Siegfried Borgwardt (CDU):

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als ich das Thema der Aktuellen Debatte gelesen habe, habe ich kurz darüber nachgedacht: Wie fängst du da an? Dann habe ich mich einfach an die historischen Dimensionen dieser Bundesrepublik Deutschland erinnert und war relativ gelassen. Es gab einmal den, der am Zaun gerüttelt hat und nur kurze Zeit Kanzler war. Deswegen fasse ich das wie folgt zusammen: In einer Demokratie die Wahl zu gewinnen ist nur der erste Schritt. Die Kunst ist, die politische Gestaltungsmacht über lange Zeit zu erhalten. Das ist übrigens nur CDU-Kanzlern und einer CDU-Kanzlerin gelungen: Adenauer, Kohl und Merkel.

Daher habe ich gedacht: Du kannst mit diesem historischen Wissen relativ gelassen an diese Geschichte herangehen.

(Zuruf)

Schauen wir einmal, wie lange das dauert und wie oft die Ampel links und rechts blinkt.

(Beifall - Zuruf)

Meine Damen und Herren! Der Koalitionsvertrag der Ampel-Koalition im Bund war kaum öffentlich präsentiert, da erreichte uns bereits diese Debatte   zu diesem Zeitpunkt hatten die beteiligten Parteien das Vertragswerk noch nicht einmal unterschrieben; das ist ein Vorgang, der mich und auch meine Fraktion etwas verwundert hat  : In weit stärkerem Maße als die vorhergehende Regierung im Bund werde die neue Bundesregierung Veränderungen für die Bürgerinnen und Bürger Sachsen-Anhalts bringen   schau an! - und damit auch die Rahmenbedingungen für Landtag und Landesregierung verändern.

So steht es zumindest in der Begründung zur heutigen Aktuellen Debatte. Ob wir das als Chance oder möglicherweise als Bedrohung interpretieren, bleibt jedem Einzelnen selbst überlassen, liebe Kollegen. Der SPD zufolge stehen uns „Weichenstellungen für die Erneuerung des Sozialstaats, für den Schutz des Klimas und die dafür notwendige Energiewende sowie für einen Modernisierungsschub in der Arbeitswelt und Infrastruktur bevor“.

(Zustimmung)

So etwas habe ich fast eins zu eins im Parteiprogramm der GRÜNEN gelesen.

(Zuruf von Cornelia Lüddemann, GRÜNE)

- Ja, zwei Kommas waren falsch. Das sagt mir zumindest mein persönlicher Referent. - Dabei soll Wandel im Revier erfüllt werden können. Meine Güte, meine Damen und Herren! Von einem Kohleausstieg im Jahre 2030, meine Vorredner gingen teilweise darauf ein, überhaupt zu sprechen und es dann, mit welcher Formulierung auch immer, in einen Koalitionsvertrag zu schreiben, ist, glaube ich, ein Schlag auch für viele Menschen in unserem Mitteldeutschen Revier.

(Beifall)

Mit dieser Entscheidung nimmt die Ampel-Koalition den Verlust der Wettbewerbsfähigkeit   ich erinnere nur an das Interview mit der MIBRAG-Geschäftsleitung   und Tausende Arbeitslose in Kauf. Aktuell gibt es keine Möglichkeit, liebe Kollegen, die Grundlast unabhängig abzusichern.

(Zustimmung)

Diese wird es auch in zehn Jahren nicht geben. Wirtschaft und Verbraucher werden in den kommenden Jahren unter fadenscheinigen Begründungen noch stärker finanziell belastet werden, egal, was Sie jetzt dazu erklären. Zudem werden die Versorgungssicherheit und die Preisstabilität dadurch gefährdet. Darauf haben wir als Fraktion und auch unser wirtschaftspolitischer Sprecher Uli Thomas wiederholt aufmerksam gemacht.

Der Kohleausstieg, meine Damen und Herren, wird ein weiteres dominierendes Thema der gesamten Legislaturperiode sein. Die unmittelbare Herausforderung stellt aber die Bewältigung der Coronapandemie dar. Mit dem Auslaufen der epidemischen Lage nationaler Tragweite Ende November hat die Ampel-Koalition dafür gesorgt, dass weitreichende, bundesweite Maßnahmen formal nicht möglich sind, obwohl derzeit die Neuinfektionszahlen zu explodieren drohen. Bei uns sind sie relativ stabil. Gestern waren es 703, heute sind es 713. Bei uns ist die Inzidenz trotzdem noch weit höher als vor einem Jahr, als wir dachten, bei einer Inzidenz von mehr als 200 bricht die Welt zusammen.

Die Bestätigung der Bundesnotbremse durch das Bundesverfassungsgericht hat gezeigt, dass dieses Instrument richtig war. Nun müssen alle Landtage für sich selbst die pandemische Lage erklären. Wir haben das in diesem Hause auch getan.

Ebenso kritisch sehe ich den immensen Personalaufwuchs in den einzelnen Ministerien, liebe Kollegen. Laut der „Bild“, die sich auf die Personalanforderungen an den Haushaltsausschuss bezieht, gönnt sich die Ampel-Koalition 176 neue Stellen.

(Zuruf: Oh!)

Dabei geht es auch um hochwertige Stellen der Besoldungsgruppen B 6 bis B 11.

(Zuruf)

Näheres will mir jetzt ersparen, ich habe die Zahlen hier stehen, denn das würde zu weit führen. Trotz angekündigter Einsparungen in anderen Bereichen kritisiert der Bund der Steuerzahler diesen Vorgang. Im Vergleich dazu

(Zuruf von Cornelia Lüddemann, GRÜNE)

- Frau Kollegin Lüddemann! - haben wir uns im Land Sachsen-Anhalt im Koalitionsvertrag darauf verständigt, dass jedes Ressort fünf externe Neueinstellungen für den unmittelbaren Leitungsbereich vornehmen kann.

(Lachen)

Auch wenn der Bund größere Dimensionen aufweist   das ist mir natürlich klar  , rechtfertigt das zum Beispiel keine 95 Stellen allein im Bauministerium. Bei den für Sachsen-Anhalt genannten fünf Stellen ist keine Stelle der Besoldungsgruppen B 6, keine B 7 oder B 11 dabei. Das wissen alle; aber ihr müsst ja offensichtlich Leute versorgen, liebe Kollegen.

(Beifall - Lachen)

Über das Personal im Kabinett will ich gar nicht viel sagen. Jeder hat eine Chance verdient. Ich zitiere einmal jemanden von der „Volksstimme“, der gesagt hat: Da gibt es zwei Minister, die nichts wissen, und einer, der alles zu wissen glaubt. - Ob das eine kluge Frage ist, diese zu benennen, wird sich in Zukunft zeigen. Das gilt auch für die sehr geehrte Frau Annalena Baerbock.

(Zurufe: Oh! - Weitere Zurufe)

Ich will hier einmal ganz vorsichtig sagen: Den Fahrzeugtross aufzuhalten und sich dann fotogen vor den Eiffelturm zu stellen und sich dort fotografieren zu lassen, war sicherlich keine kluge Idee, liebe Kollegen.

(Zurufe - Unruhe)

Dem Präsidenten Macron mit seinem Nationalstolz zu sagen, was sie von seiner Energiepolitik hält, obwohl sie weiß, dass wir für die Grundlastfähigkeit den Atomstrom aus La Hague brauchen,

(Zustimmung - Zurufe)

könnte man, gelinde gesagt, als naiv bezeichnen. Damit bin ich noch höflich. Ich bin äußerst dankbar dafür, dass Herr Mützenich bzw. der Bundeskanzler diesen Unsinn zumindest öffentlich zurückgestellt hat.

(Zustimmung - Zurufe)

Es wird also spannende Diskussionen in der Ampel geben. Ich bin gespannt. Normalerweise ist eine Ampel bei uns klar aufgeteilt: rot, gelb, grün. Wollen wir einmal sehen, ob sie nach den vier Jahren vielleicht umgedreht ist,

(Lachen)

also dann oben grün, in der Mitte gelb und unten rot ist.

(Zustimmung)

Schauen wir einmal, wie das weitergeht, meine Kollegen.

Ich will auch noch mit einer anderen Sache aufräumen. Eines kann die jetzige Koalition in Berlin wesentlich besser als die vorhergehende Koalition, nämlich Bilder erzeugen und teilweise auch Meinung damit machen, selbst wenn es hin und wieder scheinheilig ist.

(Lachen)

Die Diskussion von Lauterbach, liebe Kollegen, über den sogenannten Impfstoffmangel ist eine Farce. Das ist eine Farce! Ich darf dazu einmal zitieren: „Karl Lauterbach ruft Feuer, um dann Feuerwehr zu spielen“. Christoph Krupp, ein Vertrauter von Scholz, war seit neun Monaten Impfstoffbeauftragter. Dann hieß es: Liebe Kollegen, es ist ein Fehler bei der Bestellung passiert und die sind alle zu blöd gewesen. Dass manche Äußerungen von Spahn   auch wir haben nicht mit Kritik gespart   relativ schwierig sind, ist unbestritten. Aber dann nachzufassen und zu sagen, das sind alles nur Vorgänge, obwohl man selbst mitentschieden hat, ist ein bisschen schwierig darzustellen.

Meine Damen und Herren! Ich möchte gern zum Ende kommen.

(Zuruf: Ja! - Zuruf: Oh ja!)

- Ja, ja. Ja, ja, ja. Ich freue mich, dass man sich freut, wenn man jetzt im Kanzleramt ist.

(Zustimmung - Lachen)

Aber   damit komme ich auf meinen ersten Ton zurück   wir wollen einmal sehen, wie lange Sie dort bleiben und wie lange Sie dort glücklich bleiben.

Zum Abschluss: Wir als CDU-Fraktion werden nicht die Worte auf dem Papier stark bewerten, sondern die Taten, die dahinter stehen. Ich habe noch nie einen Koalitionsvertrag wie diesen gesehen - wir hatten 2016 auch einen schwierigen; Juristen bezeichnen so etwas mit dem Terminus „unbestimmte Rechtsbegriffe“  , der so viel „Wir wollen“ und „Wir haben die Absicht“ enthielt wie der jetzige Koalitionsvertrag.

(Zuruf Olaf Meister, GRÜNE - Weitere Zurufe)

Viel Geld, fast nichts ist bezahlt. Das können sie gern mit dem jetzigen vergleichen. Wir haben konkrete Zahlen aufgenommen, Frau Lüddemann, auch zu Klimadaten. Und dann sehe ich - jetzt ganz im Ernst  , dass man „idealerweise“ sagt.

(Zustimmung)

Das ist eine Formulierung, die Juristen noch nie gehört haben. Das ist der kleinste gemeinsame Nenner in der Energiepolitik: „idealerweise“. Wissen Sie, was idealerweise gut gewesen wäre? - Es wäre gut gewesen, sie hätten die Expertise der Fachleute verstanden. Die haben nämlich gesagt, dass es keine Grundlastfähigkeit gibt, ohne dass Sie dafür sorgen, dass diese hergestellt ist. Die werden Ihnen die erneuerbaren Energien in absehbarer Zeit nicht liefern. - Herzlichen Dank, liebe Kolleginnen und Kollegen. Bleiben Sie gesund!

(Beifall)