Eva von Angern (DIE LINKE):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Die Bewältigung der Pandemie und der Folgen des Lockdowns wird noch etliche Jahre in Anspruch nehmen. Das ist eine erhebliche Belastung vor allem für die Menschen in Sachsen-Anhalt. Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der Landesregierung bzw. der Koalitionsfraktionen, Sie haben kostbare Zeit verloren. Sie hätten das Sondervermögen schon im Jahr 2020 haben können, als wir Ihnen genau dies vorgeschlagen haben. In einer Zeit, in der andere Länder bereits milliardenschwere Programme aufgelegt haben, sind Sie mit dem Kabinett Haseloff nicht aus dem Knick gekommen.

(Zustimmung)

Das, was nun teilweise erst im nächsten Jahr anlaufen soll, hätte es alles schon im letzten Jahr geben können. Sie haben wertvolle Zeit verstreichen lassen. Daher wäre für Ihren Nachtragshaushalt durchaus eher das Motto „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben“ passend; aber das bestraft eben die Menschen in Sachsen-Anhalt.

Meine Damen und Herren! Der Landtag soll heute beschließen, dass neue Kredite im Umfang von mehr als 2,6 Milliarden € ohne die Einschränkungen der Schuldenbremse aufgenommen werden können. Das ist ein aus der Sicht der LINKEN längst überfälliger Schritt, für den Sie von uns allerdings selbstverständlich keinen Blankoscheck erhalten werden. Denn mit dem Nachtragshaushalt ist unserer Ansicht nach eine Gelegenheit verpasst worden   eine wichtige Gelegenheit  , auf all jene zuzugehen, die am meisten für die Pandemiebekämpfung leisten, aber auch auf jene, die am härtesten von ihr getroffen werden.

(Beifall)

Deswegen beantragt meine Fraktion heute auch einen Coronabonus für alle Beschäftigten im Gesundheitswesen in Sachsen-Anhalt. Ich sage jetzt schon, dass wir hierzu eine namentliche Abstimmung beantragen werden.

(Beifall)

500 € steuerfrei sollen nicht nur für Mediziner, Krankenschwestern, Pflegerinnen, Rettungsassistenz, Sanitäterinnen und Arzthelfer, sondern eben auch für das nichtmedizinische Personal in den Einrichtungen gezahlt werden.

Neben der endlich notwendigen, lange überfälligen und besseren Bezahlung in diesen Jobs ist dies eben ein kleines Dankeschön des Landes Sachsen-Anhalt an die Betroffenen. Wir dürfen dabei auch nicht vergessen, welchen Beschimpfungen, welchen Verunglimpfungen durch Verschwörungsideologen und selbst ernannten Virologen - wie wir wissen, auch hier im Haus -

(Zuruf)

genau diese Beschäftigten teilweise ausgesetzt sind.

(Zustimmung)

Wir wollen zudem denjenigen, die überdurchschnittlich von pandemiebedingter Arbeitslosigkeit betroffen sind - das sind bundesweit tatsächlich vor allem Menschen mit Behinderungen  , in den nächsten Jahren mit zusätzlichen Fördermillionen helfen.

Meine Damen und Herren! Nach mehreren Lockdowns, Schließungen von Kitas und Schulen sowie von Jugendeinrichtungen sind für die nächsten Jahre zusätzliche pädagogische, zusätzliche sozialarbeiterische, aber eben auch psychotherapeutische Hilfen erforderlich. Es ist eben nicht ausreichend, jungen Menschen einfach nur einen Laptop in die Hand zu drücken. Wir wollen eine Offensive der Jugendsozialarbeit, der Jugendmedienarbeit, und zwar dort, wo sie am besten erfolgen kann, nämlich in den Kommunen.

(Zustimmung)

Lockdown und Pandemie haben noch ein anderes grässliches Gesicht zutage gebracht. Es sind mehr Frauen und mehr Kinder von häuslicher Gewalt betroffen. Das zeigen schonungslos die Zahlen der Kindeswohlgefährdungen. Das zeigen schonungslos die Zahlen von häuslicher Gewalt. Wir wissen, dass wir an dieser Stelle nur über das Hellfeld reden. Das Dunkelfeld, die sogenannte Dunkelziffer, ist um einiges dramatischer.

Sie werden aber mit dem Sondervermögen und mit den eingestellten Mitteln genau diesen Problemen nicht gerecht. Ja, wir sagen ganz selbstbewusst, das hat etwas mit Corona zu tun. Wir wollen personelle Verbesserungen. Wir wollen Beratungsangebote für von Gewalt betroffene Kinder und Jugendliche. Wir wollen, dass die Frauenschutzhäuser Hauswirtschafterinnen bekommen. Denn Folgendes muss man ganz klar sagen: Für von Gewalt betroffene Frauen ist es höchst problematisch, wenn ein Frauenschutzhaus geschlossen werden muss, weil dort ein Coronafall aufgetreten ist, weil man dort den hygienischen Erfordernissen einfach nicht in dem Maße nachkommen kann, wie man es eigentlich müsste, weil dort möglicherweise mehr Hygieneaufwand betrieben werden muss und daher weniger Zeit für die Beratung der Frauen bleibt.

(Zustimmung)

Dass man beim Personal im Zuge des Sondervermögens nachbessern kann, haben Sie bewiesen. Das geht bei den Ministerien. Ich frage mich, warum das nicht in der Sozialarbeit geht.

(Beifall)

Das, meine Damen und Herren, ist eine bedauerliche Halbherzigkeit, die charakteristisch für diese Politik ist. Schauen wir uns an, welche Ministerien die Chance ergriffen haben, in Größenordnungen beispielsweise Mittel für Luftfilter zu veranschlagen. Wir sehen, das Bildungsministerium ist nicht darunter. Deswegen beantragen wir Nachbesserungen im Umfang von 60 Millionen € für Luftfilter und für CO2-Ampeln. Liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD-Fraktion, seien Sie doch bitte so mutig wie Ihre Kollegen in Mecklenburg-Vorpommern; dort wird das ganz selbstbewusst in allen Schulen realisiert.

(Beifall)

Die Finanzlage der Kommunen ist seit vielen Jahren dramatisch. Wir wissen das. Wir wissen inzwischen aber auch, welch wichtige Rolle die Kommunen eben gerade bei der Pandemiebekämpfung spielen. Insofern - ich verstehe es nicht - wäre Ihnen kein Zacken aus der Krone gebrochen, wenn Sie der Forderung des Städte- und Gemeindebundes mit diesem Nachtragshaushalt nachgekommen wären. Wir werden die Kommunen nicht im Regen stehen lassen. Auch diese Forderung erheben wir entsprechend zum Antrag.

(Beifall)

Insgesamt hat meine Fraktion heute zusätzliche Maßnahmen in einem Umfang von 180 Millionen € zur Bekämpfung der sozialen Folgen der Pandemie für den Nachtragshaushalt und das Sondervermögen vorgeschlagen. Schaue ich mir die Gesamtsumme der Schulden bzw. des Nachtragshaushaltes an, stelle ich fest, dass es eher eine kleinere Summe ist, die aber wohl durchdacht ist. Sie setzt präventiv an und damit - auch das ist inzwischen kein Geheimnis mehr - werden teurere Folgekosten im besten Falle auch gespart werden können.

Davon gehe ich ganz fest aus: Selbstverständlich werden wir noch einmal über neue Notlagenkredite reden. Selbstverständlich wird es auch hier noch einmal eine Diskussion über eine Aufstockung geben müssen. Dazu erinnere ich an das Thema Long Covid. Die dazu bereits vorliegenden wissenschaftlichen Studien schlagen Alarm. Die Tatsache, dass wir eben noch viel fehlendes Material bezogen auf Long Covid bei Kindern und Jugendlichen haben, ist ebenfalls ein großes Problem. Jeder Euro für die Datenerhebung, für die Erforschung dieses Phänomens ist eine bittere Notwendigkeit sowie selbstverständlich auch für die Unterstützung von speziellen Rehabilitationsangeboten.

Deswegen kann ich nur hoffen, dass das Parlament und die Regierung nicht in naher Zukunft bereuen werden, dass wir an dieser Stelle zu spät gehandelt haben. Wir beantragen heute mit unserem Änderungsantrag 34 Millionen € genau für diesen Zweck.

(Beifall)

Meine Damen und Herren! Heute steht ebenfalls die Verlängerung der außergewöhnlichen Notsituation für das Jahr 2022 an. DIE LINKE wird dem zustimmen. Die Ausweitung der Notlagenkredite ist ein Gebot der Stunde. Sie ist eben auch für Sachsen-Anhalt das späte Eingeständnis, dass die Schuldenbremse nicht krisenfest ist und auch nie krisenfest sein wird.

(Beifall)

In diesem Zusammenhang habe ich mit Interesse die Presseerklärung von Frau Kollegin Richter-Airijoki von der SPD-Fraktion zur Kofinanzierung des Krankenhauszukunftsfonds gelesen. Ich muss Ihnen dazu sagen: Die Botschaft Ihrer Pressemitteilung lautet nicht anders, als dass eine reguläre Staatsaufgabe, nämlich die Kofinanzierung eines Bundesprogramms, ohne Notlagenkredite nicht möglich gewesen wäre. Danke für diese Klarstellung, aber sie möge bitte auch im konkreten Handeln vollzogen werden. Das betrifft nicht nur den Gesundheitsbereich. Blicken wir in den Haushalt, so stellen wir fest, dass auch die Digitalisierung ohne Notlagenkredite nicht realisiert werden kann.

(Zuruf)

Gleiches gilt im Übrigen auch für die Wirtschaftsförderung; wir reden an dieser Stelle über fünf Jahre. Noch vor Kurzem hat die FDP - wir erinnern uns - blutige Tränen wegen der Staatsverschuldung geweint. Nun hat sich das FDP-geführte Infrastrukturressort das größte Stück vom Kuchen des Sondervermögens gesichert, natürlich und selbstverständlich alles mit Coronabezug.

Dabei sind wir uns in diesem Haus doch alle darüber im Klaren, dass es nur das vielfach bemühte Brennglas ist, das in der Pandemie bestehende Probleme und bereits vor der Coronapandemie bestehende Probleme noch einmal deutlicher zutage gebracht hat.

(Zuruf: Aber wir müssen sie jetzt lösen!)

Meine Damen und Herren! Kein privates Unternehmen in Sachsen-Anhalt und auch keine Kommune können sich derzeit zu so günstigen Bedingungen refinanzieren wie das Land. Wenn die Refinanzierungssätze kurz- und mittelfristig im Minusbereich liegen, dann ist eben das Überschuldungsrisiko keine Ausrede mehr. Das sehen im Übrigen auch namhafte Ökonomen so. Noch nie gab es so günstige geldpolitische Bedingungen für öffentliche Investitionen. Dieses Zeitfenster schließt sich allerdings wieder. Insofern sollte es jetzt genutzt werden.

(Zustimmung- - Zuruf)

Wir beschließen heute neue Milliarden für die Bekämpfung der Krise. In wenigen Wochen werden wir an dieser Stelle zusammentreten und über die im Koalitionsvertrag vereinbarten und angekündigten Kürzungen in Höhe von 3 Milliarden € debattieren.

(Zuruf: Ja!)

Diese Rotstiftpolitik passt aber eben nicht mehr in diese Zeit. Das erleben wir tagtäglich. Vielmehr stehen wir vor Herausforderungen, die eben dazu führen, dass der Staat mehr Geld in die Hand nehmen muss, und das eben auch kreditfinanziert. Die Armutsbekämpfung, aber eben auch die Bekämpfung der Klimakrise sind in diesem Zusammenhang zu nennen.

Jeder weiß - das ist keine Milchmädchenrechnung -, dass man sich aus einer Krise nicht heraussparen kann. Das Sondervermögen zur Bewältigung der Folgen der Coronapandemie kann also nur so lange erfolgreich sein, wie in anderen Zeiten, also im regulären, im normalen Geschäft - so nenne ich es einmal   an der Politik der schwarzen Null in Sachsen-Anhalt festgehalten wird.

Wenden Sie sich also lieber an diejenigen, die in der Pandemie ordentlich Kohle gemacht haben, die ordentlich dazu verdient haben - das sage ich vielleicht auch mit Blick in Richtung Berlin -, als uns hier im Parlament einen destruktiven Kürzungshaushalt vorzulegen. Es hat nämlich auch etwas mit Zukunftspolitik zu tun, dass wir die kommenden Generationen nicht wegsparen. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung)