Petra Grimm-Benne (Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung):

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Der Antrag der Fraktion DIE LINKE sieht vor, dass das Land allein, d. h., abweichend von der derzeit geltenden gesetzlichen Finanzierungsregel in § 12a unseres Kinderförderungsgesetzes die gesamten Mehrkosten aus den Tarifverhandlungen übernehmen soll.

Das heißt aber auch, es liegt die Forderung auf dem Tisch, dass die Landkreise und kreisfreien Städte, die die eigentlichen Träger der Kindertagesbetreuung im Land und für die Vorhaltung des Angebotes verantwortlich sind, komplett von der Mitfinanzierung der Tarifsteigerungen ausgenommen werden sollen. Die Begründung der antragstellenden Fraktion lautet, dass sich aus den Tariferhöhungen keine Erhöhung der finanziellen Belastungen für Kommunen und Eltern ergeben sollte.

Meine Damen und Herren Abgeordneten! Die Anstrengungen, die von den Erzieherinnen und Erziehern, von den Leitungskräften in den Einrichtungen und von den Trägern sowie von den Kommunen in den letzten zwei Jahren aufgrund der Coronaauswirkungen geleistet wurden, können wirklich nicht hoch genug wertgeschätzt und gewürdigt werden. Mein Dank gilt deshalb an dieser Stelle allen Akteurinnen und Akteuren, die unter höchsten persönlichen Anstrengungen die Kindertagesbetreuung in der Coronazeit abgesichert haben.

(Zustimmung)

Diesen Leistungen der Erzieherinnen und Erzieher ist Respekt zu zollen. Deshalb gestatten Sie mir einige Anmerkungen zum vorliegenden Antrag.

DIE LINKE fordert, die zu erwartenden Tarifsteigerungen im Sozial- und Erziehungsdienst aus den Tarifverhandlungen 2022 vollständig in den kindbezogenen Pauschalen für die Zuweisungen gemäß § 12 Abs. 2 des Kinderförderungsgesetzes, also in den Landespauschalen, abzubilden und damit ausschließlich durch das Land zu tragen. In der Folge bedeutet dies   ich sagte es bereits  , dass diese Tariferhöhung nicht mehr von den Landkreisen und kreisfreien Städten, den Gemeinden und ggf. den Eltern mitzutragen wäre.

Wenn der Landtag das so beschließen würde, dann hieße das, dass er erstens gegen sein eigenes, von ihm beschlossenes Gesetz verstößt, weil das Kinderförderungsgesetz eben und aus gutem Grund auch die Mitverantwortung der Kommunen und ggf. der Eltern für tarifliche Kostensteigerungen vorsieht. Hierbei stellt sich die Frage: Wieso haben Sie nicht einfach einen Vorschlag für eine gesetzliche Änderung vorgelegt? Das wäre sauberer gewesen.

(Zurufe)

Das hieße zweitens, dass wir als Land einen Blankoscheck ausstellen würden, ohne überhaupt die Belastungen zu kennen, die auf uns zukommen. Denn   Frau Hohmann hat es gesagt   bekanntlich sind die Tarifverhandlungen noch nicht abgeschlossen und werden ab dem 16. Mai fortgesetzt. Und es liegt ein umfangreiches und komplexes Forderungspaket der Gewerkschaften auf dem Tisch mit einem zweifellos erheblichen finanziellen Volumen. Es wäre also ein Gebot der Seriosität und des verantwortlichen Umgangs mit den finanziellen Ressourcen des Landes, erst einmal zu sehen, was das am Ende in Summe bedeuten würde.

Nicht seriös ist es übrigens auch, über den dargestellten Weg eine Entlastung der Kommunen vorzuschlagen. Wenn es Ihnen darum geht, dann sollten Sie den zweifellos beschwerlicheren, aber auch sauberen Weg wählen, entsprechende Vorschläge für die Ausgestaltung des Finanzausgleichsgesetzes vorzulegen.

Drittens und letztens ist aus meiner Sicht anzumerken: Wir sollten uns darüber im Klaren sein, dass ein spontanes Aushebeln von gut durchdachten Finanzierungsprinzipien und -regeln auch dazu führen könnte, dass dies weitere Versuche in dieser Richtung nach sich ziehen könnte, was tunlichst zu vermeiden ist.

Hier gilt es, noch einmal auszuführen, dass das Land bereits vieles finanziell schultert und vor allem auch die Kosten für Qualitätsverbesserungen schon aus Konnexitätsgründen allein trägt. So fließen in die Landespauschalen nach § 12 Abs. 1 bereits folgende Positionen ein:

•    die Jahrespersonalkosten einer pädagogischen Fachkraft entsprechend dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst,

•    Sozial- und Erziehungsdienst des Vorjahres,

•    der Mindestpersonalschlüssel für pädagogische Fachkräfte,

•    der Umfang der vertraglich vereinbarten Betreuungszeiten nach der Stala-Statistik zum 1. März des Vorjahres,

•    die Zahl der betreuten Kinder nach der Stala-Statistik zum 1. März des Vorjahres usw.

Meine Damen und Herren Abgeordneten! Der Landtag hat die Finanzierung des Kinderförderungsgesetzes im Rahmen der Novellierung im Jahr 2019 auf Wunsch vieler zukunftssicher aufgestellt und dabei sichergestellt, dass Entwicklungen im System   sei es durch Tarifsteigerungen, sei es durch Änderungen bei der Anzahl der Kinder   berücksichtigt werden. Wir meinen, dass sich dieses System bewährt hat.

Eine vollständige Übernahme der Erhöhungen aus laufenden Tarifverhandlungen durch das Land würde dieses fein austarierte und bewährte System sprengen und der Vertrauensbasis aller Akteure in der Finanzierung des Kinderförderungsgesetzes die Grundlage entziehen.

Abschließend möchte ich darauf hinweisen, dass wir über das Gute-Kita-Gesetz einen nicht unwesentlichen Beitrag dazu leisten können, dass sowohl die Erzieherinnen über zusätzliche Personalstellen in Bedarfs-Kita   das haben wir uns auch in der Koalitionsvereinbarung weiter vorgenommen   als auch die Eltern über die Elternbeitragsentlastung mit erheblichen Mitteln entlastet werden. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung)


Vizepräsident Wulf Gallert:

Frau Ministerin, es gibt zwei Fragen. - Gut, dann fangen wir an. - Frau von Angern, bitte.


Eva von Angern (DIE LINKE):

Frau Ministerin, ich habe zwei Fragen. Vielen Dank erst einmal für Ihre Ausführungen. Zunächst die Frage: Wie sehen Sie als Fachministerin mit Blick auf die Tarifverhandlungen bzw. auf die Forderungen die Forderung nach einer Verbesserung der Entgeltgruppen? - Das ist die erste Frage.

Bei der zweiten Frage möchte ich daran erinnern, dass es, wie ich meine, die SPD war, die sich im Wahlkampf positiverweise und auch von uns unterstützt für die Kostenfreiheit im Kita-Bereich für die Eltern eingesetzt hat.

Vor diesem Hintergrund frage ich Sie: Habe ich Sie richtig verstanden, dass Sie in dem Moment, wo klar ist, um welches Kostenvolumen es insgesamt geht, einem Gesetzentwurf unsererseits, der die Übernahme der Kosten infolge der Entgeltgruppenveränderungen durch das Land vorsieht, nachkommen würden bzw. offen für eine Diskussion sind, damit am Ende das Ziel der geringeren Kostenbelastung oder der Nichtsteigerung der Kosten für die Eltern erreicht werden kann? Denn Ihr langfristiges Ziel ist es ja, die Eltern komplett zu entlasten.


Vizepräsident Wulf Gallert:

Sie können antworten.


Petra Grimm-Benne (Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung):

Frau von Angern, Sie haben das System, wie wir unsere Kita-Finanzierung im Land gestaltet haben, schon einmal besser dargestellt, als Sie es jetzt in Ihrer Frage getan haben. Es ist mitnichten geplant, dass wir hinsichtlich der Elternbeiträge eine Kostenfreiheit gestalten. Wir haben ein anderes Problem. Es ist eine Pflichtaufgabe der Kommunen, die Kinderbetreuung eigentlich ohne unsere Mittel und Beiträge zu finanzieren.

Wir kommen nur deswegen aus Konnexitätsgründen ins Spiel, weil wir den Personalschlüssel und die Qualitätsstandards, unter denen das laufen soll, festlegen. Deswegen haben wir uns darauf verständigt, bei den Personalkosten, die immerhin 51 % betragen, also mehr als die Hälfte ausmachen, die Tarifsteigerungen mit abzubilden. Die anderen Bereiche müssen automatisch über die Tarifsteigerungen abgebildet werden wie im gesamten Bereich des Personals in den Kommunen. - Das ist der erste Punkt.

Den zweiten Punkt kennen Sie auch. Ja, wir hätten uns in diesem Bereich die Gebührenfreiheit gewünscht. Aber wir haben heute Morgen darüber diskutiert, dass man sich in einer Koalition auf bestimmte Punkte einigen muss. Dabei haben wir festgelegt   das fand ich immer noch sehr ausgewogen  , dass wir erst einmal den Stand, den wir jetzt im Kinderförderungsgesetz haben, durchtragen. Wir meinen, dass wir mit der Geschwisterkinderregelung auch eine enorme Entlastung hinbekommen können.

Ein dritter Punkt, den ich noch erwähnen möchte. Es ist ja immer noch nicht ganz klar, in welche Richtung die Ampelkoalition das Gute-Kita-Gesetz weiterführen wird. Wir hatten gestern dazu die erste Beratung. Es deutet sich an, dass man nicht weiter in die Gebührenfreiheit in den einzelnen Ländern, sondern noch mehr in die Qualität investieren will.

Dabei werden wir, denke ich, die Punkte, die Ihnen auch wichtig sind, nämlich eine bessere Vergütung für die Erzieherinnen und Erzieher und eine bessere Qualität hinsichtlich der Kinderbetreuung, was auch immer eine große Forderung ist, möglicherweise stärker umsetzen können, als wir es bisher mit dem Gute-Kita-Gesetz tun konnten.


Vizepräsident Wulf Gallert:

Herr Gebhardt, haben Sie sich zu einer Frage gemeldet?

(Zuruf von Stefan Gebhardt, DIE LINKE)

- Na dann, eine kurze Nachfrage.


Eva von Angern (DIE LINKE):

Die Nachfrage ist nur deswegen erforderlich, Herr Präsident, weil die Antwort auf meine Frage nicht gekommen ist. Die Frage war, ob ich es richtig verstanden habe, dass Sie sich dafür offen zeigen, wenn das Gesamtvolumen bekannt ist und wir einen Gesetzentwurf vorlegen, um das KiFöG entsprechend zu ändern.

Ich konkretisiere es noch einmal: Selbstverständlich ist uns als Fraktion das Finanzierungssystem bewusst. Wir wissen aber auch, dass die Kommunen, wenn sie mehr belastet werden, die Erhöhung regelmäßig an die Eltern weitergeben. Denn einen Euro kann jede Kommune nur einmal ausgeben, und sie muss gucken, wer dann mitfinanziert. - Das ist die Erfahrung in Sachsen-Anhalt.


Petra Grimm-Benne (Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung):

Also das Finanzierungssystem ist   wenn ich auf die Frage antworten darf   ist viel komplizierter, als Sie es jetzt dargestellt haben, weil nämlich die Landkreise gehalten sind, in ihrem Anteil, den sie an der Finanzierung tragen, die Tarifsteigerungen abzubilden. Es ist in jeder Beitragssatzung für die Eltern noch einmal zu gucken, ob das im Maßstab eins zu eins weitergegeben wird. Ich kenne die Kommunen bisher so, dass sie das nicht tun, um die Elternbeiträge stabil zu halten.


Vizepräsident Wulf Gallert:

Danke. - Herr Gebhardt, haben Sie sich vorhin gemeldet?


Stefan Gebhardt (DIE LINKE):

Ja.


Vizepräsident Wulf Gallert:

Also Sie meinten das immer noch? - Gut, dann fragen Sie jetzt.


Stefan Gebhardt (DIE LINKE):

Vielen Dank, Frau Ministerin. Ich habe Ihrer Argumentation zugehört und kann diese aus der Sicht einer Landesministerin auch nachvollziehen. Jetzt haben wir aber den Antrag aus der Sicht der Kommunen und der Eltern formuliert.

Nun hatten wir in den letzten Jahren in vielen Städten exorbitant steigende Elternbeiträge zu verzeichnen. Wir haben soeben eine Debatte über steigende Energie- und Benzinpreise geführt. Deshalb frage ich Sie: Glauben Sie nicht, dass in dieser aktuellen Situation ein Signal vom Land notwendig wäre, auch ausgehend von den letzten Debatten um die Kita-Gebühren hier im Landtag, das besagt: Ja, wir haben es verstanden; die Gebühren dürfen jetzt nicht weiter steigen, weil wir im Wahlkampf einen anderen Kurs gefahren haben und uns für eine Beitragsfreiheit einsetzen wollten?

Das Signal könnte doch jetzt so aussehen, dass man sagt: Wir wollen ausdrücklich nicht die Eltern und die Kommunen weiter belasten. Denn das ist der Inhalt dieses Antrags. Wir wollen, dass die Kita-Erzieherinnen und -Erzieher ordentlich bezahlt werden, dass die Tarifverhandlungen erfolgreich verlaufen und dass wir als Land, wenn sie dann abgeschlossen sind, bereitstehen und den Eltern wirklich unter die Arme greifen und sagen: Ihr braucht demnächst keine Erhöhung zu tragen, weil wir die Gesamtsituation durchaus zu bewerten wissen.


Vizepräsident Wulf Gallert:

Sie können antworten.


Petra Grimm-Benne (Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung):

Erstens. Herr Gebhardt, wir haben mit unserem Gesetz erreicht, dass die Erzieher und Erzieherinnen endlich an allen Tarifsteigerungen partizipieren können und vernünftig bezahlt werden, auch entsprechend den mit den Gewerkschaften verhandelten Eingruppierungen. Das möchte ich erst einmal ganz konkret festhalten. Wir haben sogar Berechnungen in das Kinderförderungsgesetz aufgenommen, damit das, was jahrelang davor stattfand, nicht mehr vorkommt, und zwar unabhängig von der Trägerschaft. Das ist der erste Punkt.

Zweitens. Wir können uns sicherlich über Entlastungen der Kommunen unterhalten. Aber es ist der falsche Weg   das habe ich dargestellt  , diese auf der Grundlage des Kinderförderungsgesetzes zu realisieren. Wenn Sie tatsächlich eine Entlastung der Kommunen wollen, weil diese durch die Coronakrise besonders belastet sind, dann ist dies ein Thema des Finanzausgleichsgesetzes. Dort gehört es hin und in diesem Zusammenhang muss es auch debattiert werden.