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Plenarsitzung

Per Landesprogramm mehr Gleichstellung

„Sachsen-Anhalt auf dem Weg zu mehr Gleichstellung“ – so lautete der Titel der Regierungserklärung, die Prof. Dr. Angela Kolb, Ministerin für Justiz und Gleichstellung, in der November-Sitzungsperiode des Plenums (Donnerstag) gehalten hat. Die Gleichstellung von Frauen und Männern sei eine Frage der Gerechtigkeit, sagte Justizministerin Angela Kolb gleich zu Beginn ihrer Regierungserklärung. Obwohl im Grundgesetz und in der Landesverfassung verankert, sei sie in Deutschland noch nicht in allen Bereichen erreicht.

Durch das Landesprogramm Geschlechtergerechtigkeit sollen auch überholte gesellschaftliche Rollenklischees aufgebrochen werden – beispielsweise bei der Berufswahl. Foto: Ingo Bartussek/fotolia.de

„Dinge auch angehen und umsetzen“

„Gleichstellungspolitik ist Zukunfts- und Innovationspolitik“, betonte Kolb. Durch die Erwerbstätigkeit von Frauen würden Berufsbereiche neu belebt und die Sozialsysteme stabilisiert. Das Einräumen gleicher Rechte müsse aber auch mit gleichen Chancen, diese Rechte in Anspruch nehmen zu können, einhergehen.

Bei einer Frauenquote von lediglich fünf Prozent in Vorständen von Dax-Unternehmen könne man nicht von Gleichstellung sprechen, diese Quote könne nur durch eine gesetzliche Regelung aufgebrochen werden, so die Ministerin; ein entsprechender Gesetzentwurf liege auf Bundesebene vor. Darüber hinaus gebe es viel zu wenige Frauen in anderen Führungspositionen, aber auch in der Kommunal- und Landespolitik.

Im November 2011 forderte der Landtag von der Landesregierung ein Programm für die Weiterentwicklung eines geschlechtergerechten Sachsen-Anhalts. Im Entstehungsprozess des, so Kolb, „umfassenden und umsetzbaren Programms“ seien Engagierte als Expertinnen und Experten angehört worden, die ihre Erfahrungen einbringen konnten. Diese sollen genutzt werden, um zu ändern, was noch zu Ungleichbehandlung und Diskriminierung führe.

Das Programm sei nun fertiggestellt und werde demnächst dem Landtag zugeleitet, versicherte Kolb. Die Sockelfinanzierung für 2015 und 2016 sei im Entwurf des neuen Haushalts verankert, dies sei ein Ausdruck der Ernsthaftigkeit, nicht nur zu diskutieren, sondern die Dinge auch anzugehen und umzusetzen. Es seien darin Ziele und Maßnahmen festgehalten, die sich mit fünf Schwerpunktbereichen beschäftigen: Bildung, existenzsichernde Beschäftigung, soziale Gerechtigkeit, Partizipation und Anti-Gewalt-Arbeit. In das Programm seien mehr als 200 Maßnahmen aufgenommen worden, die zur Gleichstellung von Frauen und Männern von der frühkindlichen Teilhabe bis zur Mitbestimmung in den Führungsriegen führen sollen.

Das 1993 verabschiedete Frauenfördergesetz habe wesentlich zur Verbesserung der beruflichen Situation von Frauen in Land beigetragen. Dennoch sprach sich Ministerin Kolb für die Überführung des Frauenfördergesetzes in ein Gleichstellungsgesetz aus. Dafür werde gerade eine breite Diskussionsbasis – beispielsweise mit den Gleichstellungsbeauftragten im Land – geschaffen.

Mehrheit, die zur Minderheit gemacht wird

Dass die Gleichstellung ein zentrales Politikfeld der Landesregierung darstelle, wollte Henriette Quade (DIE LINKE) nicht ganz glauben. Schließlich seien nur sieben der 42 Abgeordneten der größten Landtagsfraktion (CDU) Frauen. Ähnlich sehe es in der Besetzung des Kabinetts aus, in dem es nach der Entlassung von Wissenschaftsministerin Birgitta Wolff nur noch eine Ministerin gebe. Positiv sei da nur zu bewerten, dass die Justizministerin auch das Ressort Gleichstellung innehabe. Quade kritisierte jedoch die parallele Abschaffung der Landesgleichstellungsbeauftragten, denn es bedürfe einer nicht weisungsgebundenen Beauftragten, deren Amt vielleicht am besten beim Landtag angesiedelt werden sollte.

Während die Koalition das Durchbrechen der „gläserne Decke“ mit einer sanktionsfähigen Quote von 40 Prozent Frauen in Führungspositionen anstrebe, fehlten mit Blick auf das Ziel Gleichstellung zehn Prozent. Man dürfe mit einer solchen Quote nicht nur Repräsentanzsicherung für eine Mehrheit erzeugen, die zu einer Minderheit gemacht werde, so Quade.

Die Linken sehen die Landesregierung in der Pflicht, das erarbeitete Programm zur Gleichstellung auch in Taten umzusetzen, was auch beinhalte, traditionelle Rollenklischees aufzubrechen und patriarchalische Strukturen zu durchdringen. Quade wies unter anderem auf die wesentlich geringere Entlohnung von Frauen in der Erwerbstätigkeit hin, die wiederum zur Verschlechterung der Sozialleistungen führe. Dieser Umstand müsse durch das vorliegende Handlungskonzept beendet werden.

CDU ist offen für gesetzlich geregelte Quote

Seit dem Jahr 1992 verpflichtet Artikel 34 der Landesverfassung das Land und die Kommunen, die tatsächliche Gleichstellung von Frauen und Männern mit geeigneten Mitteln zu erwirken, sie sei „ein Fundament unserer Gesellschaft“, sagte Bettina Koch-Kupfer (CDU). Dieser Verfassungsauftrag sei noch in die Realität umzusetzen. Es gehe dabei um weit mehr als die Frage nach wirtschaftlicher Teilhabe, es gehe um Gerechtigkeit. Gleichstellung sei der Schlüssel für die Qualität des Miteinanders in der Gesellschaft. Dank sprach Koch-Kupfer den Grünen aus, die seinerzeit den nötigen Impuls für das Landesprogramm gegeben hätten.

„Wir können auf das Potenzial junger und gutausgebildeter Frauen nicht verzichten“, erklärte Koch-Kupfer, daher sei Gleichstellung ein wesentlicher Bestandteil des Koalitionsvertrags für die laufende Legislaturperiode. Ein Indikator für gelebte Geschlechtergerechtigkeit sei die Anzahl von Frauen in Führungspositionen. Diese sei noch zu gering, so die CDU-Politikerin. Die CDU stehe einer gesetzlich geregelten Frauenquote offen gegenüber, dabei sei aber die Größe der Unternehmen entscheidend. Anderenfalls – zum Beispiel bei mittelständischen Unternehmen – sei sie nicht praktikabel.

Im Landesprogramm seien nun 200 Ziele und Maßnahmen zusammengestellt worden, die zeigten, wie komplex dieser gesellschaftliche Innovationsprozess sei. Koch-Kupfer regte an, die Umsetzung dieser Maßnahmen regelmäßig und öffentlich im Landtag zu beraten. Abschließend betonte Koch-Kupfer, Sachsen-Anhalt brauche ein modernes Gleichstellungsgesetz für den Weg in eine chancengleiche Gesellschaft.

Neue Arbeitsethik eingefordert

Cornelia Lüddemann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) vermisste bei den Ausführungen von Ministerin Angela Kolb „Konkretes“ und „deutliche Ziele“. Die Gesellschaft sei noch immer stark von klassischen Familienbildern und geschlechtsspezifischer Berufswahl geprägt. Von den quotenmäßig zu erreichenden 40 Prozent Frauen in Führungsposition sei man noch weit entfernt. Lüddemann forderte eine neue Arbeitsethik, die flexible Arbeitszeiten, Telearbeit und Heimarbeit möglich machten. Die Landesverwaltung müsse hier als gutes Beispiel voranschreiten. Zu einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf bedürfe es zudem einer flexibleren Kinderbetreuung.

„Wir brauchen eine Überarbeitung des Frauenfördergesetzes“, erklärte Lüddemann, aber da müsse mehr geleistet werden als eine Abfrage der Gleichstellungsbeauftragten und der Bürgermeister. Hier sei eine externe Evaluation notwendig. Zuletzt kritisierte die Landeschefin der Grünen, dass in der Regierungserklärung kein Wort zur Gleichstellung von LSBTI-Menschen gefallen sei. Es sei beim Thema Gleichstellung jedoch notwendig, die Gesellschaft über die Grenzen von Frau/Mann hinaus als Ganzes wahrzunehmen.

Durchbruch der gläsernen Decke ermöglichen

Der Weg zur Gleichstellung und Gleichberechtigung liege immer noch vor uns, erklärte Katrin Budde (SPD). Blicke man aber auf den Moment vor 95 Jahren zurück, als mit der Sozialdemokratin Marie Juchacz zum ersten Mal eine Frau Rederecht in einem deutschen Parlament erhielt, sei viel erreicht worden. Aber trotz des Gleichstellungspassus in allen wichtigen Verfassungen, gebe es nach wie vor „bittere Realitäten für Frauen“, so Budde: Sie würden am meisten in Teilzeit arbeiten, hätten zwar gleichgute oder bessere Berufs- und Bildungsabschlüsse, würden aber dennoch oft im Beruf abgehängt. Frauen müssten sich mit schlechterer Bezahlung begnügen und würden seltener Chefin.

Das erarbeitete Landesprogramm besteche durch seine breite Aufstellung, aber schließlich kenne Geschlechtergerechtigkeit kein Ressort, sagte Budde. Die 200 Maßnahmen in fünf Handlungsfeldern böten strikte Regeln und Leitplanken auch für gesetzgeberische Schritte. So hält die SPD-Fraktionsvorsitzende unter anderem die Einführung eines Entgeltgleichheitsgesetzes für zwingend erforderlich. Wenn Frauen bis zu 25 Prozent weniger verdienten, dann heiße die Schlussfolgerung nicht, dass sie schlechter sind, sondern dass man so mit ihnen verfahren darf, so Budde. Die SPD spricht sich für eine gesetzliche Quote von Frauen in Führungspositionen aus. Die Quote sei der kleine Diamant, der beim Durchbrechen der gläsernen Decke helfe. Es gebe mehr Abiturientinnen als Abiturienten, Frauen hätten zudem prozentual gesehen die besseren Abschlüsse – die Frauen für die Erfüllung der Quote seien also da, erklärte Budde.

Gleichstellung heiße auch, Lebensentscheidungen zu akzeptieren und die Familie stärker in den Fokus zu rücken, man brauche also eine Arbeitswelt, die familienfreundlich sei. Budde verwies auf eine Allensbach-Studie von 2013 („Wie ticken sie, die Männer?“): Der Großteil der befragten Männer gab an, dass in Sachen Gleichstellung genug geredet und erreicht worden sei. Männer fühlten sich demnach von den Erwartungen der Frauen, gleichzeitig selbstbewusst zu sein, den Haushalt zu führen, die Kinder zu erziehen und einen Beruf auszuüben, überfordert. Diese Leistung werde allerdings bei Frauen von den Männern jeden Tag vorausgesetzt, erinnerte Katrin Budde.

Beschlüsse wurden am Ende der Aussprache zur Regierungserklärung nicht gefasst.