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Plenarsitzung

Wird Sachsen-Anhalt ein Radverkehrsland?

Gemäß der Geschäftsordnung des Landtags hatten die Fraktionen von CDU, SPD und FDP mittels eines Selbstbefassungsantrags eine Auseinandersetzung über den Radverkehr in Sachsen-Anhalt im Ausschuss für Infrastruktur und Digitales initiiert. Der Ausschuss hatte dem folgend am Freitag, 21. April 2023, zu einem Fachgespräch mit Expertinnen und Experten eingeladen.

Das Thema Radverkehr habe auch in Sachsen-Anhalt in den letzten Jahren sehr stark an Bedeutung gewonnen, erklären die Ausschussmitglieder der Koalition. Dies zeige sich sowohl in den Verkaufszahlen im Fahrradhandel, den öffentlichen Diskussionen zu besseren Radwegen und Abstellplätzen, aber auch bei der Nutzung der bereitgestellten Fördermittel, beispielsweise des Sonderprogramms „Stadt und Land“, das im Rahmen des Klimapakets bereitgestellt und in kurzer Zeit in Sachsen-Anhalt ausgeschöpft gewesen sei.

Foto von vielen Fahrrädern und Information: Im Jahr 2022 wurden in Deutschland 2,4 Millionen Fahrräder und 2,2 Millionen E-Bikes verkauft.

Beratung über Erreichtes und Angestrebtes

Die Einrichtung der Koordinationsstelle im Ministerium für Infrastruktur und Digitales, die Gründung der Arbeitsgemeinschaft Fahrradfreundlicher Kommunen Sachsen-Anhalt (AGFK) im Jahr 2019, die Neuauflage des Landesradverkehrsplans (LRVP) mit Kabinettsbeschluss im Februar 2021 und der Aufwuchs der Mittel aus dem Landeshaushalt seien wichtige Meilensteine für die Entwicklung des Radverkehrs in Sachsen-Anhalt.

Im Ausschuss kam es nun zu einem Austausch über den aktuellen Stand der Entwicklung der genannten Einrichtungen, des Radverkehrs im Allgemeinen, des Umsetzungsstands des LRVP sowie der Verwendung der Mittel für den Radverkehr und einen Ausblick in die nächsten Jahre. Als Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner waren die Arbeitsgemeinschaft Fahrradfreundlicher Kommunen Sachsen-Anhalt – AGFK, Zweirad-Industrie-Verband e. V., der ADFC Sachsen-Anhalt e. V., der Verkehrsclub Deutschland (VCD Magdeburg) und der Radlogistik-Verband Deutschland e. V. eingeladen worden.

Foto von Fahrradunfall und Information: Nur ein Drittel der Fahrradfahrenden in Sachsen-Anhalt fühlt sich auf den Straßen und Radwegen sicher.

Foto von Fahrradunfall und Information: Nur ein Drittel der Fahrradfahrenden in Sachsen-Anhalt fühlt sich auf den Straßen und Radwegen sicher.

Ambitionierte Ziele bis 2030

Das Land habe sich mit seinem Landesradverkehrsplan bis 2030 ambitionierte Ziele gesetzt, erklärte Stephan Mahrarens, Landesvorstand des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC, Landesverband Sachsen-Anhalt e. V.). Sachsen-Anhalt soll offenbar ein Fahrradland werden. Radverkehr werde als Teil der Infrastrukturpolitik des Landes betrachtet, auch als Teil der Daseinsvorsorge im ländlichen Raum. Radverkehr bedeute „bezahlbare Mobilität für viele Bevölkerungsteile“, sagte Mahrarens. Wichtiges Thema für den ADFC ist die Sicherheit: In Sachsen-Anhalt fühlten sich im Jahr 2020 zwei von drei Radfahrenden nicht sicher, 2023 seien es schon drei von vier gewesen. Im Bund-Vergleich steige das Sicherheitsgefühl aber eigentlich. Das Landesradverkehrsnetz umfasst derzeit 4 700 km, 330 km davon erfüllten nicht den Mindeststandard der geltenden Regelungen. 1 460 km der Radwege befänden sich im Mischverkehr, von 1 400 km sei der Status nicht bekannt. 80 Prozent der Kommunen hätten kein aktuelles Radverkehrskonzept – das sei aber Voraussetzung für spätere Fördermaßnahmen. Im Fahrradtourismus sei das Potenzial in Sachsen-Anhalt noch lange nicht ausgeschöpft, so der ADFC.

Foto von Lastenrad und Information: Der Markt für Lastenräder boomt. Sie werden als gute innerörtliche Transport-Alternative angesehen.

Komplexe Fahrzeuge mit hoher Nutzbarkeit

Der Radlogistikverband Deutschland e. V. habe sich dem Transport von Gütern mit dem Fahrrad verschrieben, erklärte dessen ehrenamtlicher Vorsitzender Dr. Tom Assmann. 2018 gegründet, vertritt der Verband mittlerweile über achtzig Mitglieder bundesweit, darunter Hersteller von Lastenrädern, Händler, Operative, Forschungsinstitutionen und Softwareentwickler – „also alles, was es braucht, um in den Städten mehr Güter per Rad zu transportieren“. Es handle sich um einen wachsenden Wirtschaftszweig mit enormer Entwicklungstendenz. Die Lastenräder seien komplexe Fahrzeuge mit hoher Nutzbarkeit, sie könnten bis zu 300 kg bzw. 3 m3 Volumen transportieren. „Sachsen-Anhalt hat in dieser aufstrebenden Branche eine gute Startposition, zwei der führenden Hersteller sind in Mansfeld-Südharz und Zerbst ansässig“, so Assmann. Die Technologie sei jetzt verfügbar und einsatzfähig, die Politik müsse nun den Ausbau des Radverkehrsnetzes voranbringen, ausreichend breite Radwege bauen und den Räderkauf fördern.

Teilnahme beim „Stadtradeln“

Die Arbeitsgemeinschaft Fahrradfreundlicher Kommunen Sachsen-Anhalt e. V. (AGFK LSA e. V.) setze sich für die Vernetzung der Kommunen zur Förderung des Radverkehrs in den Ortschaften des Landes ein, sagte deren Geschäftsführer Matthias Marx. Mittlerweile seien 87 Kommunen Mitglieder in der AGFK. Als letzte und erfolgreich gelaufene Projekte nannte er die Einrichtung von E-Bike-Ladesäulen und der Verleih von Radzählanlagen. Erfreut sei man, dass das Projekt „Stadtradeln“ vom Ministerium gefördert werde. Dabei handelt es sich um einen Radelwettbewerb mit gesundheitlichem Aspekt, zugleich um eine Hilfe, um das Radverkehrsaufkommen in den Kommunen zu untersuchen.

Foto von Fahrrad in Natur und Information: Zwar verläuft der Elberadweg durch Sachsen-Anhalt, das touristische Potenzial des Radwegenetzes sei aber noch nicht ausgeschöpft.

Potenzial für die Verkehrswende

Zwar seien im Jahr 2022 2,4 Millionen Fahrräder und 2,2 Millionen E-Bikes verkauft worden, die Radfahrer/innen fühlten sich jedoch hinsichtlich der bestehenden Infrastruktur unsicher, heißt es in der Stellungnahme der Zweirad-Industrie-Verband e. V. (ZIV). Der ZIV begrüßt die Einrichtung der Koordinationsstelle im Ministerium für Infrastruktur und Digitales, der Gründung der AGFK, die Neuauflage des Landesradverkehrsplans und den Aufwuchs der Mittel aus dem Landeshaushalt. Wichtig sei, dass die Fördermittel von Bund und Land auch tatsächlich abgerufen würden und zügig in den Ausbau/Neubau von Radinfrastruktur flössen. Für das Gelingen der Verkehrswende sehe der ZIV großes Potenzial in der Verlagerung von Verkehr vom Pkw aufs Rad.

Modellprojekt Tempo 30

„Radfahrer meckern gern und viel, und dafür gibt es auch tausend Gründe“, sagte Michael Schicketanz vom Verkehrsclub Deutschland (VCD, Landesverband Elbe-Saale e. V.), der sich für mehr Fuß- und Radverkehr, mehr Qualität bei Bus und Bahn und mehr Sicherheit im Verkehr einsetzt. Der Verband setzt sich beispielsweise für Tempo 30 in den Städten ein, dadurch müssten weniger separate Radwege gebaut werden. Hier böte es sich an, mit verschiedenen Städten Modellprojekte durchzuführen. Zu beachten sei, dass vielen Menschen die Regelungen des Radverkehrs nicht bewusst seien oder sie diese bewusst ignorierten, so Schicketanz.

Ertüchtigung vorhandener Infrastruktur

Im Plan des Landesradverkehrsnetze seien über 100 Einzelmaßnahmen verzeichnet, erklärte Sven Haller, Staatssekretär im Ministerium für Infrastruktur und Digitales. Die Ertüchtigung von vorhandener Infrastruktur sei einer der Arbeitsschwerpunkte. Durch den Ausbau der Digitalisierung sollen die Kommunen des Landes verkehrsrelevante Daten für den Radverkehr beisteuern. In den Radverkehrsplan sollen sukzessive Abstellanlagen, Wegweiser und Ladestationen integriert werden. Die Fördermittel für Radwege an Bundesstraßen und in Kommunen flössen gut ab, lobte Haller, das Sonderprogramm „Stadt und Land“ – Mittel von über 30 Millionen Euro – sei sehr gut gelaufen. Zudem hob er dich Gründung der Arbeitsgemeinschaft Fahrradfreundlicher Kommunen Sachsen-Anhalt e. V. hervor.

Im Anschluss an das Fachgespräch erklärte der Ausschuss den Selbstbefassungsantrag für erledigt. Ausschussvorsitzender Dr. Falko Grube zeigte sich aber überzeugt, dass das Thema bei Weitem nicht zum letzten Mal Gegenstand einer Ausschussberatung gewesen sei.