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Plenarsitzung

Transkript

Tagesordnungspunkt 5

Beratung

Krankenhauslandschaft für Patient:innen und Beschäftigte gestalten - Gesundheitspolitische Kommission einsetzen

Antrag Fraktion DIE LINKE - Drs. 8/2517


Die Abg. Frau Anger wird den Antrag einbringen. - Bitte schön. 


Nicole Anger (DIE LINKE): 

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Meine Damen und Herren! Unsere Krankenhäuser müssen endlich in die Lage versetzt werden, nach Bedarf, Behandlungsqualität und Gemeinwohl organisiert zu sein. Die Patientinnen und die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten müssen im Mittelpunkt stehen und nicht die Profite. Wir brauchen endlich eine Abkehr vom finanziellen Druck. Wir brauchen eine Abkehr von der Ausnutzung der moralischen Verpflichtung des Personals gegenüber den Patient*innen.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren! Gesundheitsversorgung ist Daseinsvorsorge. Die Gesundheitsversorgung muss wohnortnah und erreichbar sein. Die Privatisierung in den letzten Jahrzehnten hat genau das Gegenteil davon erreicht. Es gilt, dem endlich Einhalt zu gebieten. Dafür müssen die bevorstehende Reform des Bundes, aber ebenso das Gutachten des Landes genutzt werden. Sachsen-Anhalt muss diese anstehende Reform zugunsten einer besseren Versorgung im Land nutzen.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren! Mit wem kann man den Bedarf einer flächendeckenden, einer wohnortnahen, einer erreichbaren und einer nachhaltigen Gesundheitsversorgung besser angehen als mit all ihren Beteiligten? Deswegen beantragen wir heute das Einsetzen einer gesundheitspolitischen Kommission für dieses Land. Einer Kommission, die deutlich breiter aufgestellt ist als der Krankenhausplanungsausschuss. Einer Kommission, die die Menschen, die demografische Entwicklung, die Entwicklung der Morbidität, die Erreichbarkeiten der Gesundheitsversorgung, das Personal und die Personalgewinnung in den Blick nimmt.

Einer Kommission, die transparent, öffentlich und nicht hinter den Kulissen agiert.

Ja, meine Damen und Herren, das wird kein Sprint, das wird ein Marathon. Aber dieser ist erforderlich, weil es in den zurückliegenden Jahrzehnten nicht angegangen wurde. Die Auswirkungen spüren wir jetzt umso akuter. Den Krankenhäusern im Land steht seit Langem das Wasser bis zum Hals. Gesundheit an Profiten auszurichten ist ein Systemversagen mit Ankündigung.

(Beifall bei der LINKEN)

Akut ist, dass weitere Stationen, gerade im ländlichen Raum, schließen. Das ist eine kalte Marktbereinigung und steht im Widerspruch zu dem Versprechen der Koalition in ihrem Koalitionsvertrag.

Sie alle kennen die aktuelle Situation. Während wir hier immer noch darüber reden, schließt zeitgleich die Pädiatrie in Zeitz. Dies wird nicht die letzte Schließung sein, wenn wir nicht endlich aktiv die Sache in die Hand nehmen und endlich handeln. Wir brauchen eine sofortige Sicherung der vorhandenen Krankenhausstruktur.

(Beifall bei der LINKEN)

Bevor in unserem Bundesland nicht eindeutig geklärt ist, wie eine sichere medizinische Versorgung der Menschen aussehen kann und muss und auch, wie wir unsere Fachkräfte halten, ausbilden und gewinnen, darf es hier zu keinem weiteren Abbau, zu keiner weiteren Schließung kommen. 

Meine Damen und Herren! Wir haben das Gutachten der Partnerschaft Deutschland im Abstract vorliegen. Daraus sind deutlich erste Erkenntnisse abzuleiten:

Erstens. Es wird eine medizinische Unterversorgung im nördlichen Sachsen-Anhalt festgestellt. Nördlich von Magdeburg gibt es keinerlei Schwerpunktversorgung, von einer erweiterten oder gar umfassenden Notversorgung ganz zu schweigen. Diese ist aus der nördlichen Altmark nur mit Fahrzeiten von mehr als 45 Minuten zu erreichen. Gerade bei lebensbedrohlichen Situationen, wie einem Schlaganfall, sind zu lange Wege und damit zu langen Fahrtzeiten lebensgefährlich. Was für ein Gesundheitsrisiko für die Menschen in der Altmark.

Zweitens. Mehr als doppelt so viele Menschen fahren zu einer medizinischen Versorgung in die benachbarten Bundesländer, als sie zu uns kommen. Hier fehlt uns also Expertise, d. h., wir schaffen es nicht, die Menschen in Sachsen-Anhalt adäquat zu versorgen.

Drittens. Es werden im Gutachten deutlich mehr Investitionen für die versorgungsrelevanten Krankenhäuser gefordert. Das sollte deutlich auch den Fokus auf den Norden des Landes lenken. 

Viertens. Der Fachkräftemangel ist bei fast allen Trägern deutlich wahrnehmbar. Ja, wir brauchen eine Personalgewinnungsstrategie.

Fünftens. Die wirtschaftliche Situation der Krankenhäuser wird von diesen als schlecht und als sich weiterhin verschlechternd dargestellt. Meine Fraktion hat deswegen einen Rettungsschirm gefordert. Daraus ist ein kleines Schirmchen geworden.

Meine Damen und Herren! Für meine Fraktion heißt das: Wir müssen jetzt aktiv werden. Wir müssen dieses Gutachten und seine Empfehlungen, die Ende Mai ausführlich vorliegen werden, miteinander diskutieren. Aber bis zum Abschluss dieser Diskussion muss es ein Moratorium geben, welches den Krankenhäusern den Bestand zusichert und Schließungen von Stationen, Fachabteilungen und ganzen Häusern verhindert. Das ist deswegen notwendig, damit uns einerseits nicht noch mehr Fachkräfte verloren gehen und sich andererseits die Patientinnen nicht noch zusätzlich sorgen müssen. Oder anders gesagt: Versuchen Sie selbst einmal, Ihre Zukunft mit einer Perspektivlosigkeit zu planen. Was macht das mit engagierten Fachkräften, wenn sie nur von Unsicherheiten und Unbekannten umgeben sind?

Hinzu kommt eine Reform im Bund. Auch wenn es mittlerweile an dieser Stelle verschiedene Rechtsgutachten dazu gibt, ob der Bund das überhaupt darf - und wenn ja, was er genau darf und was eben nicht  , ist eines sicher: Es muss sich etwas auf der Bundesebene tun. Aufgrund der gesamtgesellschaftlichen Herausforderungen, wie dem demografischen Wandel und dem Fachkräftemangel, aber auch aufgrund der jahrelangen Fehlsteuerungen der DRG-Finanzierung sind strukturelle Reformen unabdingbar. Wir sehen das daran, dass gerade im ländlichen Raum die Häuser um das Überleben kämpfen oder eben wie im Norden des Landes auch schon weg sind. Die Finanzierung muss komplett weg von den Fallpauschalen.

(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung von Susan Sziborra-Seidlitz, GRÜNE)

Aber eine Reform, die lediglich aus Kostengründen Krankenhäuser schließt oder die Betten abbaut, verringert nur weiter die Versorgungsqualität. Dem stellen wir uns entschieden entgegen. 

Meine Damen und Herren! Gesundheitsvorsorge ist Daseinsvorsorge und damit eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Die Mitglieder des Krankenhausplanungsausschusses decken diese gesellschaftliche Breite nicht ab und haben auch ihre eigenen Kriterien, nach denen sie den Krankenhausplan aufstellen. Dabei muss man immer wieder sagen, dass das Wort „Plan“ eher weniger mit Planungen und Prospektivität zu tun hat. Aktuell ist der Krankenhausplan nur der Iststand der Einrichtungen zu einem bestimmten Stichtag im Oktober des letzten Jahres.

Deswegen wollen wir genau diese Debatte und diese Planung breiter und vor allen Dingen gesellschaftlich demokratischer aufstellen. Neben den Vertreter*innen aus den Bereichen der Krankenhäuser, der Krankenkassen und der Kassenärztlichen Vereinigung wollen wir auch gesellschaftlich relevante Organisationen mit an den Tisch holen. Dazu gehören unseres Erachtens nach Interessenvertretungen für die unterschiedlichen Lebenslagen und Situationen die Gewerkschaften mit dem Blick auf die Fachkräfte, auf die kommunalen Spitzen, weil sie den Sicherstellungsauftrag haben, aber auch auf die Patientinnenvertretungen und auf den Verbraucherschutz.

Die Bedarfsplanung muss stärker demokratisiert werden, um die Gesellschaft in den notwendigen Planungsprozess zu integrieren. Dafür gibt es sogar eine rechtliche Grundlage. Diese bietet der § 90a SGB V, der es eindeutig ermöglicht, ein Gremium, welches gesellschaftlich breiter als der aktuelle Krankenhausplanungsausschuss ist, einzusetzen. Ziel muss es sein, eine bedarfsgerechte Versorgung in Sachsen-Anhalt zu entwickeln.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren! Es gilt, die Krankenhauslandschaft in Sachsen-Anhalt zu gestalten, und zwar so, dass wir dies gemeinsam mit den Akteur*innen tun.

(Lachen bei der AfD)

Diese Kommission muss den Auftrag haben, einen gesellschaftlichen Anspruch an die Politik, konkret an die Landesregierung, zu formulieren. Wir brauchen einen aktiven Prozess, der jetzt beginnen muss. Denn weiter abzuwarten ist die Akzeptanz des Wegbrechens von medizinischer Versorgung, ist die Akzeptanz des weiteren Ausdünnens und damit die Akzeptanz steigender Unattraktivität des ländlichen Raumes. 

Das Gutachten warnt bereits davor; denn es beschreibt eine medizinische Unterversorgung im nördlichen Sachsen-Anhalt, die bereits besteht. Dass dieser allein mit der Anschaffung eines weiteren Rettungshubschraubers entgegengewirkt werden kann, wage ich zu bezweifeln. Das wird für die Versorgung dort definitiv nicht ausreichen - einmal ganz abgesehen davon, dass ein Rettungshubschrauber auch Landemöglichkeiten, hindernisfreie Flächen, festen Untergrund, keinen Bewuchs höher als 30 cm, keine Stromleitungen sowie keine Masten etc. braucht.

Meine Damen und Herren! Es muss geklärt werden: Was bedeutet wohnortnahe Versorgung? Fahrtzeiten bis zum nächsten Krankenhaus in einem Flächenland wie Sachsen-Anhalt noch weiter zu erhöhen geht zulasten der Gesundheit der Menschen. 

Liebe Kolleginnen und Kollegen der regierungstragenden Fraktionen genauso wie der Landesregierung, Sie selbst werden sich daran messen lassen müssen, ob es Ihnen gelingt, die Standorte zu retten, zu sichern und wirklich eine wohnortnahe und erreichbare medizinische Versorgung im gesamten Land Sachsen-Anhalt vorzuhalten. Noch in diesem Jahr müssen dazu die entsprechenden Weichen gestellt werden. Entscheidungen müssen getroffen werden. 

In diesem Zusammenhang möchte ich gern noch einmal an den Koalitionsvertrag erinnern, in welchem Sie - erstens - zusichern, keine Diskussionen zu Schließungen von Standorten zu führen. - Insofern senden Sie doch bitte das klare Signal heute aus, dass es zu keiner weiteren Schließung auch nur einer einzigen Station kommen wird. 

Zweitens. Auf der Basis der existierenden Standorte wollen Sie die Grundversorgung sichern. - Dann tun Sie dies bitte jetzt aktiv und halten Sie diese entsprechend vor, auch im nördlichen Landesteil.

Drittens. Sie wollen, sofern die für die Versorgung unverzichtbaren Krankenhäuser ihren Versorgungsauftrag nicht mehr erfüllen können, durch das für Gesundheit zuständige Ministerium einen Trägerwechsel unterstützen. - Dieser Tatbestand ist bereits eingetreten. Ich kann Sie nur auffordern, an dieser Stelle über eine Rekommunalisierung und eine Landesholding mit uns ins Gespräch zu kommen. Die Gesundheit der Menschen darf nicht länger dem Markt unterworfen werden; denn sie gehört in die öffentliche Hand - ohne Wenn und Aber.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren! Wir haben keine Zeit mehr zu warten; denn mit jedem Tag wird die Lage immer ernster, die Gesundheitsversorgung immer gefährdeter. Das können wir uns in Sachsen-Anhalt nicht erlauben. Wir müssen sowohl den Fachkräften als auch den Menschen vor Ort eine Perspektive für Versorgung und Arbeit unterbreiten. 

Und ja, wir brauchen die Strukturdebatte. Und ja, bei der Strukturdebatte muss auch die Eigentumsdebatte geführt werden. Und ja, der Bund muss durch sie auch aufgefordert werden, sich zur Gesundheitsversorgung als grundsätzliche Daseinsvorsorge, wie es auch bspw. bei der Feuerwehr der Fall ist, zu bekennen.

Und: Es braucht ein Personalentwicklungskonzept. Wie halten wir Fachkräfte? Wie bilden wir Fachkräfte für Sachsen-Anhalt aus? Wie gewinnen wir Fachkräfte? Wie gelingt es besser, unsere Landeskinder hier auszubilden und auch hier zu halten? Welche Rolle spielt dabei auch die Anerkennung ausländischer Abschlüsse? Welche Rahmenbedingungen braucht es außerhalb des Jobs? Welche Unterstützung wünschen sich nach Sachsen-Anhalt zuziehende Fachkräfte? Welchen Beitrag kann dabei bspw. die Telemedizin spielen? 

Das alles erledigt sich aber von selbst, wenn wir nicht vorab, und zwar jetzt, die Lage der Krankenhäuser stabilisieren; und zwar jetzt, bevor die ersten Vorschläge zur Bundes-Krankenhausreform herbe Struktureinschnitte immer wahrscheinlicher machen.

Meine Damen und Herren! Die Menschen in Sachsen-Anhalt brauchen heute ein eindeutiges Signal und Klarheit von Ihnen, wie es weitergehen soll,

(Beifall bei der LINKEN)

und zwar über diese Legislaturperiode hinweg. Wir müssen beim Thema Gesundheitsversorgung viel langfristiger denken und agieren. Sie haben die Verantwortung für die Menschen hier im Land übernommen. Werden Sie dieser bitte gerecht. Lassen Sie uns diese Kommission einberufen und gemeinsam darüber diskutieren, wie wir die medizinische Versorgung gut aufstellen können. Gesundheit ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Lassen Sie uns diese miteinander umsetzen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)