Guido Kosmehl (FDP):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die Debatte heute verdeutlicht noch einmal, dass die Frage des Umgangs mit der Pandemie, mit den Maßnahmen der Pandemie und des Diskurses über die Pandemie geeignet ist, nicht nur zu emotionalisieren, sondern vor allen Dingen weiter zu radikalisieren. Ich sage das ganz bewusst in die Richtung von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

(Zuruf: Boah!)

Spaltung kann man auch vertiefen, indem man zu stark verallgemeinert und zu stark versucht, ein Grundrecht in Abrede zu stellen.

(Beifall - Zuruf: Ja!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als Freie Demokraten   und ich ganz persönlich als Jurist   machen wir uns das nicht so einfach wie manch anderer Mitbewerber, der nur schwarz-weiß kennt.

(Zuruf: Ja!)

Alle Regelungen zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie müssen dem verfassungsrechtlichen Rahmen entsprechen. Das heißt, eine Regelung muss erforderlich sein, sie muss geeignet und verhältnismäßig sein. Diesen Abwägungsprozess der Maßnahmen muss die Politik, muss die Landesregierung fortlaufend durchlaufen. Ich bin der Landesregierung sehr dankbar dafür, dass sie das bei der Verabschiedung von notwendigen Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung vor der Covid-19-Pandemie immer wieder tut, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Dabei sind   das will ich ausdrücklich sagen   wissenschaftliche Erkenntnisse, die sich gerade bei einem neuartigen Virus verändern und weiterentwickeln können, natürlich zu beachten. Wir, die Politik, sollten nicht so überheblich sein, zu glauben, dass wir die einzig wahre Lösung haben, sondern wir müssen auch auf Experten hören.

(Beifall)

Eine Aufgabe, die wir, die Politik, gemeinsam haben, ist jedoch, die Maßnahmen zu erläutern. Wir müssen um Verständnis für solche Maßnahmen werben. An dieser Stelle erlaube ich mir persönlich zu sagen   dabei schließe ich die Freien Demokraten in den Ländern und im Bund ein  : Es ist uns in den letzten 22 Monaten nicht immer gelungen, diese Maßnahmen ausreichend zu erläutern und zu begründen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es wird zunehmend schwerer, mehr Menschen zu errei-chen und von der Notwendigkeit von Maßnahmen zur Bekämpfung der Coronapandemie zu über-zeugen. Trotzdem dürfen und werden wir es nicht unterlassen, dies weiter zu tun, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall)

Ich darf an dieser Stelle, Frau Präsidentin, den neu gewählten Bundeskanzler Olaf Scholz aus seiner Regierungserklärung zitieren.

(Zuruf: Ja!)

Zitat: Wir haben Respekt vor ernst gemeinten Einwendungen. Wir hören zu. Wir suchen die Debatte. Wir werden offen mit Kritik und Widerspruch umgehen. Wir geben aber auch den Versuch nicht auf, bislang noch Zurückhaltende davon zu überzeugen, dass sie sich doch noch impfen lassen, mit der Kraft der Fakten, mit der Kraft der Vernunft und mit der Kraft der besseren Argumente. - Zitatende.

(Zustimmung)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wer die Ereignisse der letzten Wochen, was die Versammlungen in Sachsen-Anhalt, aber auch in unseren Nachbarländern betrifft, verfolgt hat, der wird feststellen, dass die Zahl der Teilnehmer, die Zahl der Veranstaltungen zunimmt. Ich bin ihr sehr dankbar; die Frau Innenministerin hat die Zahlen sehr gut dargestellt und aufbereitet.

Jetzt müssen wir aus meiner Sicht zwei Dinge festhalten:

Erstens. Das Versammlungsrecht ist ein hohes Gut. Jeder Bürger bzw. jede Bürgerin in unserem Land hat die Möglichkeit, an einer solchen Versammlung teilzunehmen.

Zweitens. Aber jedem muss dabei bewusst sein, dass er sich trotz seiner eigenen gewollten Kritik an Maßnahmen oder ggf. eigenen Meinungen gemeinmachen könnte, wenn er hinter wehenden Fahnen oder hinter Organisationen des Rechtsextremismus oder hinter anderen Extremisten hinterherläuft. Das muss jedem bewusst sein.

(Zustimmung)

Das heißt nicht, dass sie dort nicht mitlaufen können. Aber das muss jedem bewusst sein.

Ich will an dieser Stelle   auch weil mein Kollege Andreas Silbersack eingefordert hat, dass wir im Landtag mehr über Sport reden sollen   noch Folgendes sagen: Mir ist ein altes Bild in Erinnerung gekommen, das ich vor zwölf, 13 Jahren sah, als wir hier ein Problem mit der Fanszene hatten. Schon damals habe ich gesagt: Wenn die Fans, die Ultras, es zulassen, dass Leute Straftaten aus dem Block heraus verüben, und ihnen dann in dieser großen Masse Schutz gewähren, damit eben keine Verfolgung von Straftaten erfolgen kann, dann ist das nicht hinnehmbar, dann muss man klar sagen: Distanziert euch davon!

(Beifall)

Gleiches gilt für diejenigen, die bei solchen Demonstrationen, die von Rechtsextremisten angemeldet worden sind, den Versuch unternehmen, das zu instrumentalisieren. Dann muss man sich davon klar distanzieren.

(Zustimmung)

Ein letzter Punkt, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist mir sehr wichtig. Wir haben es in den vergangenen Monaten, aber auch in den vergangenen Wochen der Pandemie erlebt, dass die Radikalisierung nicht nur bei der Frage „Wie viele Demonstrationen werden angemeldet?“ oder „Wie viele Personen nehmen daran teil?“ stattfindet, sondern dass bewusst Repräsentanten unseres demokratischen Gemeinwesens angegriffen, bedroht oder eingeschüchtert werden. Das können wir nicht zulassen. Dagegen werden wir uns stellen.

(Beifall)

Wir können den Diskurs über Maßnahmen führen. Aber wer Gewalt androht, wer einschüchtert, wer versucht, seine Meinung nicht im Diskurs darzulegen, der kann nicht darauf hoffen, dass er Milde vom Gemeinwesen erfährt. In diesen Fällen muss die gesamte Klaviatur der Maßnahmen strafrechtlich und ordnungsrechtlich zum Einsatz kommen. - Vielen Dank.

(Beifall)