Cookies helfen uns bei der Weiterentwicklung und Bereitstellung der Webseite. Durch die Bestätigung erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies gesetzt werden.

Plenarsitzung

Transkript

Beratung

Reparieren statt Wegwerfen: Reparaturbonus nach Thüringer Vorbild auch in Sachsen-Anhalt einführen!

Antrag Fraktion DIE LINKE - Drs. 8/230


Eine Fünfminutendebatte ist verabredet worden. Dann werden wir sehen. Einbringen wird den Antrag die Abg. Frau Eisenreich. Bitte, Frau Eisenreich.


Kerstin Eisenreich (DIE LINKE):

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Meine sehr geehrten Damen und Herren! Staubsauger, Waschmaschine, Handy, Smartphone und Co., sie begleiten uns, erleichtern uns den Alltag und sie gehen eben eben auch mal kaputt, logischerweise immer genau im falschen Moment und nach unserem Eindruck auch immer viel zu früh.

Hinzu kommt, dass eine Reparatur entweder nicht oder nur erschwert möglich bzw. im Vergleich zum Produktpreis meistens recht teuer ist. Deshalb landen immer mehr Elektrogeräte auf dem Müll. Das hat der Gesellschaft nicht umsonst den Beinamen der Wegwerfgesellschaft eingebracht.

Das möchte ich mit ein paar Zahlen verdeutlichen. Allein in diesem Jahr fielen weltweit 57 Millionen t Elektroschrott an. Dies geht aus Angaben zum übrigens gestrigen Tag zur Vermeidung von Elektroschrott hervor. Jährlich steigt der Anfall an Schrott von elektrischen/elektronischen Geräten um 3 bis 5 %. Deutschland gehört dabei mit 19,4 kg pro Einwohner und Jahr zu den Spitzenreitern. Insgesamt werden allerdings nur etwa 17,5 % des Elektroschrotts tatsächlich recycelt. Was für eine Verschwendung, meine Damen und Herren!

(Beifall)

Es ist eine Verschwendung von Rohstoffen wie Metallen, Wasser, Chemikalien und anderem, eine Verschwendung von Energie und menschlicher Arbeitskraft, die zur Herstellung der Produkte eingesetzt wurden.

So werden für eine Waschmaschine, die ungefähr 70 kg wiegt, im gesamten Lebenszyklus von der Herstellung bis zur Entsorgung 1 400 kg Material eingesetzt, also das 20-Fache des Eigengewichts. Ein Ersatz einer Waschmaschine rechnet sich daher eigentlich frühestens nach 17 bis 23 Jahren. Nun mag einmal jeder in sich gehen und für sich überprüfen, wie lange die letzte Waschmaschine in Betrieb war oder ist.

(Unruhe - Dorothea Frederking, GRÜNE: Unsere ist 35 Jahre alt!)

Also sind Geräte, die länger halten und bei Bedarf repariert werden können, für viele Menschen nicht nur für den eigenen Geldbeutel wichtig, weil sie sich nicht dauernd neue Produkte leisten können, sondern eben auch, weil sie sich diese aus Umweltschutzgründen nicht leisten wollen.

Zudem ist vielen Menschen, gerade hier im Osten, meine sehr verehrten Damen und Herren, die Wertschätzung für die Produkte und die Arbeit für ihre Herstellung wichtig.

(Beifall)

Sie empfinden nämlich das Wegwerfen tatsächlich als allerletzte Option.

(Beifall)

Würde man also die Lebensdauer aller Waschmaschinen, Staubsauger, Handys und Smartphones in der EU nur um ein Jahr verlängern,

(Beifall)

könnten 4 Millionen t CO2 eingespart und riesige Mengen Abfall vermieden werden. Wegen dieser Erkenntnis wurde die Ökodesign-Richtlinie der EU weiter aktualisiert. So soll verschiedenen Aspekten zur Ressourcenschonung, Längerlebigkeit, Reparatur, Ausbau- und Recyclingfähigkeit von Produkten Rechnung getragen werden. Das ist ein wichtiger Schritt. Aber auch konkret auf der Landesebene können und sollten wir Rahmenbedingungen schaffen, um das Leben von Produkten wesentlich zu verlängern. Damit stehen wir im Übrigen längst nicht allein.

In Thüringen wurde im Juni dieses Jahres ein Reparaturbonusprogramm als Modellprojekt eingeführt, das im Übrigen zu Beginn dieser Woche bereits ausgeschöpft war. Auch in Sachsen wird ein solches Programm diskutiert.

Ich darf Ihre geschätzte Aufmerksamkeit auch mal über die Landesgrenzen der Bundesrepublik hinaus lenken. In Österreich haben mehrere Bundesländer zum Teil schon seit einigen Jahren einen solchen Reparaturbonus mit riesigem Erfolg eingeführt, sodass dort ab 2022, also ab kommendem Jahr, ein solcher Reparaturbonus auch bundesweit eingeführt werden soll. Allein die Stadt Wien hat für 2021, also für dieses Jahr, in ihr Programm 1 Million € eingestellt. Sogleich wurde übrigens auch genau analysiert, welche Einsparungen durch das Reparieren - im Übrigen in Wien nicht nur von elektrischen Geräten   erzielt wurden.

Es fielen 880 t weniger Abfall an. Das ist für eine Kommune, meine ich, ein nicht unerheblicher Befund. Außerdem wurden 620 t CO2-Äquivalente eingespart. Allein die im Zeitraum von September bis Dezember 2020 reparierten mehr als 8 000 Gegenstände haben 190 t CO2 eingespart. Es wurde berechnet, dass eine einzige Reparatur im Durchschnitt 24 kg CO2-Äquivalente einspart. Ich denke, meine sehr geehrten Damen und Herren, diese Zahlen sind doch eine hervorragende Motivation, diesem Weg einmal zu folgen.

(Beifall)

Deshalb stellen wir heute den Antrag mit dem Titel „Reparieren statt Wegwerfen: Reparaturbonus nach Thüringer Vorbild auch in Sachsen-Anhalt einführen!“. Nach unseren Vorstellungen sollen damit ein niedrigschwelliges Angebot und zugleich ein Anreiz für Verbraucherinnen und Verbraucher geschaffen werden, um mit einem möglichst einfachen, leicht verständlichen, unbürokratischen und, ich denke, digitalen Antragsverfahren mehr defekte Produkte reparieren zu lassen. Dafür sollen Reparaturkosten in Höhe von 50 % der Bruttoreparaturrechnung für ein Elektrogerät erstattet werden, maximal 100 € pro Verbraucherin oder Verbraucher und Jahr. Dieser Reparaturbonus soll den Verbraucherinnen nach einer zügigen Prüfung des Antrags auf ihr Konto überwiesen werden.

Das von uns vorgeschlagene Verfahren folgt den landesüblichen Gepflogenheiten. Das muss man so sagen. Aber vielleicht hilft noch einmal ein Blick nach Österreich für die Frage, wie ein solches Verfahren verbraucherinnenfreundlich weiter vereinfacht werden könnte. Denn dort laden sich die Verbraucherinnen und Verbraucher einen Bonusgutschein aus dem Netz herunter und die entsprechende Summe wird gleich bei der Bezahlung von der Reparaturrechnung abgezogen. Wir sind durchaus gern bereit, dafür vielleicht noch bessere Lösungen zu finden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mir ist sehr wohl bekannt, dass in Thüringen unter dem Begriff „Verbraucherinnen und Verbraucher“ Personen ab 18 Jahren verstanden werden. Das sehen wir allerdings ausdrücklich anders.

(Zustimmung)

Wir sehen auch Kinder als anspruchsberechtigt an. Denn bekanntlich nimmt die Nutzung von elektrischen Geräten mit der Anzahl von Personen im Haushalt zu und damit auch die Anfälligkeit für Defekte. Dieses Verfahren soll also die Verbraucherinnen und Verbraucher motivieren, eine Reparatur einer Neuanschaffung vorzuziehen, um Umwelt, Klima und auch Ressourcen zu schonen, und vor allem Haushalte, die sich weder eine Reparatur noch ein Neugerät leisten können, entlasten.

Zur Abwicklung der Antrags- und Bewilligungsverfahren schlagen wir die Verbraucherzentrale Sachsen-Anhalt vor, die im Übrigen die Forderung nach einer längeren Lebenszeit und einer Reparaturfähigkeit von Produkten sehr unterstützt.

(Beifall)

Dazu bedarf es auch aus unserer Sicht einer entsprechenden personellen, sächlichen sowie finanziellen Ausstattung der Verbraucherzentrale. Bei letzterem Punkt sollten wir angesichts der Erfahrungen aus Thüringen auch nicht so knauserig sein. Bei ursprünglich 150 000 € und einer Aufstockung auf 400 000 € für das Programm war diese Summe dort bereits nach 5 Monaten ausgeschöpft. In Sachsen hat die dortige Landtagsfraktion DIE LINKE 750 000 € vorgeschlagen. Meine Fraktion ist der Meinung, dass wir hinter diesen Summen nicht zurückbleiben sollten.

(Zustimmung)

Aber auch darüber sollten wir natürlich dringend in den Haushaltsverhandlungen sprechen.

Letztendlich ist der von uns vorgeschlagene Reparaturbonus ein wichtiger Beitrag zur Stärkung des regionalen Handwerks, regionaler Wirtschaftskreisläufe und der Wertschöpfung.

(Beifall: Zuruf: Genau!)

Bewährt haben sich dabei in allen Regionen, die diese Reparaturboni bereits eingeführt haben, sogenannte Reparaturnetzwerke von Reparaturbetrieben und Ansprechpartnern, an die sich die Verbraucherinnen und Verbraucher direkt wenden können.

Verbraucherinnenschutz, Ressourcenschonung, Umwelt- und Klimaschutz, Wertschöpfung von Produkten sowie die Unterstützung des regionalen Handwerks sollten aus unserer Sicht doch hinreichende Argumente sein, sich unserem Vorschlag anzuschließen. Hierdurch können wir eigentlich alle nur gewinnen. Ich bitte daher um Zustimmung zu unserem Antrag.

(Beifall)