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Plenarsitzung

Anhörung zum neuen MDR-Staatsvertrag

Die Bundesländer Sachsen-Anhalt, Thüringen und Sachsen haben gemeinsam den Staatsvertrag über den Mitteldeutschen Rundfunk überarbeitet und modernisiert. In der Präambel des Gesetzentwurfs heißt es: „Sie wollen damit den freiheitlich demokratischen Rechtsstaat und seine Institutionen stärken, in den drei mitteldeutschen Ländern die kulturelle Vielfalt und Identität fördern sowie zum demokratischen Dialog, zur Sicherung der Meinungsvielfalt und Erhalt der Lebensgrundlagen und des Friedens beitragen.“

Der Gesetzentwurf zum Staatsvertrag wurde erstmals im Februar-Plenum im Landtag beraten. Danach überwiesen ihn die Abgeordneten zur weiteren Beratung in den Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie Medien. Dort fand am Freitag, 5. März 2021, eine öffentliche Anhörung zum Thema statt, bei der Experten aus der Medienbranche ihre Meinung zum Gesetzentwurf äußerten.

MDR-Landesfunkhaus in Magdeburg

Blick auf das MDR-Landesfunkhaus Sachsen-Anhalt in Magdeburg. Foto: MDR/Andreas Lander

Kritik an Gremienbesetzung

Susanne Wiedemeyer vom DGB Sachsen-Anhalt freute sich, dass die Anzahl der Arbeitnehmervertreter im Rundfunkrat verdoppelt werden soll. Allerdings sei man irritiert, dass ein Sitz pro Land der Deutsche Beamtenbund erhalten soll. Sie denkt, dass die Staatskanzlei, dass aus „politischen Gründen“ getan habe und bittet, dies zu ändern. Außerdem monierte sie, dass die freien Mitarbeiter nicht mehr vom Personalrat vertreten werden können. Denn gerade sie hätten es nötig, dass man sich um ihre Belange kümmere. In anderen ARD-Anstalten sei dies anders geregelt.

Stephan Rether, Katholisches Büro Sachsen-Anhalt,  sagte, der Vertragsentwurf sei, aus seiner Perspektive, an einigen Stellen nicht ganz durchdacht. Die Verpflichtung der MDR-Intendantin die Landesinteressen bei ihrer Arbeit an so prominenter Stelle zu nennen, erwecke den Eindruck, dass dieser Aspekt jetzt eine größere Bedeutung erhalten solle als früher. Ein Problem sieht Rether bei der Zusammensetzung des Rundfunkrats, deren Mitglieder entweder ein Dauerticket erlangen oder eben immer den Legislaturperioden unterliegen würden. Er stellte die Frage, ob es moralisch und ethisch richtig sei, die Mitglieder unterschiedlich zu behandeln. Denn wie lange jemand im Rundfunkrat sei, wirke sich auch auf seine Einflussmöglichkeiten dort aus.

Gefahr der kurzen Kündigungsfrist

Es ist zu begrüßen, dass eine Einigung zwischen den drei Ländern gefunden werden konnte, erklärte Dr. Werner Hahn, ehemaliger Justitiar des NDR. Allerdings scheine es ein beachtliches Misstrauen gegenüber dem MDR und seiner Leitung zu geben. Hahn betonte: „Länder-Egoismen seien mit der Länder- und Programm-Autonomie nicht vereinbar“. Er kritisierte, die kurze Kündigungsfrist des Staatsvertrags, die – rein theoretisch – bereits sieben Monate nach seinem Zustandekommen (Ende des Jahres 2021) möglich wäre. Unter diesen Umständen könnte der gesamte MDR auseinanderfallen. Die personelle Erweiterung der Gremien sah Hahn kritisch. Er wisse nicht, ob dies in der jetzigen Zeit das richtige Zeichen sei.

Produzenten sehen Vertrag als Chance 

Der MDR sei für viele regionale Unternehmen ein wichtiger Partner, unterstrich Christoph Kukula vom Mitteldeutscher Film und Fernsehproduzentenverband. Er freute sich, dass seine Branche bereits in der Präambel erwähnt werde. Damit könne die weitere Stärkung zwischen Sendeanstalt und Produzenten vorangebracht werden, so Kukula. Sein Verband vertraue darauf, dass man auf dem richtigen Weg sei und sich dies in den nächsten Jahren an der Zahl der Produzenten zeigen werde. Sein Verband werde sich um einen Sitz im neuen Rundfunkrat bewerben.

Freie Mitarbeiter üben deutliche Kritik

Thomas Bille, Vorsitzender der MDR-Freienräte, erinnerte an den offenen Protest, den sein Verband im Januar an alle drei Staatskanzleien geschickt habe. Es gebe mehr als 2000 freie Mitarbeiter im MDR, die laut dem Gesetzentwurf nicht mehr vom Personalrat vertreten werden dürften, kritisierte Bille. Gerade in einer digitalisierten Welt sei es wichtig, möglichst viel Mitbestimmung zu ermöglichen. Mit diesem Entwurf sei dies nicht möglich. Es sei ein Unterschied, „ob ich gehört werde oder ein Mitspracherecht habe“. Der Trend gehe außerdem dahin, dass es immer mehr freie Mitarbeiter und immer weniger Feste gebe, die das Programm gestalten. Deshalb wünschte er sich, dass der Staatsvertrag an dieser Stelle korrigiert werde.

Chance zu echtem staatsfreien Rundfunk verpasst

Prof. Dr. Hubertus Gersdorf, Universität Leipzig (Lehrstuhl für Staats- und Verwaltungs- sowie Medienrecht), beschäftigte sich in seinen Ausführungen unter anderem mit der Frage, ob der Gesetzentwurf mit dem Grundsatz der Staatsferne des Rundfunks vereinbar sei und hier konkret mit dem ZDF-Urteil zum Bundesverfassungsgericht. Gersdorf unterstrich, der öffentlich-rechtliche Rundfunk (ÖRR) gehöre allein der Gesellschaft und nicht dem Staat, auch nicht zu einem Drittel.

Selbst wenn man dies – wie das Bundesverfassungsgericht – anders sehe, müsste man diese Möglichkeit als Staat nicht ausnutzen. Der Staatsvertrag verpasse jedoch die Chance, einen echten staatsfreien ÖRR zu etablieren und einmal mutig voranzuschreiten. In einzelnen Paragraphen sah Gersdorf Nachbesserungsbedarf. Verfassungsrechtliche Bedenken hatte er beim Paragraphen 15, der die Zusammensetzung von Rundfunk- und Verwaltungsrat regelt.

Grundsätzlich gut, Paragraph 2 problematisch

Bereits in der Präambel werde das klare Bekenntnis der drei Länder zum MDR deutlich, sagte Prof. Dr. Jens-Ole Schröder, juristischer Direktor des MDR. Dies verdeutliche, dass die Erfolgsgeschichte der letzten 30 Jahre fortgeschrieben werden soll. Schröder kritisierte unter anderem den Paragraphen 2 des Gesetzentwurfs, der einen „mechanischen Ressourcenverteilungsmechanismus“ suggeriere, den es nicht gebe. Der Einsatz der Beitragsmittel unterliege den programmlichen Hoheiten des MDR. Die Vorschriften verlangte jedoch etwas anderes. Nach Vorstellung der Thüringer Landesregierung sollte diese Vorschrift vom Staat kontrolliert werden und es gebe das Drohszenario den Staatsvertrag im Zweifel zu kündigen.

Trimedialität, Bürgernähe und Vernetzung

Ines Hoge-Lorenz, Direktorin des MDR, beurteilte die Neufassung als Ermunterung den eingeschlagenen Weg von MDR Sachsen-Anhalt fortzusetzen. Sie verwies auf die konsequente trimediale Berichterstattung und die große regionale Präsenz in ganz Sachsen-Anhalt. Eine besonders hohe Akzeptanz gebe es bei den Bürgern für das Onlineangebot. Die Direktorin findet es gut, dass der Staatsvertrag ausdrücklich auf die Trimedialität und die Vernetzung mit der ARD eingeht. Der MDR höre zu und biete eine Plattform des Austauschs. Ziel sei es, den Dialog zu fördern und eine Grundlage zur Meinungsbildung zu ermöglichen. Auf diesem Weg fühle sich Hoge-Lorenz durch den neuen Staatsvertrag bestärkt.

Staatsminister äußert sich zu Kritik

Staatsminister Rainer Robra erklärte, man dürfe zudem nicht vergessen, dass der MDR nicht nur eine Rundfunkanstalt sei, sondern auch eines der wichtigsten Unternehmen im mitteldeutschen Raum. Robra verteidigte den Paragraphen 2 des Gesetzentwurfs, in dem es heißt. „Die Intendantin oder der Intendant hat im Rahmen des Möglichen darauf hinzuwirken, dass den Ländern ihre Anteile an den Einnahmen des MDR mittelfristig zu Gute kommen.“ Aus seiner Sicht gebe es keine „mechanische Ressourcenverteilung“. So wie es bereits den Produzentenbericht gebe, werde es den Ressourcenbericht geben, dies sei nicht ungewöhnlich sondern völlig normal.

Staatsminister Robra führte weiter aus, das Thema „Kündigungsregelung“ des Vertrags werde aus seiner Sicht überschätzt. Auch im ZDF-Staatsvertrag sei ein erster kurzer Kündigungsvertrag auf das Ende des Jahres 2017 gesetzt worden. Es sei der Wunsch des Landes Thüringen im Wahljahr gewesen, jedoch sei allen klar, dass Thüringen weder von Hessen aufgenommen, noch eine eigene Rundfunkanstalt auf die Beine stellen werde. Es handle sich bei dieser Klausel eher um „ein Zugeständnis der Landesregierung an seinen Landtag“.

Zur Kritik der Freien Mitarbeiter führte Robra aus, dass man sich bei der Erarbeitung des Staatsvertrags nicht auf ein Personalvertretungsgesetz der einzelnen drei Ländern einigen konnte und deshalb auf das Bundespersonalvertretungsgesetz verwiesen habe. Dies werde gerade novelliert, danach müsse geschaut werden, ob die dortigen für die Deutsche Welle getroffenen Regelungen auf den MDR übertragen werden könnten. Falls dies für die Freien Mitarbeiter keine positive Lösung biete, zeigte sich Robra in diesem Punkt gesprächsbereit.

Wie geht's mit dem Gesetz weiter?

Am Ende der Anhörung hat der Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie Medien keine Entscheidung getroffen. Der Ausschussvorsitzende Daniel Sturm schlug zur weiteren Beratung eine Sondersitzung des Ausschusses am nächsten Freitag (12. März) vor, mit dem Ziel dann eine abschließende Beschlussempfehlung für den Landtag zu erarbeiten. Der Gesetzentwurf soll im April-Plenum, in der voraussichtlich letzten Sitzungsperiode vor der Landtagswahl, abschließend beraten und abgestimmt wird.