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Plenarsitzung

Vom Frauenwahlrecht zur Gleichbehandlung

Im November 1918 erhielten die Frauen in Deutschland per Gesetz das Wahlrecht zuerkannt. Das anstehende Jubiläum nahm die SPD-Fraktion zum Anlass, eine Aktuelle Debatte zum Thema zu beantragen. Heute gehe es nicht mehr um die Verteidigung des Wahlrechts von Frauen, sondern vielmehr darum, die Gleichstellung von Mann und Frau weiter voranzubringen.

Noch immer erhalten Männer und Frauen unterschiedlich hohe Bezahlung für ein und dieselbe Arbeit. Bei einem Experimente des Vereins Terre des Femmes bewarben sich Transgender einmal als Mann und einmal als Frau für einen Job. Ergebnis: Die Frauen bekamen immer weniger Gehalt. Foto: Terre des Femmes

Weiter gegen Ungleichbehandlung eintreten

„Das von den Frauen erstrittene Wahlrecht war ein Meilenstein hin zur Gleichberechtigung von Frauen und Männern“, rekapitulierte Prof. Dr. Angela Kolb-Janssen (SPD) die Geschichte des Frauenwahlrechts. „Was wir heute noch erstreiten müssen, wird nicht von selbst kommen.“ Frauen hätten noch immer nicht die gleichen Chancen – dabei sei dies doch ein verfassungsbelegtes Menschenrecht.

Es bedürfe Instrumente, um die verbindliche Teilhabe von Frauen in allen Bereichen der Gesellschaft zu ermöglichen – es gehe nicht um eine Privilegierung, sondern um die Beseitigung von Ungleichbehandlung. Das Landesprogramm geschlechtergerechtes Sachsen-Anhalt leiste hier eine wichtige Arbeit.

Sorgt ein Parité-Gesetz für Abhilfe?

Justiz- und Gleichstellungsministerin Anne-Marie Keding (CDU) stellte ihren Redebeitrag unter die Frage: „Sind Frauen heute schon in ausreichendem Maße Entscheiderinnen, oder wird noch zu oft über sie entschieden?“ Die allererste Wahl – also noch vor der Wahl zur Nationalversammlung am 19. Januar 1919 –, an der in Deutschland Frauen aktiv teilnehmen konnten, habe am 15. Dezember 1918 im früheren Freistaat Anhalt stattgefunden. Sachsen-Anhalt sei also ein Vorreiter für die politische Gleichberechtigung der Frau, so Keding.

Dennoch sei Sachsen-Anhalt noch immer ein gutes Stück von der Gleichberechtigung von Frauen und Männern entfernt. Daraus leite sich ein Handlungsauftrag seitens der Landesregierung ab. So soll beispielsweise das Frauenförderungsgesetz zu einem modernen Gleichstellungsgesetz weiterentwickelt werden. Auf Basis des Koalitionsvertrags solle geprüft werden, ob ein sogenanntes Parité-Gesetz zu mehr Gleichberechtigung führen könne.

Die Germanen und die Rolle der Frau

Lydia Funke (AfD) kritisierte, dass man einerseits für Feminismus streite, man andererseits aber Hunderttausende Männer einer monotheistischen Religion ins Land hole, die „keinen kulturellen Reifeprozess durchlaufen habe“ im Sinne der Aufklärung. Schon die Germanen im 1. Jahrhundert nach Christus hätten gezeigt, wie es richtig gehe: Die Frau habe eine herausragende Stellung innegehabt, zeigte sich Funke überzeugt.

Funke forderte die „Abkehr von der Überhöhung eines Geschlechts“, nämlich der Frau, und „Gleichberechtigung statt Gleichstellung“. Beim heutigen Feminismus kämpften die Frauen kaum noch für sich selbst, sondern es gehe zu oft um Frauen in entfernten Ländern oder die Rechte von Minderheitengruppen. Die #Metoo-Bewegung verschließe sich komplett der aktuellen politischen Entwicklung.

„Normalfall Mann“ und „Sonderfall Frau“

„Die Hälfte der Macht den Frauen“ – dies sei eine bestechende Logik, wenn doch mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung Frauen seien, so Cornelia Lüddemann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN). Die Einführung des allgemeinen Wahlrechts für Männer und Frauen in Deutschland sei einer Kulturrevolution gleichgekommen, einer kulturellen und politischen Umwälzung.

Die strukturellen Grundlagen seien 1918 gelegt worden, „eine adäquate politische Beteiligung haben wir bis heute nicht. 22 Prozent Frauenanteil im Landtag sind inakzeptabel“, sagte Lüddemann. Die Kombination „Normalfall Mann“ und „Sonderfall Frau“ komme noch zu oft vor. 100 Jahre Frauenwahlrecht sollen Ansporn sein, weitere notwendige Änderungen im Wahlrecht anzugehen, denn noch heute seien viele gesellschaftliche Gruppe (unter anderem einige Menschen mit Behinderung, Jugendliche) davon ausgeschlossen.

„Kein Mann teilt gern seine Macht“

Wahlen hätten Auswirkungen auf die Entwicklung der ganzen Gesellschaft, erst vor 100 Jahren seien diese gerechter geworden, erklärte Eva von Angern (DIE LINKE). „Das (Wahl-)Recht kennt dem Grundsatz nach kein Geschlecht.“ Mit 18 habe sie selbst gedacht: „Frauenquote, nein danke“, erinnerte sich von Angern. Sie habe mit dem überzeugen wollen, was sie könne.

Heute wisse sie aufgrund der „gläsernen Decke“: „Ohne Frauenquote geht es nicht.“ Kein Mann teile seine Macht freiwillig mit einer Frau, zahllose Studien und nackte Zahlen bewiesen das, kritisierte die Linken-Abgeordnete. Alte Denkmuster überlebten Generationen – insbesondere wenn sie einer Gruppe von Menschen hülfen. Die Gleichstellung von Mann und Frau bedeute für DIE LINKE eine paritätische Besetzung von allen Gremien.

Bestehende Ungerechtigkeiten ausgleichen

„Das Wahlrecht für Frauen musste hart erkämpft und gegen eine Reihe von Vorurteilen durchgesetzt werden“, erklärte Angela Gorr (CDU). Gegen solche Vorurteile habe sie sich noch 2008 im Landtag erwehren müssen. Die Besetzung der Parlamente in Deutschland spiegle die gesellschaftliche Realität nicht wider. Noch bestehende Ungerechtigkeiten gelte es auszugleichen.

Frauen seien in Wirtschaft, Wissenschaft und Politik noch deutlich unterrepräsentiert. „Was können wir tun, um mehr Frauen in die Politik zu holen?“, fragte Gorr. „Gestandene Frauen wollen keine Quoten-Frauen sein“, sagte Gorr. Aber dies zu umgehen, würde zunächst erstmal voraussetzen, dass Frauen gleichberechtigte Chancen hätten, in Amt und Würden zu kommen.

Beschlüsse wurden am Ende der Aktuellen Debatte nicht gefasst.