Tagesordnungspunkt 7

Aktuelle Debatte

Mitmachen - Aufholen - Überholen! Wir starten neu - die Welt des Sports in all seinen Facetten fördern

Antrag Fraktion FDP - Drs. 8/913


Die Redezeit beträgt zehn Minuten je Fraktion; die Landesregierung hat ebenfalls eine Redezeit von zehn Minuten. Wir freuen uns auf die Rede von Herrn Silbersack.


Andreas Silbersack (FDP):

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nirgends sonst engagieren sich derart viele Menschen wie im Sport in unserem Land. Aber die Sportbasis braucht unsere Unterstützung. Der Vereinssport, aber auch der Freizeitsport leiden unter der Coronakrise und nunmehr zusätzlich unter den Verteuerungen im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine.

Viele Vereine in Sachsen-Anhalt kämpfen mit den Folgen der Coronapandemie. Mitgliederschwund, Probleme bei der Gewinnung von Ehrenamtlichen, sinkende Zuschauereinnahmen, Sponsoren, die aufgrund wirtschaftlicher Probleme abspringen, sind nur einige der bestehenden Probleme, die ich an dieser Stelle aufführen möchte.

Allein im Jahr 2020 haben die Mitgliedsvereine - wir haben davon mehr als 3 000, die im Landessportbund organisiert sind - in der Summe knapp 11 000 der insgesamt 350 000 Mitglieder verloren. Das sind weniger, als befürchtet werden musste, aber es ist dennoch ein gravierender Einschnitt in die Sportlandschaft des Landes.

Besonders hohe Mitgliederrückgänge haben dabei der Behindertensportverband mit einem Rückgang um 3 500 Mitglieder und der Landesturnverband mit einem Rückgang um 1 500 Mitglieder zu verzeichnen. Das sind zwei Sportverbände, die traditionell zahlreiche Präventsangebote sowie Kursangebote unterbreiten. Aber auch die Mannschaftssportarten litten und leiden unter den Einschränkungen bis hin zur zeitweisen Aussetzung des Spielbetriebs. Jeder Einzelne von Ihnen hat das sicherlich in den Wahlkreisen mitbekommen.

Auch wenn wir mit der aktuellen Verordnungslage deutlich bessere Bedingungen für den Sport und die Sporttreibenden haben, ist die Lage in den Vereinen weit von der Normalität entfernt. Auch wenn noch keine abschließenden Zahlen für das Jahr 2021 vorliegen und sich der Trend der Mitgliederverluste zu verlangsamen scheint, bleibt offen, wie die bisherigen Mitgliederrückgänge aufgefangen und neue Ehrenamtliche bzw. Ausgeschiedene gewonnen werden können. Nicht zu vergessen ist dabei, dass junge Menschen, die Sport nicht betrieben haben, auch wenig Motivation haben, in Sportvereine einzutreten.

Aktuell muss man ungeschönt sagen, dass die Sportvereine in unserem Land in Gefahr schweben, und das, obwohl sie ein Stück Lebensqualität darstellen, Orte für Bildung und Gesundheit, für Integration, für Inklusion und für den gesellschaftlichen Zusammenhalt sind.

Sehr geehrte Damen und Herren! Die Sportvereine des Landes bilden die Grundlage für den Breiten- und Leistungssport. Nur engagierten Vereinen ist es zu verdanken, dass Sportlerinnen und Sportler aus Sachsen-Anhalt zum positiven Abschneiden der deutschen Mannschaften bei den Olympischen Spielen in Tokio und in Peking beigetragen haben. Mit Florian Wellbrock vom SC Magdeburg sowie mit Thorsten Margis und Alexander Schüller vom SV Halle haben wir drei Olympiasieger im letzten Jahr; darauf können wir richtig stolz sein, meine Damen und Herren.

(Beifall)

Sie haben für Furore gesorgt und das Sportland Sachsen-Anhalt in die Welt getragen. Somit konnten wir in Sachsen-Anhalt Erfolge feiern, die mit Geld nicht zu bezahlen sind; das steht fest.

Daneben sorgen Trainer wie Bernd Berkhahn vom SC Magdeburg dafür, dass bundesweit und auch international bekannte Sportlerinnen und Sportler nach Sachsen-Anhalt kommen.

Wir haben Sportvereine, wie den SC Magdeburg und den 1. FC Magdeburg, die in aller Munde sind und deutschlandweit Furore machen. Zu nennen sind auch der mitteldeutsche Basketballclub GISA Lions aus Halle sowie der hallesche Eishockeyverein Saalebulls.

(Zuruf: Und der HFC! - Lachen)

- Als HFC-Fan kann ich mich im Augenblick nicht an die Furore erinnern, würde mich aber freuen, wenn das in Zukunft passieren würde.

(Zuruf - Lachen)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese sportlichen Erfolge können wir nur fortführen, wenn wir dafür sorgen, dass wir jedem Kind, jedem Jugendlichen, jedem Erwachsenen und jedem älteren Menschen - egal welcher Herkunft, welcher Religion, ob mit oder ohne Behinderung - die Teilnahme am Sport ermöglichen, also grundsätzlich die Möglichkeit auf ausreichend Bewegung bieten.

Um dieses Ziel zu erreichen, müssen wir dafür sorgen, dass es unseren Sportvereinen im Land gutgeht und sie zukunftsfähig aufgestellt sind.

(Zustimmung)

Dafür müssen wir die Pauschalen für die Sportförderung der Vereine, Verbände sowie Kreis- und Stadtsportbünde in Sachsen-Anhalt generell und unabhängig von der Coronapandemie erhöhen und bestehende Förderstrukturen überdenken und gerade im Bereich des nationalen und internationalen Spitzensports die Kooperation zwischen dem Landessportbund, dem DOSB und dem Olympiastützpunkt Sachsen-Anhalts stärken.

Daneben bedarf es aber auch kreativer Ideen und der Schaffung von Rahmenbedingungen, um die Sport- und Bewegungsangebote für die Bevölkerung zu unterstützen und zu fördern. Mit dem Blick auf das Durchschnittsalter und den Gesundheitszustand der Bevölkerung in Sachsen-Anhalt ist es wichtig, dass wir nach Lösungen suchen, um in jedem die Motivation, sich zu bewegen, zu wecken und jedem den Zugang zum Sport zu ermöglichen.

Nach nunmehr zwei Jahren, in denen Kinder und Jugendliche bisher kaum die Chance hatten, sich regelmäßig im Sportverein zu betätigen, fehlt ihnen heute schlichtweg das Bedürfnis und der Eigenantrieb, Sport zu treiben. Dies wird Auswirkungen haben. Wie viele Kinder sitzen zu lange vorm Laptop, anstatt Sport zu treiben? Wie viele Kinder haben dadurch gar nicht gelernt, wie eine Rückwärts- oder eine Vorwärtsrolle gehen? - All das sind Aufgaben, die uns längerfristig beschäftigen werden.

Nicht nur Talente bleiben unentdeckt, auch der sportliche Nachwuchs für unseren aktuellen Leistungssport fehlt. Wenn man sich die Einschulungen an unseren Sportschulen in Halle und Magdeburg anschaut, dann sieht man, dass die Zahlen extrem rückläufig. An dieser Stelle haben wir eine immense Aufgabe.

Zwei Jahre lang fanden kein regelmäßiger Schulsport und keine Schwimmkurse für Kinder statt. Es gab unzureichende Bewegungsangebote in den Kitas. Das macht mir große Sorgen in Bezug auf die Gesundheit unserer jungen Generation. Von den Behindertenwerkstätten ganz zu schweigen - für Menschen mit geistiger und Mehrfachbehinderung fand quasi überhaupt kein organisierter Sport statt.

Wir müssen alles dafür tun, damit der weitere Ausfall von Schulsportstunden minimiert wird und Bedingungen geschaffen werden, damit Sportvereine, Kitas und Schulen eng zusammenarbeiten können, um Kindern und Jugendlichen den Weg zum Sport und in die Sportvereine aufzuzeigen. So wird bei ihnen im jungen Alter das Bedürfnis nach lebensbegleitender sportlicher Betätigung geweckt. Wir brauchen nach zwei Jahren Corona ein echtes Comeback, wie es der DOSB auch initiiert hat.

Zwei Jahre Sport mit vielfachen Einschränkungen zur Eindämmung der Pandemie haben auch dafür gesorgt, dass den Sportvereinen zahlreiche ehrenamtliche Helfer verlorengegangen sind. Übungsleiter haben ihre Lizenz verfallen lassen, Vereinsvorstände ringen um Engagierte für die Vorstandsarbeit. An dieser Stelle müssen wir ansetzen und die Vereine unterstützen, z. B. mit einer verbesserten Förderung des ehrenamtlichen Engagements, wie es auch im Koalitionsvertrag steht.

Wenn wir in Sachsen-Anhalt wieder mehr Leute in Bewegung bringen wollen, bedarf es auch innovativer Ideen. Mit dem Congrav New Sports e. V. - die wenigsten von Ihnen werden Ihnen kennen -

(Zurufe: Doch!)

wurde in diesem Jahr erstmals ein Verein aus Sachsen-Anhalt mit dem großen Stern des Sports in Gold ausgezeichnet. Das ist Deutschlands bedeutendster Wettbewerb zur Förderung und Anerkennung ehrenamtlichen Engagements im Sport. Die jungen Leute aus Halle wurde für ihr Projekt „Trendsportzentrum Halle - ein Freiraum für Jugend, Sport und Kultur“ geehrt. Das ist ein tolles Beispiel und ein Aushängeschild für Sachsen-Anhalt, meine Damen und Herren.

(Zustimmung)

Dieser Verein hat es tatsächlich geschafft, Jugendliche, die sich im Freizeitsport betätigen, zu binden und für diese Themen zu interessieren.

Die aktuelle weltpolitische Lage geht natürlich auch nicht spurlos an den Sportsportvereinen vorbei. Auch die Invasion Russlands in die Ukraine, die wie alle zutiefst verurteilen, sorgt für steigende Benzinpreise, die nicht nur die Wirtschaft beeinflussen. Verstärkt höre ich Signale aus den Sportvereinen, dass Eltern, ehrenamtliche Trainerinnen und Trainer sowie Schiedsrichter nicht mehr bereit und in der Lage sind, die Kosten für die Fahrten zum Training und zu den Wettkämpfen selbst zu tragen. Die Unterbringung ukrainischer Flüchtlinge in den Sportstätten der Städte und Kommunen des Landes wird die Sportvereine weiter vor immense Probleme stellen und kann auch nur die Ultima Ratio sein, wenn keine anderen Objekte zur Verfügung stehen.

Sporthallen sind als mittel- und langfristige Massenunterkünfte auf Dauer ungeeignet; sie werden von den Sportvereinen dafür benötigt, angemessene Betreuungs- und Integrationsangebote anzubieten und die Bevölkerung in Sachsen-Anhalt in Bewegung zu bringen.

(Zustimmung)

Sehr geehrte Damen und Herren! Sport ermöglicht gesellschaftliche Teilhabe, fördert die ganzheitliche, gesunde körperliche und geistige Entwicklung, spielt eine wichtige Rolle in der Prävention von Adipositas, Übergewicht und ADHS und hilft auch dabei, im Alter den Alltag lebenswert und ereignisreich zu gestalten.

Jetzt ist es an der Zeit, die Vereine und Verbände als Orte des sozialen Miteinanders nicht nur zu stärken und mit finanziellen Ressourcen zu unterstützen, sondern auch unnötige Bürokratie abzubauen und gemeinsam mit den Akteuren der Sportvereine und Sportverbände in unserem Land eine Strategie zu entwickeln, um die Sportvereine fit für die digitale Zukunft zu machen, die Bevölkerung für regelmäßige sportliche Aktivitäten im organisierten Verein zu gewinnen und auch die Funktionsträger im Verein, die Ehrenamtlichen, die Übungsleiterinnen und Übungsleiter, die Kampfrichterinnen und Kampfrichter, die Trainerinnen und Trainer zu aktivieren und zu motivieren, sich in einem Verein, und zwar in   i h r e m   Verein zu engagieren.

Meine Damen und Herren! Wenn wir auch in Zukunft Erfolge bei den Kleinsten bis hin zu den Ältesten in unserem Bundesland feiern wollen, dann müssen wir uns gemeinsam für mehr Bewegung stark machen und dürfen Sport nicht nur als simple Freizeitaktivität ansehen. Wir müssen Sport als notwendige und unverzichtbare gesundheits- und gesamtgesellschaftliche Vorsorge für alle verstehen und wertschätzen, meine Damen und Herren. - Vielen Dank.

(Zustimmung)


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Danke, Herr Silbersack. Es gibt eine Frage von Herrn Tillschneider. Möchte Sie die beantworten?


Andreas Silbersack (FDP):

Gern.


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Herr Tillschneider, bitte.


Dr. Hans-Thomas Tillschneider (AfD):

Es ist eine Intervention. Wenn man bei Ihrer Rede die Trivialitäten abzieht, Herr Silbersack - Sport ist gut; das wissen wir alle -, dann verbleiben zwei falsche Weichenstellungen. Sie haben gesagt, die schlechte Situation der Vereine liege an Corona und an dem Ukrainekonflikt. - Falsch! Sie liegt an der Coronapolitik und an Ihrer Russlandpolitik. Sie haben hier viel lamentiert. Ich rate Ihnen, lamentieren Sie über sich selbst.

(Zustimmung - Zurufe: Das kann doch alles nicht wahr sein! Oh nee! - Das ist ja nun wirklich…! - Weitere Zurufe)


Andreas Silbersack (FDP):

Ja, was soll man zu einer solchen inhaltsleeren Plattitüde sagen, meine Damen und Herren? Dazu muss man keine Worte verlieren. - Vielen Dank.

(Zustimmung - Unruhe)