Tagesordnungspunkt 17

Beratung

Kunst und Kultur sind mehr als Unterhaltung

Antrag Fraktion DIE LINKE - Drs. 8/629


Einbringer ist der Abg. Herr Gebhardt. Es ist eine Dreiminutendebatte vereinbart worden. - Herr Gebhardt, Sie haben das Wort.


Stefan Gebhardt (DIE LINKE):

Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir hatten, glaube ich, noch keine kulturpolitische Debatte in dieser Legislaturperiode. Herr Robra, der Kulturminister unseres Landes, hat uns dazu veranlasst, diesen Antrag zu stellen.

Herr Robra, in den letzten Wochen müssen Ihnen öfter einmal die Ohren geklingelt haben. Es gab eine medienpolitische Debatte, in der die Leute missverstanden wurden und in der man sich im Endeffekt auf einen Vorschlag berufen hat, den Sie hinsichtlich einer Umgestaltung des Ersten Deutschen Fernsehens vor Jahren einmal gemacht hatten. Es gab dafür aber keine Mehrheit. Es stellte sich dann heraus, dass dieser Vorschlag innerhalb der Koalition gar nicht abgestimmt worden ist und im Moment gar kein Beratungsgegenstand in der Beratung zu dem neuen Rundfunkstaatsvertrag ist. Doch auch dort hatte man versucht, auf Sie Bezug zu nehmen und Ihre Ideen, die Sie in die Öffentlichkeit gebracht haben, produktiv umzusetzen.

Ähnlich ist es bei dem Kulturantrag. Sie haben einen bemerkenswerten Appell an die Kulturschaffenden des Landes gerichtet, der auch medial eine Rolle gespielt hat und auf den es entsprechende Reaktionen aus der Kulturlandschaft gegeben hat. Wir als Oppositionsfraktion haben uns gedacht, das wäre doch einmal eine Gelegenheit, auch für uns als Opposition, positiv auf das, was der Kulturminister gesagt hat und wofür er appelliert hat, Bezug zu nehmen und ihm im wahrsten Sinne des Wortes Geleitschutz zu geben.

(Zustimmung)

Was hat Herr Robra gemacht? - Herr Robra hat gesagt: Wir befinden uns mitten in der Haushaltsaufstellung. Für diese bin ich als Minister in dem Ressort Kultur zuständig. Wir haben aber eine schwierige Situation und ich werde mich gegenüber meinem Finanzminister, der gern die Taschen zuhält,

(Zuruf: Was?)

wahrscheinlich nicht durchsetzen können.

(Zuruf: Doch, doch, doch!)

Liebe Kulturschaffende des Landes, unterstützt mich doch bitte dabei. Unterstützt mich dabei, indem ihr noch einmal zu euren Abgeordneten geht und ihnen erläutert, wie wichtig die Kultur in diesem Land ist.

Herr Robra, das ist jetzt gar keine Ironie. Ich nehme Ihnen das wirklich ab. Ich nehme es Ihnen wirklich ab   so habe ich Sie in den letzten Jahren in Ihrer Funktion als Kulturminister kennen- und durchaus schätzen gelernt  , dass Sie ein Streiter für die Kultur sind. Ich finde es auch nicht schlimm, wenn man ein solches Eingeständnis in dieser Situation öffentlich verkündet und sagt: Es wird schwierig, die Bedarfe so zu sichern, wie sie notwendig sind, um gerade nach der Pandemie die Kulturlandschaft wieder nach vorn zu bringen, um insbesondere der freien Szene wieder einen Schub zu geben, um das zu sichern, was unser Kulturland Sachsen-Anhalt seit Jahren ausmacht.

(Zustimmung)

Wir haben an den Reaktionen der Kulturschaffenden gemerkt, dass ein solcher Appell von Ihnen erst einmal als ungewöhnlich empfunden wurde und hier und da vielleicht auch falsch interpretiert wurde. Wir wollen dies nicht als Schwäche interpretieren, sondern wir wollen es wirklich positiv nach vorn aufmachen.

Deswegen haben wir uns gesagt: Machen wir doch einmal einen Antrag und geben dem Hohen Haus die Möglichkeit zu sagen: Der Kulturminister in unserem Land hat recht; wir wollen ihn schon jetzt unterstützen und wollen rechtzeitig, schon während der Haushaltsaufstellung, das Signal geben, und zwar an die komplette Landesregierung, dass wir unsere Kulturlandschaft in Sachsen-Anhalt so schätzen, wie wir sie schätzen, dass sie finanziell untersetzt werden soll und dass Herr Robra als Kulturminister auch die Summen haben kann und haben muss, die er als notwendig erachtet, um unsere Kulturlandschaft in Sachsen-Anhalt zu erhalten.

Deswegen haben wir das so aufgeschrieben:

„Der Landtag sichert dem Kulturminister bei der Aufstellung des kommenden Landeshaushaltes Unterstützung dahingehend zu, dass der Kulturetat des Landes deutlich erhöht wird, um die Folgen der Pandemie abzumildern.“

Herr Robra, ich glaube wir haben Ihnen mit Punkt 2 unseres Antrags aus dem Herzen gesprochen, wenn wir Ihren Aufruf, Ihren Appel richtig verstanden haben.

(Zuruf)

Nun kommen wir auf die Situation, wie sie sich im Moment in der Kulturlandschaft darstellt, zu sprechen. Dabei ist natürlich der Fokus auf die freie Szene zu richten. Herr Robra hat in dem Interview deutlich gesagt, natürlich seien die von den Kommunen unterhaltenen Theater und Orchester, ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erst einmal weitestgehend abgesichert. Natürlich müssen wir auch darauf einen Fokus haben, da die Einspielergebnisse nicht stimmten, Defizite entstanden sind, die die Kommunen tragen müssen usw. Aber ich gebe Ihnen darin recht, dass der Fokus auf denjenigen liegen muss, die gar keine Absicherung hatten, die auf Almosen angewiesen waren, die eventuell ihren freien Theaterberuf kurzzeitig an den Nagel gehängt haben. Diejenigen müssen wir motivieren, wieder künstlerisch für uns im Land tätig zu sein, weil wir den kulturellen Reichtum, den wir seit Jahren in Sachsen-Anhalt hatten, nicht missen wollen, meine Damen und Herren.

Ich möchte auf ein zweites Thema hinweisen. Kultur ist nicht nur Unterhaltungskultur, Kultur ist vor allem auch Bildung. Wir haben in den letzten Jahren das eine oder andere Mal an konkreten Projekten erfolgreich darüber gestritten, welche Kunst- und Kulturförderung gerade für Kinder und Jugendliche wichtig ist. Dabei haben wir uns im großen Konsens darauf geeinigt, dass alle Grundschülerinnen und Grundschüler die Möglichkeit haben sollten, unabhängig vom Geldbeutel ihrer Eltern einmal ein Theatererlebnis zu haben.

Nun schauen wir uns einmal an, wie viele Theatererlebnisse die ersten und zweiten Klassen in der Pandemie in den letzten beiden Jahren hatten. - So gut wie keine. Der Konsens bestand darin - an diesen möchte ich erinnern -: Wer im Kindesalter keinen Zugang zu Theater, Orchester und Kultur hatte, der wird ihn auch später kaum erlangen.

Frühkindliche Bildung ist etwas sehr Wichtiges. Das müssen wir in Sachsen-Anhalt weiterhin hochhalten. Wir müssen vor allen Dingen die Mittel dafür zur Verfügung stellen,

(Zustimmung)

damit die Organisationen, damit das Landeszentrum Spiel und Theater, damit die Kommunen und damit die Einrichtungen sich wieder miteinander vernetzen können und unseren Kindern und Jugendlichen diese Programme und diese Erlebnisse anbieten können. Wir haben verschiedene Kooperationsprogramme zwischen allgemeinbildenden Schulen und Kultureinrichtungen, die in den letzten Jahren brachgelegen haben und bei denen wir wissen, dass wir darin wieder investieren müssen, wenn sie wieder laufen sollen. Ich denke z. B. an die Musikschulen und an das Projekt „Musische und ästhetische Bildung“, bei dem die Musikschulen in die allgemeinbildenden Schulen gehen. Das hat so wenig stattgefunden, wie zum Teil auch Sportunterricht stattgefunden hat. Beides ist enorm wichtig. Beides muss wieder verstärkt angeboten werden. Beides braucht auch eine entsprechende Ausstattung.

Ich will jetzt gar nicht so weit gehen. Ich will noch einen Punkt nennen, zu dem ich in meinem privaten Umfeld vieles erlebt habe. Sehr geehrter Herr Schumann, wir haben vorhin kurz miteinander gesprochen. Sie haben dankenswerterweise die Nachfolge des auch von mir geschätzten Kollegen Schomburg als Präsident des Chorverbandes im Land Sachsen-Anhalt übernommen. Wir hatten eine so große Dichte an Chören, gerade im ländlichen Raum. Ich erzähle aus meinem privaten Bereich: Meine Mutter hat im Chor gesungen. Mein großer Sohn hat auch im Schulchor gesungen. Der eine Chor ist nicht mehr existent und der andere Chor liegt seit Ewigkeiten brach. Das sind ja nur einzelne Beispiele, die man persönlich mitbekommt. Es betrifft auch viele andere. Deswegen haben wir ein großes Interesse daran - das will ich ausdrücklich benennen -, die Chorlandschaft in Sachsen-Anhalt wieder zu unterstützen.

(Zustimmung)

„Wo man singt, da lass dich ruhig nieder, böse Menschen haben keine Lieder.“

Herr Schumann, an dieser Stelle müssen wir gemeinsam agieren und wir müssen gemeinsam dafür streiten, dass auch die Chorszene in Sachsen-Anhalt wieder die Unterstützung erfährt, die sie erfahren muss, damit es wieder anlaufen kann.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, ich habe jetzt einige Beispiele genannt. Das Kopfnicken auch von den Koalitionsfraktionen macht deutlich, dass wir an dieser Stelle wahrscheinlich auf einen Konsens zusteuern. Ich kann mir schon vorstellen, dass Sie den Antrag natürlich nicht direkt annehmen.

(Zuruf)

Aber wenn er denn an den Ausschuss überwiesen wird, dann bitte ich darum, dass wir ich auch schleunigst behandeln und dass wir dann unserem Kulturminister die Unterstützung geben, die er und die Kulturlandschaft in Sachsen-Anhalt auch verdient haben. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Zustimmung)