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Plenarsitzung

Transkript

Jörg Bernstein (FDP):

Ich bin befangen, ja. - Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Jetzt darf ich zwar schon fast zwei Jahre mit Ihnen zusammenarbeiten, aber wie Sie wissen, war ich davor seit 1992 als Berufsschullehrer tätig. Das habe ich auch gerne gemacht und ich habe die ganzen Probleme, die sich über die vielen Jahre ergeben haben und über die wir heute diskutieren, hautnah miterlebt. 

Hier kommt ein kleiner Rückblick, wenn der mir gestattet ist. Ich habe 1992 angefangen. Meine erste Einsatzschule war die Roßlauer Berufsschule. Danach bin ich nach Zerbst gewechselt, weil unsere Roßlauer Schule fusioniert hat. Dann ging es 1998 nach Dessau zum Anhaltischen Berufsschulzentrum. Von den damals fünf Berufsschulstandorten im Stadtgebiet von Dessau, im Altkreis Anhalt-Zerbst ist genau einer übrig geblieben und zwar das Anhaltische Berufsschulzentrum, in dem die drei Dessauer Berufsschulen aufgegangen sind. Das ist ein Punkt.

Der zweite Punkt sind die Schülerzahlen. Die Schülerzahlen sind in den letzten 20 Jahren um 50 % zurückgegangen. Wir waren bei mehr als 90 000 Schülern, die die öffentlichen Berufsschulen besucht haben, und sind jetzt bei knapp über 40 000. Das sind die reinen Zahlen, die diese Situation beschreiben. Die Reaktionen, die darauf folgten, waren klar. Es gab Schwerpunktsetzungen an den einzelnen Berufsschulen und eine Konzentration von Ausbildungsgängen. Das führt teilweise zu langen Schulwegen. Das muss man einfach so festhalten.

Wie sehen unsere Lösungsansätze aus? Ich schaue zu Herrn Lippmann. Wahrscheinlich gab es da eine gewisse Überschneidung. Das ist aufgrund der beteiligten Parteien und Kammern auch kein Wunder. Aber ich kann Ihnen versichern, wir waren vorher da. Die Kammern haben quasi unsere Ideen aufgegriffen.

Das Erste - das ist mir als ehemaliger Lehrer ganz wichtig - ist ein klares Bekenntnis zu dem jetzt bestehenden Berufsschulnetz. Wir müssen uns klar darauf verständigen, dass es hierbei keine weiteren Einschränkungen geben darf.

(Zustimmung bei der FDP)

Zu den Maßnahmen und Mitteln, um Fahrwege zu verkürzen. Ein Thema, das wir Liberale besonders unterstützen und das mir persönlich auch ganz, ganz besonders am Herzen liegt, wurde schon ganz klar angesprochen: die digitalen Lernformate. Man kann viel über die Coronapandemie erzählen und sagen, wie schlimm sie war. Sie war schlimm. Ein positiver Effekt daran, wenn man das so bezeichnen darf, ist sicherlich die Akzeptanz für digitale Lernformate. 

(Zustimmung bei der FDP)

Ein kleines Beispiel. Vor der Pandemie im Jahr 2020 war ich einmal in einem Konferenzformat an unserem Berufsschulzentrum mit Handwerksmeistern im Gespräch. Sie beklagten sich auch über die Anfahrtswege für ihre Auszubildenden. Ich sagte, lasst es uns doch einmal mit digitalen Lernformaten versuchen. Als Antwort kam: Dann sitzen die da vor dem Computer und schauen sich Youtube-Videos an. Das ist doch kein Unterricht. Mit dem gleichen Kollegen habe ich dann beim Handwerksstammtisch bei unserem Brunnentreff auf dem Marktplatz in Dessau gesprochen. Der sagte mir: Das hat wunderbar funktioniert. Er hat sich seinen Auszubildenden aus der Elektrobranche in seine Firma geholt, weil dieser zu Hause nicht die technischen Voraussetzungen hatte. Der hat seinen Unterricht am Computer absolviert. Wenn es technische Fragen gab, ist er mit ihm gleich einmal in die Werkstatt gegangen. Er sagte, das ist eine Supersache.


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Herr Bernstein, es gibt eine Frage von Herrn Lippmann. Wollen Sie die beantworten?


Jörg Bernstein (FDP):

Am Ende natürlich. 

Der Modellversuch hybrides Lernen wurde schon angesprochen. Auch dazu liefern wir. Wir haben gerade in der letzten Woche den neuen Fachbereich am LISA vorgestellt. 

Fahrten der Schüler lassen sich auch durch entsprechende Unterrichtsmodelle vermeiden, z. B. durch Turnusunterricht mit zwei Wochen Unterricht und vier Wochen Praxis oder durch den Blockunterricht mit sechs Wochen Unterricht und zwölf Wochen Praxis wie bei unseren Bankkaufleuten und Verwaltungsfachangestellten. Man muss bei diesem Modell die Übernachtung mit bedenken. Dafür sind Wohnheime eine Lösung. Diese sollten möglichst nicht am Rande der Stadt sein, so wie bei uns in Dessau-Roßlau. Hier sollte man die Förderung von jungem Wohnen und das Azubi-Wohnen, das Frau Dr. Pähle vorhin schon erläuterte, einbeziehen. Man kann hierbei gleichzeitig die Möglichkeit nutzen, Innenstädte mit jungen Menschen zu beleben.

Die Frage der Fahrtkosten haben wir auch schon diskutiert. Hierbei wäre es sicherlich eine Lösung, die Ausbilder einzubeziehen, weil es auch in ihrem Interesse ist. Man könnte als kleines Nice-to-have ein 49 €-Ticket dazu geben. Das wäre eine Sache. Auf der anderen Seite gibt es mit Blick auf die Berufsschulrichtlinie die Frage der Transportkostenübernahme, die der Kollege Keindorf schon angesprochen hat, die „RabAz“-Richtlinie. Wenn man in den Haushalt des letzten Jahres schaut, dann stellt man fest, wir haben dabei einen Mittelabfluss von unter 50 %. Im Rahmen einer Evaluierung gibt es sicherlich die Möglichkeit, noch einmal zu schauen, ob man den Kreis der Förderberechtigten hierfür erhöhen kann.

Kurz und gut: Ich möchte Sie bitten, mit einem klaren Votum zu zeigen, wie wichtig uns die Berufsausbildung im Lande ist. Sie ist wichtig für unsere Fachkräftesicherung. Wir als FDP werden dem selbstverständlich zustimmen. Ich möchte Sie bitten, es uns gleich zu tun. - Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP - Zustimmung von Sandra Hietel-Heuer, CDU)


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Danke. - Herr Lippmann, bitte.


Thomas Lippmann (DIE LINKE):

Vielen Dank. - Kollege Bernstein, ich glaube Ihnen gerne, dass der Antrag schon in der Erarbeitung war und danach das Papier der vier Kammern folgte. Nun, da dieses Papier vorliegt, würden Sie der Überlegung zustimmen, dass es gerade jetzt Sinn macht, sich im Bildungsausschuss mit den konkreten Forderungen der vier Kammern zu beschäftigen und den Antrag jetzt nicht schnell zu beschließen, sondern auf der Grundlage der Vorschläge der Kammern konkretere und besser abrechenbare Dinge zu beschließen?


Jörg Bernstein (FDP):

Ich denke, der Austausch mit den Kammern ist über verschiedenste Kanäle groß genug, sodass wir das auch außerhalb einer Befassung im Bildungsausschuss machen können.

(Beifall bei der FDP)