Prof. Dr. Armin Willingmann (Minister für Wissenschaft, Energie, Klimaschutz und Umwelt):

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es wurde auf die Fünfminutendebatte hingewiesen. Ich nehme es auch gar nicht nicht persönlich, Herr Präsident, sondern ich sehe es als einen allgemeinen Appell an alle an.


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Ja, selbstverständlich.


Prof. Dr. Armin Willingmann (Minister für Wissenschaft, Energie, Klimaschutz und Umwelt):

Meine Damen und Herren! Wie schnell sich Dinge in der Weltpolitik und in Europa verändern können, das konnten wir in den letzten 48 Stunden, in den letzten 24 Stunden, im Grunde muss man sagen, in den letzten sechs Stunden erleben. Ein nicht unwesentlicher Teil unserer Friedensordnung in Europa scheint mit dem Überfall Russlands auf die Ukraine im Moment außer Kraft gesetzt worden zu sein. Dazu haben wir uns heute Vormittag ausgetauscht und wir haben   jedenfalls in diesem Teil des Saales   einen sehr breiten Konsens erzielt; denn wir dürfen nicht tatenlos zusehen, wenn das Völkerrecht verletzt wird, wenn wieder Krieg in Europa droht, wenn Erpressung oder Gewalt zur Durchsetzung politischer Ziele genutzt werden.

Gleichwohl   das wird man an dieser Stelle feststellen müssen   wird sich die Krise auch auf die wirtschaftliche Entwicklung und auch auf unsere Situation auswirken. Das müssen wir betonen, auch wenn wir uns darüber einig sind, dass in einer solchen Situation scharfe Sanktionen unvermeidlich sind. Unsere Werteordnung ist nicht aufrechenbar. Die Einzelheiten sind noch nicht absehbar. Aber dass dieser Konflikt sich auf den Energiemarkt auswirkt, liegt nahe.

In den vergangenen Monaten war im Wesentlichen die weltweit anziehende Konjunktur Treiber der Energiepreise. Unsere aktuellen Gasreserven reichen aus, um über diesen Winter zu kommen, selbst bei einer weiteren Zuspitzung. Aber wir werden mit krisenbedingten Preissteigerungen rechnen müssen. Über diese Preisentwicklung haben wir hier im Hause wiederholt diskutiert. Ich glaube, es ist jetzt die vierte Landtagssitzung in Folge, in der wir das tun.

Nun hat die Bundesregierung aber reagiert. Sie haben es in Ihrem Antrag und bei Ihrer Einführung freundlicherweise genannt. Ja, die EEG-Umlage wird zum 1. Juli 2022 abgeschafft und es wird Heizkostenzuschüsse geben. Es wird 135 € pro Person geben, 175 € bei Zwei-Personen-Haushalten. Selbst die Bafög-Empfänger   das darf ich als Wissenschaftsminister sagen   werden durch einen einmaligen Zuschuss von 115 € begünstigt.

Das sind erste wichtige Schritte, das muss man deutlich sagen. Ob sie in der Höhe angemessen sind, darüber kann man streiten; aber sie sind erst einmal unglaublich kurzfristig erreicht worden, und das darf man, bitte schön, auch einmal positiv erwähnen.

(Beifall)

Es wird wichtig sein, auch über regulatorische Eingriffe nachzudenken, insbesondere im Hinblick auf die kurzfristigen Kündigungsmöglichkeiten von Lieferanten. Selbstverständlich muss uns dieses Modell, das offenbar davon ausgeht, dass die Kunden durch Rückfall in die Grund- und Ersatzversorgung irgendwie gesichert sind, stören. Auch da muss die Bundesregierung noch einmal herangehen.

(Zustimmung)

Ich habe Ihnen in meinen Debattenbeiträgen im letzten Jahr gesagt, was man noch steuern könnte: die Stromsteuer auf das europäische Minimum absenken, auch die Mehrwertsteuer vorübergehend anpassen. Das alles sind Optionen, und interessanterweise sind es Optionen, die derzeit im Bundesrat durch Anträge aus ganz unterschiedlicher Richtung und unterschiedlichen Ländern bereits eingebracht worden sind. Wir werden darüber also auch im Bundesrat zu reden haben.

Der Koalitionsausschuss der Ampelkoalition hat ebenfalls einige Dinge auf den Weg gebracht. Gewiss, manches wirkt nicht von heute auf morgen. Das ist allerdings bei politischen Aktionen und bei Rechtsetzungen gottlob selten so, aber es wirkt doch im Laufe des Jahres. Natürlich: die Werbungskostenpauschale, die erhöht wurde, der Arbeitnehmerpauschbetrag   für die Experten unter uns  , der höhere Freibetrag, der Grundfreibetrag, der sich erhöht. Übrigens   das ist jetzt für Sie, die im vergangenen Jahr häufiger Diskussionen zur wirtschaftlichen Lage mitgemacht haben   wird auch der Verlustvortrag noch einmal einer genaueren Betrachtung unterzogen und erleichtert.

Meine Damen und Herren, all das sind erste Maßnahmen, die vernünftig sind. Deshalb ist es auch richtig, dass die Koalition im Bund   sie ist für diese Änderungen zuständig   versucht, dies kurzfristig auf den Weg zu bringen.

Was bisher nicht dazugehört, ist eine Abschaffung des CO2-Preises. Für Generalkritik an der Energiewende   sie kommt nicht unerwartet aus der AfD   ist im Moment kein Raum. Richtig ist, dass die Bundesregierung daran arbeiten sollte, den CO2-Preis sozial gerecht umzulegen. Dies tut sie bspw., wenn sie auf ein Teilungsmodell zwischen Mietern und Vermietern hinauswill. Dass dies jetzt in einem Stufenmodell vorgeschlagen wird, ist ein angemessener Weg. Dazu gehört auch eine Klimaprämie; auch dies wird man jetzt im Weiteren diskutieren müssen. Aber der Klimaschutz an sich, die Existenzfrage unserer Zeit, wird nicht infrage gestellt. Er muss auch weiterhin verfolgt werden.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluss kommen. Wir müssen   das ist die Erkenntnis aus dem Überfall, aber auch aus der wirtschaftlichen Entwicklung bzw. der Entwicklung des Gaspreises der letzten Monate   autarker werden. Nicht autark, wie Sie von der AfD es meinen: In einer globalisierten Welt, in der wir davon leben, dass der Export aus unserem Land gut funktioniert und dass wir Waren importieren können. Autark wird man in dieser Welt nicht mehr und das muss man auch nicht. Das ist ein geradezu provinzielles Weltbild.

(Zustimmung)

Aber autarker, unabhängiger davon, dass man nur noch einen Lieferanten hat, der schon 55 % des Gases liefert, das ist zu wenig; das muss korrigiert werden. Aber auch dies hat die Bundesregierung erkannt. Wir werden sie dabei unterstützen. - Vielen Dank.

(Beifall)


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Sehr geehrter Herr Minister, Herr Kollege Moldenhauer eine Nachfrage.

(Zuruf)


Dr. Jan Moldenhauer (AfD):

Vielen Dank. - Herr Minister, Sie haben sich gerade gegen die Abschaffung der CO2-Abgabe ausgesprochen und dafür plädiert, dass sie beibehalten werden soll. Was sagen Sie denn zu dem Umstand, dass laut einer doch relativ aktuellen Umfrage aus dem September 2021  80 % der Sachsen-Anhalter die Abschaffung dieser CO2-Abgabe fordern?


Prof. Dr. Armin Willingmann (Minister für Wissenschaft, Energie, Klimaschutz und Umwelt):

Wissen Sie, zu einer seriösen Politik gehört auch, sich nicht dem Populismus zu ergeben und zu sagen: Wenn eine Mehrheit irgendetwas will, dann muss ich daraus sofort einen Schluss ziehen.

(Lachen - Zurufe)

Vielmehr gehört zu einer seriösen Politik auch, Vor- und Nachteile aufzuzeigen.

(Zuruf)

Herr Moldenhauer, wenn Sie die Menschen fragen, ob sie mehr Geld für etwas bezahlen wollen, dann ist die Bereitschaft, dem zuzustimmen, wahrscheinlich nicht nur bei den Mitgliedern Ihrer Partei verhältnismäßig gering. Wenn Sie sie abwägen lassen zwischen den Dingen, die zur Auswahl stehen   nämlich jetzt über den CO2-Preis die Klimawende einzuleiten oder in Zukunft die Folgen des Klimawandels unmittelbar ausgleichen zu müssen, nach Starkregenereignissen, nach Naturereignissen, für die wir erheblich mehr Mittel aufwenden müssen  , dann wird man möglicherweise zu einem anderen Ergebnis kommen. Nein, Herr Moldenhauer, ich bin nicht der Richtige für Ihren Populismus.

(Zustimmung)


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Danke. - Es gibt eine weitere    

(Dr. Jan Moldenhauer, AfD: Entschuldigung, ich hätte noch eine kurze Nachfrage, ich habe mich auch gerade kurzgehalten!)

- Ja, bitte.


Dr. Jan Moldenhauer (AfD):

Sie werben jetzt nicht zum ersten Mal für die CO2-Steuer; Sie haben es heute erneut getan. Nun frage ich Sie als Energieminister: Wenn   ich sage es einmal im Umkehrschluss   nur 20 % der Sachsen-Anhalter sagen: „Na ja, mit der CO2-Abgabe können wir schon irgendwie leben, die muss nicht abgeschafft werden“ - was sagen Sie denn dann zu Ihrer Überzeugungskraft gerade in den letzten Monaten? Damit scheint es ja nicht sehr weit her gewesen zu sein.


Prof. Dr. Armin Willingmann (Minister für Wissenschaft, Energie, Klimaschutz und Umwelt):

Herr Moldenhauer, ich habe befürchtet, dass Sie solche kurzen Schlüsse ziehen.

(Lachen und Zustimmung)

Als ob die Umfrage     Von wann war sie noch einmal?


Dr. Jan Moldenhauer (AfD):

September 2021. Das ist ein sehr logischer Schluss.


Prof. Dr. Armin Willingmann (Minister für Wissenschaft, Energie, Klimaschutz und Umwelt):

Ja, herzlichen Glückwunsch! Schauen Sie noch einmal auf den Kalender, wann diese Landesregierung ihre Arbeit begonnen hat, und dann schauen Sie sich übrigens auch einmal die Entwicklung an, die wir im Moment in der Wählergunst erfahren. Vielleicht kann man dann doch eine etwas nüchternere Einschätzung nehmen. Es mag sein, dass die Überzeugungskraft meiner Argumente im September 2021 noch nicht so große war. Es kommt aber auch gar nicht auf meine Überzeugung an.

(Zuruf)

Ich habe Ihnen gerade gesagt, entscheidend ist für uns als Landesregierung: Wir brauchen einen vernünftigen Umgang mit der CO2-Abgabe. Sie muss sozial ausgestaltet werden, das ist es.

(Zustimmung)

Aber der Klimaschutz ist ein zentrales Ziel dieser Landesregierung.

(Dr. Jan Moldenhauer, AfD: Na ja, also, die SPD war ja auch vorher schon in der Regierung!)


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Stopp! Stopp! Herr Moldenhauer, wir sind ja noch im Geschäft. Danke, okay. Wir verstehen uns schon. Das klappt gut. - Herr Scharfenort möchte gern eine Frage stellen.

(Zurufe)


Jan Scharfenort (AfD):

Herr Minister, Sie haben einige Sofortmaßnahmen genannt. Es sind auch einige richtige Punkte und Aspekte dabei. Sie sind aber trotzdem der Meinung, dass wir bei der dümmsten Energiepolitik der Welt bleiben sollten, also zu maximal hohen volkswirtschaftlichen Kosten. Sind Sie der Meinung, dass wir damit weiterhin wettbewerbsfähig sein bzw. bleiben werden, besonders hier in Sachsen-Anhalt, und die Deindustrialisierung vermeiden können?

Wir haben es mittlerweile auch in den Ausschüssen mit den Problemen zu tun, was die Automobilzulieferindustrie betrifft. Da bekommen Sie eine ganz klare Meinung. Sie können sich die Stadtwerke anhören. Wenn das so weitergeht, wird es hier zu einer Deindustrialisierung kommen. Wir müssen also mit den volkswirtschaftlichen Kosten für die Energiewende herunter, und dazu möchte ich von Ihnen ein Konzept hören.

(Zuruf)


Prof. Dr. Armin Willingmann (Minister für Wissenschaft, Energie, Klimaschutz und Umwelt):

Herr Abgeordneter, noch einmal: In den vergangenen fünf Jahren gab es mehr Ansiedlungen industrieller Art in Sachsen-Anhalt als in den zehn Jahren davor.

(Zustimmung)

Es sind mehr Arbeitsplätze in diesem Bereich geschaffen worden als vorher. Wir haben es geschafft, den Bereich der erneuerbaren Energien auch arbeitsplatztechnisch so stark zu untersetzen, dass er heute zu einem großen Bereich unserer Arbeitgeber gehört. Es sind fast so viele Arbeitsplätze, wie wir in der Automobilindustrie haben: etwas über 20 000. Das ist keine Deindustrialisierung. Sie können hier jetzt weiter den Teufel an die Wand malen, aber die Dinge, die sich in den letzten Jahren entwickelt haben, werden wir auch weiter fortsetzen. Das sehen Sie übrigens auch an möglichen Ansiedlungen, von denen wir jetzt gerüchteweise hören.

Mit anderen Worten: Gewiss müssen wir unsere Energiepreise im Blick behalten. Nur, die viertgrößte Volkswirtschaft der Welt hat sie bisher ganz gut verkraftet, trotz der Kassandrarufe der AfD.

(Zustimmung)