Cookies helfen uns bei der Weiterentwicklung und Bereitstellung der Webseite. Durch die Bestätigung erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies gesetzt werden.

Plenarsitzung

Transkript


Cornelia Lüddemann (GRÜNE):

Vielen Dank, Herr Präsident. - Ich habe eine Frage an Sie, Herr Ministerpräsident Haseloff. In der 40. Sitzung des Bundestages - ich meine, es war am 24. September - stellten Sie in Ihrer Rede die Schuldenbremse infrage, um auf aktuelle Herausforderungen reagieren zu können. Finanzminister Richter hat sich fast zeitgleich in einem Interview sehr dagegen positioniert. Was man jetzt alles über den Entwurf des Landeshaushaltes hört, ist es dort so abgebildet, wie Herr Richter es wollte. Aber man hört auch, dass das Entlastungspaket des Bundes nicht kofinanziert ist. Wie stehen Sie dazu? Wie wollen Sie das Entlastungspaket des Bundes kofinanzieren? Wie stehen Sie dazu, hier im Land die Notlage zu erklären, um finanziellen Spielraum für die Entlastung der Menschen im Land zu eröffnen?


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Herr Ministerpräsident, wir freuen uns auf die Antwort oder auch nicht.


Dr. Reiner Haseloff (Ministerpräsident):

Wir machen erst einmal eine Begriffserklärung. Die Schuldenbremse steht in der Verfassung, sowohl auf der Bundesebene als auch bei uns mit etwas differenzierten und unterschiedlichen Formulierungen. Sie ist nicht infrage zu stellen. Die Verfassung ist nicht nur für mich die Arbeitsgrundlage, sondern für alle.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Deswegen geht es überhaupt nicht darum, diese in die Diskussion hineinzuziehen. Die Schuldenbremse, die auch in unserer Verfassung niedergelegt ist, definiert aber auch klar die Gründe, die vorliegen müssen, um zeitlich befristet eine Aussetzung zu organisieren, und zwar auf der Basis einer Notlagenerklärung, um Kredite, die ansonsten aufgrund der Schuldenbremse und der Verfassungslage nicht möglich wären, für die Realisierung besonderer Herausforderungen nutzen zu können.

(Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Genau!)

Das haben wir im Zusammenhang mit dem Coronasondervermögen gemacht. Genauso wäre das eine Möglichkeit, um die jetzt anstehenden Entlastungspakete auf den Weg zu bringen und zu finanzieren. Denn eines ist klar: Die jetzige Haushaltslage - wir haben gestern den Haushaltsplan im Kabinett verabschiedet - lässt eine zusätzliche Finanzierung im Rahmen dessen, was wir rechtverpflichtet sehen und was an minimaler freier Spitze überhaupt zur Verfügung steht, nicht zu, um das, was auf der Bundesebene derzeit diskutiert wird, entsprechend flankieren zu können bzw. noch entstandene Lücken dann schließen zu können. Das ist erst einmal klar und das ist auch die Meinung der Landesregierung. Dagegen gibt es keinen Widerspruch. Denn es geht nicht um die Schuldenbremse, sondern es geht darum, wie die Schuldenbremse in der jeweiligen Phase, in der man sich befindet, anzuwenden ist.

Wir haben schon zwei Entlastungspakete des Bundes erlebt und wissen inzwischen auch ungefähr, was diese das Land gekostet haben. Eine Reihe von Maßnahmen, die z. B. über die Umsatzsteuer finanziert werden, sind letztlich auch über unseren Haushalt mit zu tragen im Sinne von Mindereinnahmen, die wir langfristig in den Haushalten zu erwarten haben und deswegen auch zu berücksichtigen haben.

Jetzt ist ein drittes Paket in Aussicht gestellt worden, der sogenannte Doppelwumms, worin der auch immer bestehen mag. Wahrscheinlich wird es von der Begrifflichkeit immer problematischer, überhaupt noch Aufmerksamkeit zu erlangen, unabhängig davon, dass für mich manchmal auch der Eindruck erweckt wird, als ob hier eine infantile Rhetorik gewählt wird. Aber sei es drum, Politik ist ein eigenes Geschäft und jeder muss sehen, wie er seine Kommunikation steuert.

Fakt ist jedenfalls eines: Wir wissen nicht, welche Auswirkungen hinter den 200 Milliarden € konkret bei uns erkennbar sein werden. Deswegen haben wir mit dem ersten Hinweis aus einer Arbeitsgruppe, die die Bundesregierung eingesetzt hat, zumindest eine erste Stufe präsentiert bekommen, die darin besteht, dass mit einer Einmalzahlung an bestimmte Personenkreise eine einmalige Entlastung im Dezember für den kommenden Winter finanztechnisch wirksam werden soll.

Alles andere ist noch offen. Es war ein Zwischenbericht. Wir müssen jetzt sehen, welches Endergebnis die Arbeitsgruppe vorlegt und vor allen Dingen, wie die Bundesregierung, sowohl was den ersten Vorschlag von Montag als auch was einen erweiterten Vorschlag betrifft, politisch damit umzugehen gedenkt. Denn es handelt sich um Empfehlungen einer Arbeitsgruppe, die noch nicht im Bundestag und im Bundesrat mit den entsprechenden Durchläufen überhaupt bewertet worden sind, geschweige denn im Vorfeld ein Bundeskabinett passiert haben.

Das heißt, wir sind auch mit Blick auf den 20. und 21. Oktober in Hannover noch nicht aussagefähig, was die avisierten Vertreter der Bundesregierung uns dort als Marschrichtung präsentieren werden. Denn davon hängt es ab, welche Lücken durch ein weiteres drittes Paket in Gänze nicht geschlossen werden. Sowohl im privaten Bereich als auch im gewerblichen Bereich und auch im großindustriellen Bereich der energieintensiven Unternehmen muss Klarheit herbeigeführt werden, wie die Entlastung aussieht, damit wir wettbewerbsfähig bleiben und auch die Arbeitsplätze erhalten können.

Das Entscheidende ist aber für uns, wenn dann dieses Paket seitens der Ampelkoalition in Berlin präsentiert wird, wie wir das finanztechnisch entsprechend flankieren bzw. welchen Lückenschluss, der für die notwendige Entlastung auch der genannten Bereiche erforderlich ist, wir uns politisch vornehmen.

Dafür muss ein Land in die Lage versetzt sein, die Notlage zu erklären. Eine Notlage - so ist unsere verfassungsmäßige Einschätzung, die wir auch seitens der Landesregierung erstellt haben - ist entweder regionaler Natur, wie zum Beispiel eine Naturkatastrophe oder ähnliche Dinge, die wir schon erlebt haben. In solchen Fällen entwirft ein Landtag gemeinsam mit der Landesregierung eine Strategie, wie aufgrund der dann für das Land definierten Notlage haushalterisch damit umgegangen wird. Das ist aber aktuell nicht der Fall; es handelt sich um ein globales Geschehen, das zumindest im Bereich Europas aufgrund des Krieges Russlands gegen die Ukraine zu gravierenden Veränderungen im gesamtgesellschaftlichen Leben führt, nicht nur was die Märkte und Preise anbelangt, sondern auch Auswirkung auf viele Bereiche der sozialen Strukturen usw. hat.

Das muss also auf nationaler Ebene ausgerufen werden. Denn alle 16 Länder sind davon betroffen. Alle haben eine ähnliche Verfassungsgrundlage wie wir. Wir sind uns im Kreis der Kolleginnen und Kollegen der Ministerpräsidenten einig, dass wir das tun. Wer davon abweichen kann, sind Länder, die es nicht in der Verfassung festgelegt haben bzw. die schon seit Längerem andere Überlegungen angestellt haben, auch im Zusammenhang mit Covid. Wir haben bei uns in Bezug auf das Coronasondervermögen ganz klare Einschränkungen vorgenommen, damit die Mittel, die wir auch über Kredite einsetzen wollen, originär für diese Bereiche zum Einsatz kommen können und nicht entsprechend in anderen Bereichen zum Zuge kommen.

Was macht nun der Bund? - Der Bund geht einen anderen Weg, unabhängig davon, dass er eine etwas andere Verfassungslage hat. Er versucht, die entsprechenden Kredite noch über die alte Notlagendefinition auf der Grundlage von Corona, die er faktisch erweitert, aufzunehmen, um sich in diesen Tagen so zu versorgen, dass er das in den Jahren 2023 und 2024, ohne die Notlage für sich als Bund erklären zu müssen, entsprechend finanztechnisch bewältigen kann und damit die in Aussicht gestellten Mittel des Doppelwumms realisieren kann.

Dazu sind wir als Länder derzeit nicht in der Lage. Vielmehr brauchen wir dazu, wie gesagt, neben den Details eines dritten Entlastungspaketes die konkreten Maßnahmen, die uns in die Lage versetzen, nicht doppelt zu fördern bzw. den Lückenschluss, den wir politisch im Hohen Haus auch besprechen müssen, entsprechend hinzubekommen.

Das ist die Situation. Deswegen warten wir auf den 20. Oktober. Der Kanzler hat uns, nachdem in der letzten MPK nichts Substanzielles herausgekommen ist, avisiert, dass zwei hochrangige Personen - möglicherweise der Finanzminister sowie der Wirtschaftsminister - für die MPK zu Verfügung stehen, um mit uns fachlich zu besprechen, wohin es gehen könnte, damit es auch eine Transparenz gibt.

Wahrscheinlich wird aber der Finanzminister seine endgültigen Vorstellungen darüber, wie er das finanztechnisch zu realisieren gedenkt - auch das ist derzeit noch relativ diffus beschrieben -, nach der Steuerschätzung Ende Oktober präsentieren, so die Aussage in der Ministerpräsidentenkonferenz in der letzten Woche in Berlin. Das heißt, eine Faktenlage bekommen wir erst Anfang November, um dann weiterhin auch in diesem Hohen Haus darüber zu sprechen.

Ich hatte - damit möchte ich schließen - eigentlich vor, nach der letzten MPK, von der wir uns ganz klare und konkrete Vorschläge des Bundes erhofft hatten, und zwar alle 16 Länder, unabhängig von der Parteienfarbe, in dieser Sitzungsperiode möglicherweise eine Stunde nach der Regierungsbefragung eine Regierungserklärung abzugeben. Das habe ich geschoben, weil das momentan nicht möglich ist und ich mit substantiellen Vorschlägen seitens der Landesregierung an das Hohe Haus herantreten möchte.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Danke. Es gibt eine Reihe von Nachfragen. - Bevor ich dazu kommen, möchte ich mit Ihnen gemeinsam Schülerinnen und Schüler der Sekundarschule Maxim Gorki aus Schönebeck begrüßen, die erste Gruppe.

(Beifall im ganzen Hause)

Seien Sie willkommen im Hohen Haus. - Die erste Nachfrage stellt Herr Gallert.

(Guido Kosmehl, FDP: Oh, oh, oh! - Eva von Angern, DIE LINKE: Alles gut, alles gut!)

Sie sind die Nr. 2 beim Nachfragen, Frau von Angern.

(Zuruf)

- Nur beim Nachfragen.


Wulf Gallert (DIE LINKE):

Ich wollte gerade sagen, Herr Präsident: Jetzt machen Sie es noch schlimmer.


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Nein. Keine Sorge, ich kriege das hin.


Wulf Gallert (DIE LINKE):

Herr Ministerpräsident, Ihren sozusagen noch ziemlich diplomatisch formulierten, aber doch deutlich zu spürenden Ärger über die schleppende Entscheidungsfähigkeit der Bundesregierung teilen wir durchaus. Das Problem ist, dass Sie selbst davon ausgehen, dass es sehr wohl eine Notwendigkeit geben könnte, einen Lückenschluss zu bewerkstelligen, die Lücken auszufüllen, die auf der Bundesebene übrig bleiben.

Wie groß die Lücken sind, wissen wir alle noch nicht, weil wir nicht wissen, was auf der Bundesebene passiert. Jetzt wird es allerdings - das wissen wir alle in diesem Raum, zumindest diejenigen, die sich ein bisschen auskennen - in dem an sich vorgegebenen Finanzrahmen keine substanziell zusätzlichen Landesmaßnahmen geben, es sei denn, wir gehen auch für uns in eine Ausnahme von der Schuldenbremse.

Jetzt sagen Sie: So wie andere das machen sozusagen im Anschluss an das alte Corona-Sondervermögen, würde das bei uns nicht funktionieren. - Dann frage ich Sie: Schließen Sie heute aus, dass wir ähnlich dem Verfahren des Corona-Sondervermögens, ähnlich wie Ihr Koalitionspartner SPD es schon gefordert hat, einen zusätzlichen Topf für die Bewältigung dieser nationalen Krisenlage realisieren? Oder sagen Sie, diese Möglichkeit haben wir gar nicht und deswegen können wir uns wahrscheinlich am Ende über 10 oder 20 Millionen €, aber nicht über 500 Millionen € unterhalten? Wie ist Ihre Position dazu?


Dr. Reiner Haseloff (Ministerpräsident):

Auch der Koalitionspartner SPD weiß, was die eigene Partei auf der Bundesebene auf den Tisch zu legen hat, damit wir hier weiterkommen. Alles andere lasse ich an dieser Stelle mal weg, um den Koalitionsfrieden auch weiterhin auf höchstem Niveau zu halten.

(Lachen - Beifall bei der CDU)

Ich denke, auch das ist ein Zeichen, wie man Politik machen kann trotz unterschiedlicher Detailansichten in der jeweiligen Minute, in der man vor einem Mikrofon steht oder wie auch immer, im Gegensatz zu dem, was momentan in Berlin passiert. Das ist - da haben Sie recht - nicht gerade besonders förderlich.

Fakt ist: Wir haben gestern den Haushalt beschlossen, um genau dafür Sorge zu tragen, dass wir, wenn es so weit ist, handeln können. Es ist unbestritten, dass wir hier zusätzliche Mittel - über die Größenordnung muss man sich dann verständigen - benötigen, um diese außerordentliche Krisenlage, die es so nach 1945, vielleicht mit Ausnahme der unmittelbaren Nachwendejahre für uns hier im Osten, aber in Deutschland insgesamt noch nicht gegeben hat, zu bewältigen. Das heißt, wir brauchen klare Instrumente. Dafür brauchen wir aber auch einen beschlossenen Haushalt, um auf dieser Basis eine Notlage erklären zu können.

Dann müssen wir uns darüber unterhalten, was dort hineingehört. Was ich bisher von den Koalitionsfraktionen vernommen habe, ist, dass wir das nicht mit der Vergangenheit vermischen wollen, d. h., mit dem covidbezogenen Sondervermögen, sodass immer transparent bleibt, wofür wir das Geld ausgeben.

(Beifall bei der CDU)

Denn eines ist klar: Wir wissen, wie unsere Haushalts- und Verschuldungslage im Land ist. Wir haben außerdem im Sinne der Generationengerechtigkeit eine hohe Verantwortung für diejenigen, die noch irgendwann nach uns Politik machen wollen und ihre Krisen bewältigen müssen.

(Beifall bei der CDU)

Deswegen sind wir für Transparenz. Für das, was für diese Sache notwendig ist, finden wir einen Weg. Deswegen haben wir den Haushalt gestern auf den Weg gebracht. Den sollten wir auf der Basis der Steuerschätzung des Frühjahres erst einmal bearbeiten.

Wir wissen, dass eine weitere Steuerschätzung kommt und dass momentan jeder, der an der Stelle Prognosen abgibt und damit für haushalterische Entscheidungen die Grundlage schafft, mit einer sehr, sehr großen Unschärfe zu arbeiten hat, weil wir - man braucht sich nur die Institute anzugucken, die sich bemühen, etwas für die nächsten Monate und Quartale vorauszusagen - an der Stelle genau wissen, dass das alles im Ungefähren bleibt. Deswegen fahren wir auf Sicht.

Ich denken, wir werden immer gemeinsam das tun, was für dieses Land notwendig ist, und zwar in einem großen Konsens mit den anderen 15 Bundesländern, weil wir wissen, dass das eine nationale Herausforderung ist und die müssen wir gemeinsam bewältigen.


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Danke, Herr Ministerpräsident.

(Zuruf)

- Wie bitte?

(Eva von Angern, DIE LINKE: Hat sich erledigt!)

Das hat sich erledigt. - Dann spricht Frau Lüddemann. - Bitte.


Cornelia Lüddemann (GRÜNE):

Ich wollte mir das mit den Krediten nur noch einmal bestätigen lassen. Das hat Herr Ministerpräsident ausgeführt. - Danke.


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Dann gehen wir weiter. - Herr Meister.


Olaf Meister (GRÜNE):

Wir sind uns einig in der Frage, dass die Schuldenbremse in der Verfassung verankert und einzuhalten ist. Wir haben sie selbst mit beschlossen. Klar ist aber auch, dass sie nicht für solch eine Situation gemacht ist. Deswegen gibt es die entsprechende Möglichkeit der Aussetzung, die wir, meine ich, ergreifen müssen.

Es ist jetzt deutlich geworden, dass wir einen erheblichen Betrag benötigen werden, um Bundesdinge mit abzusichern oder Lücken zu füllen. Es stand ein Betrag von einer halben Milliarde Euro im Raum. Das ist eine unkonkrete Zahl, aber nachvollziehbar.

Mich würde interessieren, welche zeitlichen Vorstellungen wir haben, wie wir das jetzt vorbereiten. Es ist erkennbar, dass das schnell gehen muss. Wir haben in der Coronasituation erlebt, wie schwierig die Abläufe sind, um das aufzusetzen, zu administrieren und es am Ende tatsächlich auf die Schiene zu bringen, wie viele Schritte dazu nötig sind.

Brandenburg macht es uns vor. Dort wird eine andere Rechtsansicht dazu vertreten, unter welchen Voraussetzungen die Kollegen dort die Notlage erklären. Ich weiß nicht, ob es nicht vielleicht der Finanzminister ist, der besser weiß, wie da gerade die Maßnahmen sind, wie wir da jetzt in der Vorbereitung sind, welche Schritte konkret gegangen werden. Wir wissen zwar nicht ganz konkret, was passieren wird, welche einzelnen Maßnahmen wir brauchen, aber dass wir ein großes Paket auflegen müssen, ist, meine ich, klar. Dass wir das nicht aus dem Haushalt kriegen, das wissen wir auch.


Dr. Reiner Haseloff (Ministerpräsident):

Dazu möchte ich mich nicht äußern, weil wir alle unsere Informationen zumindest aktuell aus den Medien beziehen. Wir wissen nur, dass wir - wir sind ja erst vor drei, vier Tagen zusammen gewesen, als Kollegen erst am Freitag im Bundesrat - alle vor der gleichen Situation stehen, dass wir alle hoffen, dass der Bund die nationale Notlage erklärt, damit wir auf dieser Basis und der Verfassungslage entsprechend synchron und koinzident, wie es immer so schön heißt, handeln können. Ansonsten ist das so die Beschreibung der Marschrichtung, die wir im Groben klar haben.

Ich bitte Sie aber auch als Ampelmitglied, auf der Bundesebene dafür zu sorgen, dass wir so schnell wie möglich handeln können.

(Zuruf)

Denn - das ist jetzt kein Hin -und Herschieben des Schwarzen Peters - es ist wirklich so, dass der Bund uns erst einmal sagen soll, was er macht, damit wir wissen, was er von uns erwartet bzw. wo die Lücken sind, die wir politisch zu schließen haben. Wir sind uns darin einig, dass Sie mit dieser Arbeitsweise mindestens genauso unzufrieden sind wie ich.


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Danke. - Ich sehe keine weitere Nachfrage, aber eine zweite Antwort. - Herr Minister Richter, bitte.


Michael Richter (Minister der Finanzen):

Herr Präsident, die Antwort war noch offen geblieben, wie man es umsetzen kann. Vorweg: Die Schuldenbremse wird nicht ausgesetzt, sondern wir gehen mit der Schuldenbremse. Wir haben die Möglichkeit in § 18 Abs. 5 der Landeshaushaltsordnung, die Notlage zu erklären, wenn wir keine Möglichkeiten mehr haben, mit der Situation umzugehen. Die Schuldenbremse wird ausgesetzt. Das ist auch technisch einfach nicht in Ordnung, Olaf Meister. Das müssen Sie eigentlich noch wissen; Sie waren lange im Finanzausschuss.

Wir haben zurzeit keine Etatreife, der Ministerpräsident hat es ausgeführt. Wir wüssten gar nicht, was wir hineinschreiben können. Insoweit haben wir die Möglichkeit, wenn wir dann wirklich wissen, was in Berlin beschlossen wird. Es geht übrigens um den Beschluss. Das, was der Koalitionsausschuss verabredet, ist keine Grundlage, sodass wir Etatreife hätten. Wir brauchen irgendwann einen Gesetzentwurf; so viele gibt es davon noch nicht.

Wir haben in der Umsetzung jetzt die Reduzierung der Umsatzsteuer von 19 auf 7 %. Wir haben das Thema der kalten Progression. Aber dann verließen sie ihn schon. Alles andere ist noch offen.

Übrigens - das ist mein Hinweis - wie schnell es gehen kann, haben wir bei Corona gezeigt, wie schnell wir in der Lage waren, einen Nachtragshaushalt auf die Beine zu stellen. Ich erinnere daran, wie schnell wir im Jahr 2020 die Maßnahmen untersetzen konnten. Beim Sondervermögen war das ähnlich.

Was machen wir? - Wenn wir wirklich wissen, was wir als Land dazu beizutragen haben, dann sind wir noch nicht bei der Frage, ob wir ein zusätzliches Paket schnüren müssen; denn das weiß im Augenblick noch keiner.

Stichwort „Empfehlungen der Kommission“. Wir wissen nicht genau, wie sich das auf das dritte Entlastungspaket auswirkt, ob die Maßnahmen, die man vorab besprochen und angekündigt hat, jetzt dadurch beeinflusst werden, ob möglicherweise zusätzliche Maßnahmen in Richtung der Wirtschaft ergriffen werden und ob wir in die Lage versetzt werden zu sagen, was wir noch machen müssen, um in den einzelnen Politikfeldern zusätzliche Hilfen anzubieten.

Zum Technischen. Wir würden dann entsprechende Formulierungshilfen geben, um gemäß § 18 Abs. 5 die Notlage feststellen zu lassen.

Es gibt den Einzelplan 13. Wir haben schon jetzt eine Vorsorge für die Themen „Energie“, „Ukraine“ und „Corona“ getroffen. Dafür sind entsprechende Haushaltstitel vorgesehen. Diese Haushaltstitel könnte man für Mehrausgaben entsprechend erhöhen, wenn man weiß, welche Mehrausgaben man leisten will, d. h., welche Maßnahmen man ergreifen will. Für die Mindereinnahmen, die dadurch entstehen, können wir Notlagenkredite aufnehmen über die Feststellung der in § 18 Abs. 5 definierten Notlage. So würde es dann in der Umsetzung gehen.

Das ist aber, glaube ich, nicht mein Problem. Mein Problem ist, dass wir im Augenblick überhaupt noch nicht wissen, was vom Bund kommt, was das fürs Land heißt und was wir zusätzlich machen müssen.

Es gibt auch keinen Widerspruch zu dem, was der Ministerpräsident gesagt hat. Kollegin Lüddemann, ich habe gestern auch noch einmal deutlich gesagt, dass wir dann die Möglichkeit haben, über den § 18 Abs. 5 zu gehen, um die Dinge zu untersetzen. Nichts anderes hat der Ministerpräsident letztlich im Bundestag geäußert. - Das wäre also die Vorgehensweise.

Das wäre auch von der Technik her nicht das Problem, von der Zeitschiene sicherlich auch nicht. Die Frage ist: Welche Maßnahmen müssen eingreifen, was heißt das finanziell und wie sieht es dann in der Umsetzung aus?