Henriette Quade (DIE LINKE):

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Meine Damen und Herren! Die AfD-Fraktion legt heute, wie so oft, dem Landtag einen Antrag vor, der nicht nur politisch, sondern auch handwerklich und juristisch nicht überzeugt. Ich möchte das zunächst an den drei letzten Punkten dieses Antrages deutlich machen.

Die Versammlungsbehörden sind wie die Verwaltung insgesamt an das Gesetz gebunden. Die Rechtsbindung der Verwaltung ergibt aus Artikel 20 Abs. 3 des Grundgesetzes. Demnach ist kein Handeln ohne Gesetz zulässig und kein Handeln gegen das Gesetz. Wir sprechen hierbei von einem Vorbehalt des Gesetzes und dem Vorrang des Gesetzes.

Dazu gehört auch, dass Maßnahmen von Versammlungsbehörden und Polizei verhältnismäßig sein müssen. Die Landesregierung ist im Wege der Fach- und Rechtsaufsicht schon jetzt damit beauftragt, und zwar durch Gesetze und nicht durch einfache Beschlüsse des Landtags, für die Einhaltung geltenden Rechts durch die vollziehenden Behörden Sorge zu tragen. Der Beschluss, den die Antragsteller gemäß Punkt 4 des Antrages herbeiführen wollen, ändert nichts an dieser Rechtslage. Damit würde die Landesregierung lediglich beauftragt werden, weiter wie bisher zu verfahren. Das gilt auch für Punkt 5 des Antrages; denn auch hier greift die Rechtsbindung der Verwaltung.

Punkt 6 des Antrages würde im Falle einer Beschlussfassung eine ganze Reihe verfassungsrechtlicher Probleme aufwerfen; denn es ist nicht erkennbar, dass der Landtag der Polizei unter Durchbruch des Grundsatzes der Gewaltenteilung Weisung für einzelne Versammlungslagen erteilen kann. Darüber hinaus würde der Landtag die Polizei hiermit zum Rechtsbruch auffordern, da sie angehalten wäre, eine rechtlich wirksame Verbotsverfügung einer Versammlung nicht durchzusetzen, was jedoch der gesetzliche Auftrag der Polizei ist - der gesetzliche Auftrag, den dieser Landtag der Polizei mit Beschluss des Sicherheits- und Ordnungsgesetzes und des Versammlungsgesetzes gegeben hat.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Warum erzähle ich Ihnen das? - Ich erzähle Ihnen das, weil dieser Antrag ein besonders gutes Beispiel dafür ist, wie die AfD-Fraktion nicht nur die Zeit dieses Landtages verschwendet, wie sie Tatsachen verdreht und dabei versucht, sich als Hüterin der Demokratie zu inszenieren, der relevante Teile dieser Fraktion feindlich gegenüberstehen, und selbst ihre eigenen Leute hinters Licht zu führen. Mit diesem Antrag hat die AfD-Fraktion nichts, aber auch wirklich gar nichts anzubieten, außen hohlen wirkungslosen Programmsätzen und Punkten, die nichts, aber auch gar nichts verändern könnten, selbst wenn sie beschlossen würden.

(Zustimmung)

Was also bleibt, ist der durchschaubare Versuch der Antragsteller, die rechte Mobilisierung gegen die Corona-Eindämmungsmaßnahmen mit samt ihrer gefährlichen Desinformation und rechten Gewalt rhetorisch über den irreführenden Begriff „Demokratiebewegung“ in die Nähe oppositioneller Proteste gegen autoritäre Regime zu rücken, und eine unfassbare Relativierung der Verbrechen des Nationalsozialismus.

(Zustimmung)

Es ist das altbekannte Muster der extremen Rechten, sich in einem vermeintlichen Widerstand zu sehen, der das eigene Handeln legitimieren soll. Ich möchte mich nicht länger damit befassen, darauf inhaltlich einzugehen. Der Landtag hat sich damit in seiner letzten Sitzung sehr ausführlich befasst. Stattdessen ist es mir wichtig, von den Ausführungen der AfD zurück zur Realität zu kommen.

In seiner letzten Sitzung hat sich der Innenausschuss mit dem polizeilichen Handeln im Zusammenhang mit den Protesten gegen die Corona-Eindämmungsverordnung befasst. Dabei haben viele Kolleginnen der demokratischen Fraktionen dieses Hauses immer wieder die Frage gestellt, warum durch Einsatzkräfte der Polizei - damit sind wir zurück in der Realität - geltendes Recht - ob in Magdeburg oder in anderen Städten - nur zögerlich durchgesetzt wird, indem etwa vermeintliche Spaziergänge nicht als Versammlungen behandelt, Auflagen nicht eingehalten und Journalistinnen sowie Beobachter angegriffen werden und das Innenministerium zum Teil davon nicht einmal Kenntnis hat.

In der Auseinandersetzung mit dem Versammlungsrecht stellt sich also vielmehr die Frage, inwieweit der Gleichbehandlungsgrundsatz aus Artikel 3 des Grundgesetzes noch gewahrt ist, wenn rechte Versammlungen sich nur sehr begrenzt an Gesetze und Auflagen halten müssen, während dies von anderen Versammlungen verlangt und auch bis ins Detail durchgesetzt wird.

(Zustimmung)

Das ist eine Frage, die wir im Innenausschuss weiterhin zu begleiten haben. Der Alternativantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN besagt viel Richtiges, was wir ausdrücklich teilen, insbesondere in der Solidarisierung mit all jenen Initiativen, Gruppen und Personen aus der Zivilgesellschaft in Sachsen-Anhalt, die den Anti-Corona-Protesten entgegentreten, die der Gewalt entgegentreten, die der Desinformationen entgegentreten und die sich sehr klar und solidarisch in dieser Pandemie verhalten.

(Zustimmung)

Den Antrag der Rechtsextremen in diesem Hause

(Zuruf: Buh!)

hätte man unseres Erachtens nicht mit einem Alternativantrag adeln müssen. Dessen hätte es nicht gebraucht. Eine Ablehnung des AfD-Antrages ist notwendig. Wir werden dem Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN trotz der formalen Bedenken und der Nicht-Notwendigkeit zustimmen.

(Zustimmung)