Dr. Heide Richter-Airijoki (SPD):

Danke, Herr Präsident. - Meine Damen und Herren Abgeordneten! Japan als migrationspolitisches Vorbild - dieser Antrag reflektiert auf einen bundespolitischen Programmpunkt der AfD; groß angekündigt, als Paradigmenwechsel. Eingetreten ist der Paradigmenwechsel allerdings in Japan mit einem neuen, Anfang 2019 erlassenen Gesetz. Es sieht die Anwerbung hoch qualifizierter, aber auch angelernter und anzulernender Arbeitskräfte aus dem Ausland vor.

(Beifall)

Und zwar ohne die Beschränkung auf sogenannte Remigration von Menschen japanischer Abstammung. Das neue Gesetz entstand aus schierer Notwendigkeit.

Auch wenn in Japan z. B. schon Pflegeroboter im Einsatz sind und sogar die Kommunikation übernehmen, ist der Bedarf an Arbeitskräften groß. Die Pflege ist nur ein Beispiel dafür.

Ich kann hier nicht auf die erforderlichen umfassenden Maßnahmen zur Behebung des Fachkräftemangels eingehen. Vielmehr beschränke ich mich auf das Antragsthema Remigration. Remigration umfasst im Sprachgebrauch der AfD, wenn auch im vorliegenden schriftlichen Antrag unausgesprochen, nicht nur das Hereinholen, sondern vor allem das Abschieben auf der Basis von Abstammung. Björn Höcke sprach von einem groß angelegten Remigrationsprojekt, bei dem man nicht um eine Politik der wohltemperierten Grausamkeit herumkommen werde.

Dieser Antrag ist aus der Zeit gefallen, in mehr als einer Hinsicht. Ich empfehle, ihn abzulehnen. Ich möchte zudem auf Folgendes hinweisen: Wie so viele, wenn in letzter Zeit nicht sogar alle Anträge der AfD-Fraktion, so hat auch der vorliegende Antrag einen engen Bezug zu Publikationen und Netzwerken des selbst ernannten Instituts für Staatspolitik, IfS, in Schnellroda bei Naumburg, im konkreten Fall auch zu einer Publikation von Ihnen, Herr Dr. Moldenhauer.

Das IfS pflegt Gedankengut von Autoren der 1920er- und 1930er-Jahre, die wegbereitend für das NS-Regime waren. Nach eigenen Angaben will es einen geistigen Bürgerkrieg führen. Eine IfS-Schrift   und zwar diese hier   forderte dazu auf, allgemeines Unbehagen zu mobilisieren.

Der Umsetzung solcher Strategien begegnen wir mittlerweile ständig, auch in diesem Hause. Jede Methode und jeder für Mobilisierung herangezogene Inhalt, egal wie falsch, alles scheint recht zu sein, wenn es darum geht, Misstrauen gegen Prozesse und Institutionen des verhassten Systems zu schüren. Mit der Tendenz zu einer immer engeren Anlehnung der AfD an die Vordenker in Schnellroda und deren ideologisches Gepäck sollten wir uns aufmerksam auseinandersetzen. Mit „wir“ meine ich durchaus auch die 21 Herren und die zwei Damen der AfD-Fraktion selbst. - Vielen Dank.

(Beifall)


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Herr Dr. Moldenhauer.


Dr. Jan Moldenhauer (AfD):

Vielen Dank. - Sie haben jetzt hauptsächlich zum Institut für Staatspolitik gesprochen.

(Zuruf: Stimmt nicht!)


Dr. Heide Richter-Airijoki (SPD):

Ja.


Dr. Jan Moldenhauer (AfD):

Das war im Prinzip natürlich alles Unfug, den Sie von sich gegeben haben.

(Zurufe: Oh! - Zuruf: Den Japan-Teil haben Sie verpasst!)


Dr. Heide Richter-Airijoki (SPD):

Keineswegs.


Dr. Jan Moldenhauer (AfD):

Aber gut, das dürfen Sie tun. Es ist nicht verboten.

(Zuruf: Es ging auch um Japan!)

Abgesehen davon haben Sie auf eine Gesetzesänderung angespielt, die zum 1. April 2019 in Kraft getreten ist. Zu meiner Studie, die Sie dankenswerterweise auch erwähnt haben  


Dr. Heide Richter-Airijoki (SPD):

Von 2018!


Dr. Jan Moldenhauer (AfD):

genau, vielen Dank für die Werbung   habe ich im Jahr 2019 einen Folgeartikel in der „Sezession“ geschrieben. Darin geht es um die Anwerbung von 345 000 Gastarbeitern innerhalb von fünf Jahren. Diese bleiben fünf Jahre und dann gibt es eine eingebaute Rückkehrpflicht. Die Gastarbeiter dürfen keine Familienmitglieder mitbringen. Sie werden aus ostasiatischen, also kulturnahen Ländern für Tätigkeiten in 14 Branchen angeworben und können aufgrund der in Japan höheren Löhne Ersparnisse bilden. Sie kehren dann ihre Heimat zurück und können sich dort im Prinzip wirtschaftlich entfalten. Das ist eine runde Sache. Zu allen weiteren Aspekten des japanischen Zuwanderungsmodells sage ich gleich noch etwas.


Dr. Heide Richter-Airijoki (SPD):

Darf ich darauf erwidern?


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Das dürfen Sie.


Dr. Heide Richter-Airijoki (SPD):

Aber auch die neue Einwanderungsbehörde in ihrer jetzigen Form ist 2019 geschaffen worden. Sie bietet Seminare an, wie man Ausländerinnen und Ausländer anlocken kann. Zu dem, was Sie darstellen: Die Anwerbung bezieht sich auf einen kurzen Zeitraum. Die Zahl, die Sie bezüglich der Remigration genannt haben, bezog sich auf einen viel längeren Zeitraum. Dort findet also wirklich ein Paradigmenwechsel statt, aus gutem Grund.

Es gibt noch ein interessantes Buch: „Japan, Abstieg in Würde: Wie ein alterndes Land um seine Zukunft ringt“. Darin werden die Probleme angesprochen, die Japan jetzt mit diesem Paradigmenwechsel beantwortet. Daraus können wir lernen.

(Zustimmung)