Tagesordnungspunkt 5

Beratung

Bodenspekulation eindämmen - Anteilskäufe (Share Deals) an Unternehmen mit landwirtschaftlichen Flächen regulieren

Antrag Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drs. 8/458


Einbringerin hierzu ist die Abg. Frau Frederking. - Frau Frederking, Sie haben das Wort. Bitte sehr.


Dorothea Frederking (GRÜNE):

Vielen Dank, Herr Präsident. - Sehr geehrte Abgeordnete! Ohne Grund und Boden ist Landwirtschaft nicht möglich. Grund und Boden ist ihr wichtigstes Wirtschaftsgut. Das ist auch eine Frage der Existenz.

Wie kommen nun Landwirtinnen und Landwirte an Ackerland und Grünland, um Feldfrüchte und Futtermittel anbauen zu können? - Dafür gibt es im Prinzip vier Möglichkeiten: durch Vererbung, durch Kauf von landwirtschaftlichen Flächen, durch Pacht von landwirtschaftlichen Flächen oder aber durch Kauf von Unternehmen, die landwirtschaftliche Flächen haben. Diese Unternehmen sind in der Regel selbst landwirtschaftliche Betriebe.

Doch während es für den direkten Kauf von landwirtschaftlichen Grundstücken ein Gesetz gibt, das diese Rechtsgeschäfte reguliert und einschränkt, gibt es keine gleichwertige gesetzliche Regelung für den Anteilskauf an Unternehmen mit landwirtschaftlichen Flächen.

Über Anteilskäufe an Unternehmen, den Share Deals, können mittelbar und indirekt landwirtschaftliche Flächen erworben werden, ohne dass es eine behördliche Genehmigung oder Erfassung gibt. Die neuen Kapitaleigentümer der Personengesellschaften oder juristischen Personen wie Genossenschaften, GmbHs oder Aktiengesellschaften müssen nicht einmal in das Grundbuch eingetragen werden. Eine agrarstrukturelle Einflussnahme, wem der Boden zur Abwehr von Gefahren und von erheblichen Nachteilen für die Agrarstruktur gehören soll, gibt es nicht.

Wir als Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN meinen, dass diese Gesetzeslücke im Bodenverkehrsrecht geschlossen werden muss. Wir fordern deshalb die Landesregierung auf, ein Gesetz zu erarbeiten, um endlich auch Anteilskäufe zu regulieren. Dieses Gesetz soll eine Landesregelung werden. Wir brauchen auch bei den Anteilskäufen ein Gesetz, um Transparenz und Eingriffsmöglichkeiten sicherzustellen.

Heute finden Share Deals unentdeckt, still und heimlich, statt. Nicht einmal alle Kaufinteressierten können an einem Kauf teilnehmen, weil sie nicht darüber Bescheid wissen. Des Weiteren werden die Beteiligungen an Unternehmen von kapitalkräftigen Großinvestoren wie Holdings, Stiftungen, Versicherungsgesellschaften, Banken oder großen Möbelgeschäften getätigt; denn diese sind in der Lage, die oft zweistelligen Millionenbeträge zu zahlen. Regional verankerte Landwirtinnen und Landwirte können nicht mithalten und gehen leer aus. So darf es nicht weitergehen. Dieser Ausverkauf des Bodens muss gestoppt werden.

(Zustimmung)

Share Deals finden erst seit einigen Jahren statt. Diese hat es nicht immer gegeben. Expertinnen und Experten gehen aber davon aus, dass sie mit großer Dynamik zunehmen werden. Verlässliche Daten darüber sind rar und müssen zurzeit mit einem großen Aufwand ermittelt werden.

Im Jahr 2016 hat das Johann Heinrich von Thünen-Institut  800 Unternehmen in den Landkreisen Stendal und Anhalt-Bitterfeld analysiert und festgestellt, dass bei 149 dieser Unternehmen bereits das Kapital gewechselt hatte. Die Grenze lag bei 50 %. Das Institut hat ermittelt, bei wie vielen Unternehmen 50 % des Kapitals gewechselt hat. Das war bei 149 Unternehmen der Fall.

Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft e. V., AbL, stellt in ihrem Bericht im Jahr 2020 dar, dass die Lukas-Stiftung, deren Ziel die Versorgung der Aldi-Familie ist, Zugriff auf rund 9 500 ha Eigentums- und Pachtlandsflächen an vier Standorten in Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt hat. Diese Landmacht ist schädlich, nachteilig und muss durch geeignete Rechtsinstrumente eingedämmt werden.

Zusätzlich werden Share Deals besonders fragwürdig und absurd aufgrund der Regelung zur Grunderwerbsteuer. In Sachsen-Anhalt fallen bei einem Grundstückskauf 5 % Grunderwerbsteuer auf den Kaufpreis an. Diese Steuer entfällt jedoch bei Share Deals, wenn weniger als 90 % der Grundstücksanteile gekauft werden. Vorher waren es weniger als 95 %. In diesem Jahr gab es eine Novellierung. Die Grenze hat sich immerhin etwas nach unten verschoben. Dies ist aber bei Weitem noch nicht ausreichend.

Das möchte ich einmal an einem Beispiel verdeutlichen. Im Jahr 2018 hat die GETEC Immobilien GmbH Anteile am landwirtschaftlichen Betrieb Agro Bördegrün GmbH & Co. KG erworben. Zum prozentualen Anteil dieses Erwerbs liegen mir unterschiedliche Informationen vor, unter anderem die, dass es sich um den Kauf eines 50-prozentigen Anteils handelte. Wenn ich diese Information einmal zugrunde lege, komme ich, bei 3 800 ha landwirtschaftlicher Nutzfläche und einem aktuellen Verkehrswert von 23 000 € pro Hektar Bördeboden, auf eine Grunderwerbsteuer in Höhe von 2,185 Millionen €, die in diesem konkreten Fall nicht bezahlt werden musste.

Diese Steuervergünstigung ist nicht zu rechtfertigen, sodass es bei dieser Gesetzgebung, die eine Bundesgesetzgebung ist, dringenden Handlungs- und Novellierungsbedarf gibt. Allerdings ist diese nicht Gegenstand des heute von uns eingebrachten Antrags.

Seit Jahren setzen hohe Preise sowie außerlandwirtschaftliche und überregionale Bodenspekulationen der Landwirtschaft zu. Wir meinen, Grund und Boden gehört in die Hände und in das Bestimmungsrecht derjenigen, die ihn mit dem obersten Ziel, landwirtschaftliche Produkte für unsere Ernährung herzustellen, nachhaltig bewirtschaften.

(Zustimmung)

Eine maximale Gewinnorientierung darf nicht prioritär sein. Umwelt-, Klimaaspekte und Tierwohl müssen eine Rolle spielen.

(Zuruf: Wer soll das bezahlen?)

Wir brauchen eine regionale Verankerung des Besitzes, damit diejenigen, die vor Ort wirtschaften, über die Flächen verfügen, sie nutzen, sie erwerben können. Eine Weiterentwicklung der Betriebe und Neugründungen müssen möglich sein. Die Wertschöpfung von der Fläche soll in der Region bleiben. Eigentümerinnen sollen ansprechbar sein.

Letztendlich entscheiden Eigentums- und Besitzverhältnisse darüber, wie und welche Landwirtschaft betrieben wird. Wir orientieren uns an dem Leitgedanken, dass der Boden in den Besitz derjenigen gehört, die vor Ort regional verankert sind und die einen persönlichen Bezug zu diesem Boden haben.

Zum Beispiel kann die Erhöhung der Widerstandfähigkeit gegen den Klimawandel am besten mit Menschen erreicht werden, die die Bedingungen vor Ort kennen und die einen persönlichen Bezug zu ihrer Scholle haben. Klimawandel und Dürre können nicht mit Krediten und Verkaufserlösen bekämpft werden, sondern mit anderen Bewirtschaftungsmethoden und Klimaschutz.

(Zuruf: Oh!)

Investorinnen und Investoren, für die kurzfristige und maximale Gewinne im Fokus stehen, haben kein Interesse an langfristigen Strategien. Doch mit Boden zu spekulieren und diesen als reine Kapitalanlage zu betrachten, ist unzulässig. Das hat das Bundesverfassungsgericht bereits vor mehr als fünf Jahrzehnten klargestellt. Im Jahr 1967 hat das Bundesverfassungsgericht nach einer Beschwerde durch einen Nichtlandwirt, dem die Genehmigung zum Erwerb von Boden als reine Kapitalanlage verwehrt wurde, entschieden. Ich zitiere:

    „Die Tatsache, dass der Grund und Boden unvermehrbar und unentbehrlich ist, verbietet es, seine Nutzung dem unübersehbaren Spiel der freien Kräfte und dem Belieben des Einzelnen vollständig zu überlassen;“

(Zustimmung)

„eine gerechte Rechts- und Gesellschaftsordnung zwingt vielmehr dazu, die Interessen der Allgemeinheit beim Boden in weit stärkerem Maße zur Geltung zu bringen als bei anderen Vermögensgütern.“

(Zuruf)

„Der Grund und Boden ist weder volkswirtschaftlich noch in seiner sozialen Bedeutung mit anderen Vermögenswerten ohne Weiteres gleichzustellen; er kann im Rechtsverkehr nicht wie eine mobile Ware behandelt werden.“

Der nicht vermehrbare Boden ist demnach nicht vergleichbar mit anderen Vermögenswerten und Immobilien und schon gar nicht mit Produkten.

Boden sichert unsere Ernährung. Seine Gestaltung prägt das Landschaftsbild. Er ist maßgeblicher Teil der Ökosysteme und gibt Tieren und Pflanzen Lebensräume. Der Boden und seine Bewirtschaftung haben Einfluss auf das Grundwasser und die Speicherung von klimaschädlichem CO2. Aufgrund seiner vielfältigen Funktionen ist der Boden eben existentiell für die Gesellschaft.

Das begründet die Besonderheit des Bodenrechts. Denn es greift in Eigentumsrechte ein. Die Eingriffe in die Freiheitsrechte von Käuferinnen und Verkäuferinnen müssen dennoch das mildeste Mittel darstellen, um schädliche agrarstrukturelle Vorgänge zu reduzieren. So gilt für den Kauf von Grundstücken das Grundstücksverkehrsgesetz. Das gibt es schon.

Der Gesetzgeber will damit verhindern, dass Nichtlandwirtinnen und Nichtlandwirte Eigentum an Grund und Boden anhäufen und im schlimmsten Fall sogar der landwirtschaftlichen Produktion entziehen. Er will marktbeherrschende Stellungen am Bodenmarkt, Flächenkonzentrationen in den Händen von wenigen und die Beeinträchtigung des Wettbewerbs verhindern. Er zielt auf eine breite Streuung des Eigentums.

Diese Rechtsauffassung lässt sich in der Konsequenz genauso auf Anteilskäufe übertragen. Rechtsempfinden und Logik   ich habe die Analogien dargestellt  , gebieten förmlich eine Gleichbehandlung der Rechtsgeschäfte Grundstücksverkehr und Share Deals. Daraus   und insbesondere aus dem, wie ich es dargestellt habe; es werden ja Flächen erworben  , und auch aus dem höchstrichterlichen Urteil des Bundesverfassungsgerichtes leitet sich die Notwendigkeit ab, auch zu den Anteilskäufen eine gesetzliche Regelung auf den Weg zu bringen.

Anteilskäufe müssen erfasst und reguliert werden. Sie müssen transparent werden. Es müssen Prozedere entwickelt werden, damit sich auch landwirtschaftliche Betriebe vor Ort an Anteilskäufen beteiligen können.

Dass wir diese gesetzliche Regelung brauchen, ist allen seit Jahren klar. Als Koalitionsfraktionen aus CDU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hatten wir deshalb auch in der vergangenen Legislaturperiode die Regulierung der Share Deals in einem umfassenden Agrarstrukturgesetz aufgegriffen. Leider ist das Gesetz nicht nur an seiner Komplexität gescheitert, sondern auch an den Eigeninteressen von Leuten aus der Landwirtschaft, die darauf zielen, gerade durch Verkäufe an Investoren ein gutes Geschäft machen zu wollen.

Ich muss in diesem Zusammenhang noch einmal konstatieren, dass die CDU-Landtagsfraktion vor dem Lobbydruck eingeknickt ist, sodass der Gesetzentwurf es nicht mehr in zweiter Lesung in den Landtag geschafft hat.

(Zuruf: Wie immer!)

Aber wir geben nicht auf. Am Gesetzentwurf in der Drs. 7/6804 wurde bei aller Kritik am wenigsten über die Regelung zu den Share Deals gemeckert. Es besteht nahezu bei allen Landwirtschaftsakteurinnen und -akteuren   auch beim Bauernverband   ein Konsens bezüglich der Notwendigkeit einer entsprechenden Regulierung.

Seit der Föderalismusreform im Jahr 2006 haben die Bundesländer die Gesetzgebungskompetenz für das Bodenverkehrsrecht. Deshalb schlagen wir vor, im ersten Schritt eine landesrechtliche Regelung ausschließlich für die Share Deals zu machen. Das wäre dann insgesamt schon der dritte Anlauf zur Eindämmung der Bodenspekulation; diesmal allerdings mit den besten Chancen auf Erfolg, weil bezüglich der Anteilskäufe die größte Einigkeit besteht. Aus diesem Grund bitte ich Sie: Stimmen Sie dem pragmatischen Ansatz, den wir in unserem Antrag dargestellt haben, zu. - Vielen Dank.

(Zustimmung)