneraus und die Gebäuderichtlinie gingen ein Stückweit an der Leistungsfähigkeit der Menschen vorbei, konstatierte Kurze. Wenn überragende Themen diskutiert würden, sollten auch alle Menschen in die Abstimmungsprozesse eingebunden werden. Wenn manche Dinge nicht so liefen wie gedacht, müssten diese auch hinterfragt und geändert werden.

Am Ende der Aussprache zur Regierungserklärung des Europaministers wurden keine Beschlüsse gefasst.