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Plenarsitzung

Transkript

Tagesordnungspunkt 17

a)    Erste Beratung

Entwurf eines Gesetzes zur Akzeptanzsteigerung und Beteiligung beim Ausbau der erneuerbaren Energien

Gesetzentwurf Landesregierung - Drs. 8/4020

b)    Beratung

Windkraftmoratorium jetzt! - Aus aktuellen Erkenntnissen lernen

Antrag Fraktion AfD - Drs. 8/4014


Die Einbringung zu a) erfolgt durch das Mitglied der Landesregierung Prof. Dr. Armin Willingmann. Bevor er allerdings das Wort bekommt, wollen wir Damen und Herren aus Sachsen-Anhalt auf Einladung der AfD-Fraktion begrüßen und willkommen heißen. 

(Beifall bei der AfD - Zustimmung bei der FDP) 

Herr Minister, Sie haben das Wort. - Bitte sehr. 


Prof. Dr. Armin Willingmann (Minister für Wissenschaft, Energie, Klimaschutz und Umwelt): 

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bevor ich auf den Antrag der AfD eingehen will, bringe ich den Entwurf des Gesetzes zur Akzeptanzsteigerung und Beteiligung beim Ausbau erneuerbarer Energien, kurz Akzeptanz- und Beteiligungsgesetz, ein. 

Meine Damen und Herren! Sie wissen, Sachsen-Anhalt gehört zu den Vorreitern bei den erneuerbaren Energien. Rund 2 700 Windräder bei uns im Lande, mehr als 70 000 Solaranlagen. Viele von Ihnen haben so etwas jetzt auf dem Balkon oder im Garten stehen. 

(Zuruf von der AfD) 

Rund 62 % unseres Stroms wird klimaneutral erzeugt. Das ist eine erfreuliche Bilanz. Aber diese Bilanz wird dadurch getrübt, dass die wirtschaftliche Beteiligung der Kommunen an diesem Erfolg in den vergangenen Jahren nur unverbindlich geregelt war. Mit dem Akzeptanz- und Beteiligungsgesetz wollen wir das und dieses Manko endlich überwinden. Es wird höchste Zeit.

Es steht für mich außer Frage, dass wir für den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien einen breiten gesellschaftlichen Konsens brauchen. Wir brauchen Akzeptanz. Diese Akzeptanz soll ein Stück weit durch das neue Gesetz gefördert werden. Es zeichnet sich dadurch aus, dass es zielgerichtet, einfach, verständlich und unbürokratisch konzipiert ist. Es soll die Arbeit der Gemeinderäte, der Vertreterinnen und Vertreter vor Ort, erleichtern. Sie sollen es verstehen und anwenden können.

Betreiber neuer Windkraftanlagen werden mit dem Inkrafttreten des Gesetzes 6 € je Kilowatt Nennleistung an Kommunen zahlen müssen. Für neue Fotovoltaik-Freiflächenanlagen werden 3 € je Kilowatt Nennleistung fällig. Um es etwas leichter verständlich zu machen: Das sind im Jahr etwa 30 000 € je Windkraftanlage oder 3 000 € je PV-Freiflächenanlage. 

Die Einnahmen können von Seiten der Kommunen zu unterschiedlichen Zwecken genutzt werden. Wir räumen hierbei große Spielräume ein, von der Sanierung öffentlicher Gebäude über die Förderung sozialer Aktivitäten bis hin zur Weitergabe der Einnahmen an Bürgerinnen und Bürger. Ziel ist jeweils die Steigerung der Akzeptanz für erneuerbare Energien. 

Das ist übrigens kein Kaufen der Bevölkerung, 

(Ulrich Siegmund, AfD: Doch!)

sondern eine angemessene Beteiligung am wirtschaftlichen Erfolg von Anlagen der erneuerbaren Energien.

(Zustimmung bei der SPD - Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren! Es ist auch nicht unanständig, wenn Gemeinden Einnahmen erzielen, es ist sogar wünschenswert. Genau das wollen wir mit dem Gesetzentwurf erreichen. Das ist zum Wohle der Bevölkerung.

(Zustimmung bei der SPD, bei der CDU und bei den GRÜNEN)

Wichtig ist für uns, dass bei großen Einheitsgemeinden, bei großen Gemeindeverbünden die unmittelbar betroffenen Ortsteile stärker profitieren. Wir haben eine Sollvorschrift aufgenommen. Danach soll ein Anteil von 50 % der Einnahmen in unmittelbarer Nähe der betroffenen Ortsteile, also jener, in denen die Anlagen der erneuerbaren Energien stehen, eingesetzt werden. 

Die Einnahmen - das ist für die Gemeinden von großer Bedeutung - werden bei der Ermittlung der Finanzausgleichsmasse nicht berücksichtigt, ebenso nicht bei der Kreis- und bei der Verbandsgemeindeumlage.

(Zustimmung von Sven Rosomkiewicz, CDU)

Das ist ein echter Mehrwert. Die Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker unter uns wissen das. 

Wir müssen auch den Vergleich mit anderen Bundesländern nicht scheuen. Unabhängig davon, dass wir im Moment das vierte Bundesland sind, das eine Regelung in diese Richtung auf den Weg bringt, befinden sich die Regelungen der Bundesländer, die das vorher auf den Weg gebracht haben, zurzeit in Revision. Oder aber, wie im Fall Nordrhein-Westfalens, die Regelungen sind derart ausgearbeitet, dass allein der FAQ-Nachweis zum Gesetz 45 Seiten stark ist. Das ist nicht unbedingt ein verständliches Regelwerk.

Ein kurzer Hinweis an Die Linke, weil Sie uns beim letzten Mal den Thüringer Gesetzesentwurf vorgehalten und angeführt haben, dort sei man besonders weit. Das stimmt. Der Gesetzentwurf ist inzwischen dreimal überarbeitet worden, aber auch noch nicht verabschiedet worden. Das ist also durchaus nicht so ganz einfach. 

Wir wollen ein einfaches Gesetz, und wir wollen eine Regelung haben, die schnell zur Anwendung kommt, nämlich möglichst noch in diesem Jahr. 

(Zustimmung von Jörg Bernstein, FDP)

Meine Damen und Herren! Es ist bedauerlich, dass das Bundeswirtschaftsministerium bei seiner Auffassung geblieben ist, keine einheitliche bundesweite Regelung erlassen zu können, und zwar aus verfassungsrechtlichen Gründen. Ich will das von Rechts wegen nicht infrage stellen, aber das hätte sichergestellt, dass wir gleiche Regelungen in den Bundesländern bekommen. 

So wird es jetzt zu einem Flickenteppich werden. Aber ich darf Ihnen versichern, dass wir sehr darum bemüht sind, dass das möglichst einheitlich geschieht, dass wir möglichst einheitliche Regelungen bekommen. Eines darf ich Ihnen versichern: Es werden am Ende des Tages alle Bundesländer solche Akzeptanz- und Beteiligungsgesetze haben. Denn es ist nur recht und billig, dass Kommunen an Erträgen beteiligt werden.

(Zustimmung von Wolfgang Aldag, GRÜNE)

Meine Damen und Herren! Die Möglichkeiten anderer Beteiligungsformen - danach wurden wir oft gefragt - sind selbstverständlich durch dieses Gesetz nicht ausgeschlossen. Es wird aber eine sichere Einkommensquelle für die Gemeinde geben, wenn keine Verabredung mit demjenigen getroffen wird, der den Windpark betreibt. 

Eine weitere Frage will ich kurz antizipieren, nämlich die, warum wir die Bestandsanlagen, also die, die schon stehen, nicht einbezogen haben. Hierzu haben wir in der Tat unsererseits verfassungsrechtliche Bedenken gehabt. Außerdem wollten wir das verhindern, was in Mecklenburg-Vorpommern passiert ist. Dort wurde ein gut gemeintes Gesetz im Jahr 2017 auf den Weg gebracht, das dann aber drei Jahre lang beklagt wurde, und erst vom Bundesverfassungsgericht wurde letztlich entschieden, dass man es so machen kann. Das hat zu viel Zeit gekostet und auch nicht gerade die Akzeptanz erhöht. 

Man erhöht die Akzeptanz übrigens auch nicht durch ein Windkraftmoratorium, wie wir es im Antrag der AfD lesen. 

Zu Infraschallspekulationen will ich mich an dieser Stelle gar nicht weiter auslassen. Die Untersuchungen, die wir dazu kennen, sowohl die lange Studie aus dem Land Baden-Württemberg aus dem Jahr 2015 als auch die umfassende des Umweltbundesamtes aus dem Jahr 2020 sehen keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen durch Infraschall. 

(Zuruf von Susan Sziborra-Seidlitz, GRÜNE)

Deshalb sollten wir uns auf dieses Feld erst gar nicht begeben. Aber es geht ja in Wirklichkeit auch gar nicht um den Infraschall, es geht darum, irgendwie wieder das Thema Atom unterzubringen. Dazu will ich Ihnen Folgendes sagen: Ich habe gestern im Kabinett den Sachstandsbericht über die Endlagersuche gegeben. 

(Jan Scharfenort, AfD: Die alte Leier wieder! - Weitere Zurufe von der AfD) 

Einmal im Jahr tue ich das. 30 000 m³ hochradioaktiver Müll harren der Lösung seines Verbringens. Die Endlagerung ist bis heute nicht gefunden. Das bleibt ein Problem. 

(Guido Kosmehl, FDP: Finnland ist fertig mit dem Endlager!)

Aber ein noch größeres Problem, meine Damen und Herren, ist der Umgang der AfD mit Erkenntnissen aus dem Ausland. 

Meine Damen und Herren! In Frankreich - das lesen wir in diesem Antrag - ist mitnichten über Windenergieanlagen entschieden worden. Das oberste französische Verwaltungsgericht hat sich mit der Frage der Lärmmessung und der entsprechenden Regelungen darüber, wie man Lärmmessungen durchführt, befasst, und es hat festgestellt, dass beim Erlass dieser Regelungen die Öffentlichkeit unzureichend beteiligt wurde. Aufgrund eines Formfehlers wurde diese Regelung also aufgehoben; sie war keine Aussage für oder gegen Windenergie und sie war schon gar keine in Richtung Infraschall. 

(Zustimmung von Dr. Katja Pähle, SPD) 

Meine Damen und Herren! Man kann es daher beenden mit William Shakespeare, 1610: „Much ado about nothing“. Viel Lärm um nichts, den die AfD an dieser Stelle veranstaltet. Wir wollen ein vernünftiges Akzeptanz- und Beteiligungsgesetz. Bringen wir es auf den Weg. 

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Zustimmung bei der CDU)

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. 


Vizepräsident Wulf Gallert: 

Der Kollege Roi hat eine Frage. - Bitte, Herr Roi. Sie wissen, in einer Dreiminutendebatte beträgt die Redezeit für eine Frage eine Minute. 


Daniel Roi (AfD): 

Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Minister, viel Lärm um nichts, haben Sie gerade gesagt. Ich wollte Sie in dem Zusammenhang fragen, was Sie zu dem Fakt sagen, von dem auch kürzlich unsere Landespresse berichtet hat, dass in Sachsen-Anhalt allein im letzten Jahr, wenn man es hochrechnet, 537 Millionen kWh nur aus der Windkraft abgeschaltet wurden. 

(Sebastian Striegel, GRÜNE: Mehr Speicher, jetzt!) 

Sie wissen, dass der Verbraucher die Netzstabilität bezahlt, also die Maßnahmen, um das Netz stabil zu halten. Sie wissen auch, dass die Netzentgelte in Sachsen-Anhalt und letztlich der Strompreis in Sachsen-Anhalt weitaus höher sind als in Nordrhein-Westfalen. Das alles ist Ihre Politik, die dazu geführt hat, dass unsere Bürger in Sachsen-Anhalt mit die höchsten Strompreise in Deutschland haben, weil wir diesen Windradwahnsinn zugelassen haben, ohne vorher entsprechende Netze oder Speicher aufzubauen. 

Jetzt wollen Sie, statt erst einmal aufzuholen, noch mehr Windkraft, noch höhere Windräder mit noch mehr Leistung. Das ist ein Wahnsinn. Sie sind mitverantwortlich für die hohen Strompreise in Sachsen-Anhalt. 

(Beifall bei der AfD)


Vizepräsident Wulf Gallert:

Herr Roi, der Beitrag ist nach einer Minute beendet. - Herr Willingmann kann jetzt antworten. 


Prof. Dr. Armin Willingmann (Minister für Wissenschaft, Energie, Klimaschutz und Umwelt): 

Vielen Dank. Herr Roi, es gehört zum üblichen Spiel der AfD, für die Galerie etwas zu erzählen, meine Damen und Herren. Der Windkraftausbau hier im Lande hat vor 20 Jahren begonnen. Damals wusste noch niemand, dass es überhaupt irgendwann einmal eine AfD geben würde. Die allermeisten von uns waren damals noch nicht in diesem Parlament. Es war trotzdem richtig, es damals so zu entscheiden. Das verschafft uns nämlich heute diese Vorreitersituation. Richtig ist - ohne Frage  , dass zu viel abgeschaltet wird, weil wir mit dem Netzausbau nicht hinterherkommen. Das ist ein großes Problem. Das heißt aber trotzdem nicht, dass wir jetzt den Windkraftausbau stoppen müssen. Sondern es heißt nur, dass wir den Netzausbau beschleunigen müssen und dass wir mehr Speicherkapazität brauchen. 

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Zustimmung bei der CDU)

Ein Wort zu den Netzentgelten. Das ist ein Ärgernis hoch drei.

(Jan Scharfenort, AfD: Ja, Planwirtschaft!) 

Das berühmte KTF-Urteil - ich will es an dieser Stelle gar nicht wiederholen - hat dazu geführt, dass etwa 5,5 Milliarden €, die zur Entlastung der Bürgerinnen und Bürger hätten herangezogen werden können, nicht mehr zur Verfügung standen. Damit ist also tatsächlich ein Versuch, bei den Netzentgelten zu dämpfen, gescheitert. Das ist ein großes Ärgernis. 

Ein zweites Problem - damit haben Sie völlig recht - ist die ungerechte Verteilung von Netzentgelten. Denn in der Tat ist es natürlich ein Treppenwitz, dass ausgerechnet dort, wo man sich vorbehaltlos hinter den Ausbau der erneuerbaren Energien stellt, auch noch die regionalen Bürgerinnen und Bürger belastet werden.

(Eva von Angern, Die Linke: Das müsste geändert werden!) 

Das ist ein ganz großer Fehler. 

(Daniel Roi, AfD: Dann habe ich also recht mit dem, was ich gesagt habe! - Eva von Angern, Die Linke: Eben nicht!) 

- Herr Roi, unabhängig von Ihrer Qualifikation, sind wir hier nicht im Gerichtssaal, wo Sie mal eben dazwischenfahren und sagen, da hätten Sie recht gehabt. Wir wollen darüber doch in aller Ruhe weiter diskutieren und uns nicht aufregen. 

Kommen wir noch einmal zu den Netzentgelten. Richtig ist, dass das jetzt geändert wird. Der Druck kam übrigens von dem Minister, den Sie hier gerade als denjenigen beschimpft haben, der dafür verantwortlich sei. Wir haben letztes Jahr in der Energieministerkonferenz durchgesetzt, dass über die Bundesnetzagentur dieses Modell der Verteilung wegkommt von der Regionalisierung hin zu einem Solidarmodell.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Zustimmung bei der CDU und bei der FDP) 

Meine Damen und Herren! Die AfD muss einfach auch einmal Fakten zur Kenntnis nehmen. Dann kommt man auch nicht zum Infraschall. - Vielen Dank. 

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU - Lachen bei den GRÜNEN - Guido Kosmehl, FDP: Der ist aber gefährlich!)