Cornelia Lüddemann (GRÜNE):

Vielen Dank, Herr Präsident. - Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordneten! Ad hoc gestiegene Spritpreise und noch mehr die Energiepreise insgesamt treffen am meisten diejenigen, die wenig haben; die Menschen, die im ländlichen Raum Auto fahren müssen, ob sie wollen oder nicht, weil es keinen ÖPNV gibt; die Pendlerinnen und Pendler, die keine Alternative im ÖPNV haben; die Pflegedienste, die ihre Sätze verhandelt haben, als von diesen Spritpreisen noch lange nicht zu träumen war   natürlich Albträume  ; die Handwerksunternehmen, die dieses auch nicht in ihre Kalkulation einarbeiten konnten. Deswegen muss entlastet werden. Wir als GRÜNE nehmen es sehr ernst. Das haben alle in der Ampelregierung sehr ernst genommen. Nicht umsonst ist zum Schluss noch einmal elf Stunden lang verhandelt worden.

Mir und uns GRÜNEN war immer wichtig, dass die Entlastung sehr schnell kommt, dass sie zielgerichtet kommt und dass sie sozial ausgewogen kommt, d. h., dass die einkommensschwachen Haushalte und diejenigen, die für Kinder Sorge tragen, besonders entlastet werden. Genau das passiert jetzt.

Es gibt einen weiteren Einmalzuschuss für einkommensschwache Haushalte in Höhe von 100 €. Es gibt einen Zuschuss pro Kind in Höhe von 100 €. Ich finde das richtig; denn es sollen nicht diejenigen entlastet werden, die schon viel haben. Wer sich ein großes Auto, ein SUV leisten kann, der kann sich auch diese Preise leisten.

(Beifall - Daniel Rausch, AfD: Leute, SUV! Die brauchen weniger Sprit als kleine Autos!)

Wer einen Dienstwagen fährt, der kann sich diese Preise auch leisten. Wir dürfen keine falschen Anreize setzen, keine falschen Trends unterstützen.

(Daniel Rausch, AfD: Sie müssen doch merken, was Sie erzählen! - Weitere Zurufe)

Uns geht es um den Ausgleich von sozialen Härten, schnell und zielgerichtet. Deswegen finde ich es richtig, dass es jetzt eine Energiepauschale in Höhe von 300 € gibt. Ich finde es richtig, dass die Energiesteuer für drei Monate abgesenkt wird. Das bedeutet eine Entlastung in Höhe von 30 Cent pro Liter Benzin und von 14 Cent pro Liter Diesel. Das wird jeder merken, der tankt.

(Zuruf: Nein!)

Ich finde es auch richtig   das ist ganz wesentlich, insbesondere dann, wenn man sich den Titel dieser Debatte anguckt: die Lebensgrundlagen schützen  , dass die Koalition in Berlin sehr darauf achtet, dass wir die natürlichen Lebensgrundlagen im Blick haben; denn wenn wir sie nicht mehr haben, dann brauchen wir über Benzinpreise überhaupt nicht mehr zu diskutieren.

(Zustimmung)

Wir dürfen Putin auch nicht diesen Triumph lassen, dass wir alles, was wir aufgebaut haben, um unsere natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen, über Bord werfen.

Wir müssen aber auch diejenigen im Blick haben, die kein Auto haben wollen, die kein Auto haben dürfen, die kein Auto haben können. Auch das gibt es: Menschen, die sich gar kein Auto leisten können. Deswegen begrüße ich es ausdrücklich, dass es ein 90-Tage-Ticket gibt, das 9 € im Monat kostet. Mit diesem Ticket kann dann der ÖPNV in ganz Deutschland genutzt werden. Das finde ich richtig. Das, finde ich, ist der richtige Weg.

Genauso müssen wir neben den Ad-hoc-Maßnahmen auch mittel- und langfristige Maßnahmen auf den Weg bringen. Der ÖPNV muss als Alternative zum motorisierten Individualverkehr ausgebaut werden. Der Nahverkehr ist die Stütze für die Verkehrswende. Deswegen ist es auch richtig   auch das hat die Ampelregierung auf den Weg gebracht  , eine Ladesäuleninfrastrukturinitiative   ein langes, schweres Wort, aber ein wichtiges Ziel   umzusetzen; denn wir brauchen die Möglichkeit, dass sich die Menschen, die wollen, tatsächlich ein CO2-freies Auto kaufen und das auch an jeder Stelle betanken können.

(Beifall)

Insgesamt muss es darum gehen, alle Energiekosten in den Blick zu nehmen. Die Energiepreise für Sprit sind das eine. Was ist mit den Heizungen? - Elf Millionen Wohnungen in Deutschland werden mit Gas beheizt - noch. Wir müssen etwas für die Wärmewende tun.

(Zustimmung)

Wir müssen etwas für Energieeffizienz tun. Ich finde es richtig, dass die noch neue Bundesregierung sagt, wir werden Wärmepumpen fördern; denn wir müssen an allen Ecken und Enden aus den fossilen Energien heraus. Wir brauchen perspektivisch auch ein echtes Klimageld, wie es die drei Ampelfraktionen vereinbart haben.

Das ist der Weg, liebe Kolleginnen und Kollegen, um tatsächlich ad hoc diejenigen zu entlasten, die wenig haben und die am meisten unter den Energiepreisen leiden, und um strukturell alles dafür tun, dass wir aus der fossilen Abhängigkeit und damit aus der Abhängigkeit von Putin wegkommen.

(Zurufe: Oh!)

Das geht nur mit erneuerbaren Energien. Das ist der Schlüssel, und das bringt diese Bundesregierung auch auf den Weg.

(Beifall)

Abschließend noch einen Satz zum Kartellamt. Ich bin sehr dankbar dafür, dass Bundeswirtschaftsminister Habeck das Kartellamt gebeten hat, sehr zeitnah und intensiv zu prüfen - anweisen kann man es nicht; das finde ich auch gut und richtig, dass das Kartellamt unabhängig ist. Diese Prüfung läuft. Wir wissen alle, in welche Richtung es gehen wird. Tatsächlich ist es doch so, dass im Moment   deswegen wäre der Tankrabatt auch das falsche Mittel gewesen   die Spritpreise künstlich hochgehalten werden. Die Mineralölunternehmen machen Gewinne, die exorbitant sind. Das geht zulasten aller. Das dürfen wir nicht dulden.

Wir wissen, im Moment ist die Situation noch so, dass nicht ein Tropfen Öl nicht ankommt.


Vizepräsident Wulf Gallert:

Frau Lüddemann, wir können die Situation jetzt nicht mehr beschreiben, weil wir am Ende der Redezeit angelangt sind. Herzlichen Dank.

(Beifall)

Sie haben aber die Chance, auf zwei Fragen zu reagieren. Die erste Frage kommt von Herrn Lange.


Cornelia Lüddemann (GRÜNE):

Mal sehen.


Vizepräsident Wulf Gallert:

Sie wollen sie eventuell beantworten. Das gibt Herrn Lange die Chance, sie zu stellen. - Bitte sehr.


Hendrik Lange (DIE LINKE):

Frau Lüddemann, es ist noch nicht ganz klar. Zumindest haben wir hier eine Nachricht bekommen, dass der Tankrabatt wohl käme. Ist Ihnen etwas bekannt? Sollte sich die FDP doch durchgesetzt haben?

Ich frage das vor folgendem Hintergrund. Es ist im Moment nicht ein Tropfen Öl weniger auf dem Markt. Es ist nicht ein Kubikmeter Gas weniger auf dem Markt.


Cornelia Lüddemann (GRÜNE):

So ist es.


Hendrik Lange (DIE LINKE):

Trotzdem haben wir Preise, die durch die Decke tanzen.


Cornelia Lüddemann (GRÜNE):

Ja.


Hendrik Lange (DIE LINKE):

Es ist schön, dass wir staatlich versuchen, uns bei den Steuern zu begrenzen und damit eine Entlastung herbeizuführen. Aber was schützt uns denn jetzt davor, dass nicht im gleichen Atemzug die Konzerne die Preise so erhöhen, dass sie ihre Gewinne weiter abschöpfen können? Welche Grenze nach oben wird denn jetzt staatlich eingezogen? Frau Eisenreich hat ja den Vorschlag gemacht, die Gewinne wie in anderen Ländern abzuschöpfen und dann umzuverteilen. Gibt es einen Mechanismus, der auf der Bundesebene gefunden wurde, oder ist es wieder nicht möglich?


Vizepräsident Wulf Gallert:

Sie haben das Wort, Frau Lüddemann.


Cornelia Lüddemann (GRÜNE):

Ich will noch einmal berichten, was erst heute ausgehandelt wurde, dass tatsächlich die Energiesteuer zunächst für drei Monate abgesenkt wird, was 30 Cent weniger pro Liter Benzin und 14 Cent weniger pro Liter Diesel bedeutet. Das ist ein sehr unmittelbar erlebbarer Effekt.

(Zustimmung - Zuruf von Hendrik Lange, DIE LINKE)

Ansonsten haben Sie völlig recht - das habe ich auch berichtet  , das, was wir im Moment haben, sind künstlich hochgehaltene Preise. Wir haben   darin gebe ich Ihnen völlig recht   noch keinen Tropfen Öl, der nicht angekommen ist   wir wissen nicht, wie es morgen oder in einer Woche aussieht; im Moment ist es so  , und wir haben noch keinen Kubikmeter Gas, der nicht angekommen ist. Das ist so.

Wir haben die Situation, dass das Bundeskartellamt jetzt in Prüfung ist. Sie haben vielleicht auch wahrgenommen, dass Bundeswirtschaftsminister Habeck jetzt prüft, wie man in Deutschland genau eine solche Kriegsgewinnlersituation beseitigen kann, wie man eine zusätzliche Steuer einführen kann,

(Guido Heuer, CDU: Klar, Mann, Kriegsgewinnler!)

wie man tatsächlich tätig werden kann, um all diese Kriegsgewinnlersachen irgendwie zu streichen.

Das finde ich auch völlig richtig; denn das geht in die völlig falsche Richtung. Das ist etwas, das wir hier dann quasi alle mitbezahlen und wenige Konzerne haben einen Profit davon. Das finde ich falsch. Ich finde es gut, und ich hoffe sehr, dass so schnell wie bei diesen Ad-hoc-Maßnahmen und auch bei den mittelfristigen Maßnahmen eine strukturelle Maßnahme der Bundesregierung auch in diese Richtung geht. Da bin ich völlig bei Ihnen.


Vizepräsident Wulf Gallert:

Es gibt noch eine Frage von Herrn Siegmund. Wollen Sie die beantworten? - Sie können sie erst einmal stellen, Herr Siegmund. Sie weiß es noch nicht.


Ulrich Siegmund (AfD):

Danke, Herr Präsident. - Frau Lüddemann, ich habe noch eine Frage. Ich habe eigentlich gedacht, dass Sie von sich aus darauf eingehen, weil ich das in meiner Debattenrede intensiv hervorgehoben habe   ich wiederhole es  : Wir müssen uns schnellstmöglich aus der Abhängigkeit von Putin befreien. Die GRÜNEN führen uns gerade in eine neue Abhängigkeit, nämlich in die Abhängigkeit von Katar. Ich habe die Situation in Katar vorhin geschildert.

Ich möchte Sie fragen: Ist Ihnen die Menschenrechtssituation, insbesondere die der Frauen und der Homosexuellen, in Katar mehr wert als das Ziel, dass wir aus der Abhängigkeit von Russland herauskommen? Was ist Ihnen mehr wert? Das würde mich interessieren. - Danke.


Vizepräsident Wulf Gallert:

Sie können antworten, wenn Sie wollen, Frau Lüddemann.


Cornelia Lüddemann (GRÜNE):

Ich will sehr offen sagen, dass ich sehr unglücklich bin über die Verhandlungen mit Katar. Katar ist kein Land, mit dem wir Geschäfte machen sollten. Und es ist erst recht kein Land, mit dem wir gern Geschäfte machen. Ich sehe auch nicht, dass irgendein Mitglied der Bundesregierung das sehr gern tut.

Ich sehe aber, dass wir eine hohe Abhängigkeit haben. Sie wissen, dass allein im Gasbereich 55 % unserer Lieferungen aus Russland kommen. Das müssen wir kompensieren. Wir haben alle gemeinsam eine Verantwortung für energieintensive Unternehmen, auch hier in Sachsen-Anhalt. Wir haben eine Verantwortung dafür, dass unsere Menschen nicht in eiskalten Wohnungen sitzen. Wir haben eine Verantwortung dafür, dass es weiterhin Strom gibt. Dafür muss in einem Übergangszeitraum entsprechend gehandelt werden.

Sie wissen auch, dass es in Katar um grünen Wasserstoff ging, dass es um Solarenergie ging und dass man dort versucht, einen Drahtseilakt zu vollziehen, der eine Übergangszeit definiert. Im Moment ist es tatsächlich so, dass Putin der größte Feind ist und dass wir so schnell wie möglich von der Abhängigkeit von Russland wegmüssen.

(Zustimmung)