Jan Riedel (Minister für Bildung): 

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Die Große Anfrage der Fraktion Die Linke zur Schulsoziarbeit bietet heute die Gelegenheit, den aktuellen Stand sowie die Perspektiven des Handlungsfeldes Schulsozialarbeit darzustellen.

Schulsozialarbeit ist inzwischen ein fest verankertes Angebot der Kinder- und Jugendhilfe im Land. Sie trägt nachweislich dazu bei, Benachteiligungen auszugleichen, den Schulerfolg zu sichern und bei erzieherischen und präventiven Aufgaben zu unterstützen. Wer das anzweifelt, der kennt die Situation vor allen Dingen in Schulen in herausfordernden Lagen sicherlich nicht.

Die rechtliche Grundlage für Schulsozialarbeit bietet § 13a SGB VIII. Damit handelt es sich bei Schulsozialarbeit um ein Angebot der Kinder- und Jugendhilfe, das am Ort Schule umgesetzt wird. Insbesondere nach § 1 Abs. 4b des Schulgesetzes erkennt das Land Sachsen-Anhalt die Bedeutung der Schulsozialarbeit für die individuelle Förderung von Schülerinnen und Schülern sowie für die Entwicklung der Schule als Lebensraum ausdrücklich an. Die Aufnahme dieser Bestimmungen in das Schulgesetz des Landes hatte dabei vorrangig den Zweck, den Schulen eine rechtliche Grundlage und Ermächtigung für eine enge und verlässliche Zusammenarbeit mit den Trägern der öffentlichen und freien Jugendhilfe zu geben. Sie soll gewährleisten, dass Schulen sich nicht einer Kooperation im Rahmen der Schulsozialarbeit verschließen und dass die Angebote im Interesse des Kindeswohls sinnvoll in den schulischen Alltag integriert werden können. Es handelt sich um eine Öffnung, die den Schulen die notwendige rechtliche Sicherheit verschafft und die partnerschaftliche Zusammenarbeit ermöglicht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Bedarfslage der von Schulsozialarbeit Profitierenden entwickelt sich schon dynamisch. Schulsozialarbeit wird vor allem durch die Folgen der Pandemie, zunehmende psychische Belastungen, Migration, Inklusionsfragen, Armutsrisiken sowie durch Anforderungen der Digitalisierung bestimmt. 

Wie Sie wissen, ist der zentrale Finanzierungsrahmen weiterhin das ESF-Plus-Programm „Schulerfolg sichern“. Derzeit werden mithilfe von ESF-Plus-Mitteln ca. 460 Einsatzstellen an 430 Schulen gefördert. Das Fördervolumen des Programms „Schulerfolg sichern“ beträgt insgesamt rund 211,7 Millionen €. Davon entfallen 127 Millionen € auf den Finanzierungsanteil der EU.

Hier muss ich etwas korrigieren. Frau Hohmann sagte, dass nur 14 Stellen Landesstellen seien. Sie haben also suggeriert, dass sich das Land sozusagen nur an 14 Stellen beteilige. Diesem Eindruck muss man sich klar entgegenstellen. Sie wissen selbst, dass 60 % dieser 460 VbE, von denen wir hier sprechen, von der EU gefördert werden und dass 40 % in unserem Rahmen liegen. Davon werden 30 % durch Landesmittel - so viel Wahrheit muss an dieser Stelle auch sein - und 10 % durch die Kommunen gefördert.

(Zustimmung bei der CDU)

Die Finanzierung bleibt im Rahmen des ESF-Plus-Programms bis 2028 gesichert.

An dieser Stelle soll das, was Sie auch schon sagten, nicht unerwähnt bleiben, nämlich das Sachsen-Anhalt bundesweit eine sehr erfolgreiche Struktur mit den drei Fördergegenständen - zum einen die Projektstellen selbst, zum anderen die 14 regionalen Netzwerkstellen und die landesweite Koordinierungsstelle - aufweist. Es muss ein Anliegen sein, diese wertvollen und größtenteils landesintern ausgebildeten qualifizierten Fachkräfte bisher und auch zukünftig im Land zu binden.

Frau Hohmann, Sie sagten, wir beendeten jetzt schrittweise die Schulsozialarbeit. Ich denke, auch das kann man nicht so stehen lassen. Nahezu allen Parteien in diesem Hohen Hause ist der Mehrwert der Schulsozialarbeit durchaus sehr bewusst. Schulsozialarbeit lebt von Kontinuität und Vertrauen. Das ist richtig. Die Investition in Schulsozialarbeit ist eine Investition in die Zukunft junger Menschen und in den sozialen Zusammenhalt unseres Landes. 

Es gilt, die bestehenden Strukturen zu erhalten und weiterzuentwickeln - im Interesse der Kinder, der Schulen und einer starken Gesellschaft in Sachsen-Anhalt. Die Landesregierung hat deswegen große Anstrengungen unternommen, damit vom 1. Januar 2025 bis zum 31. Juli 2028 noch ein dritter Förderzyklus des ESF-Plus-Programms „Schulerfolg sichern“ realisiert werden kann. Somit ist die Schulsozialarbeit bis 2028 gesichert. 

Rechtzeitig vor Ablauf des oben genannten ESF-Programms wird die kommende Landesregierung in Zusammenarbeit mit den Trägern der Jugendhilfe und mit der Unterstützung des Parlaments eine Entscheidung über die Form, den Umgang und den Umfang der Fortführung des Landesprogramms nach dem Jahre 2028 treffen.

(Zustimmung von Guido Heuer, CDU)

Wir haben den Wert der Schulsozialarbeit erkannt 

(Hendrik Lange, Die Linke: Ja, dann machen Sie doch was!)

und wollen unser Möglichstes zur Sicherung tun. Wer dagegen ist, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist doch auch ganz klar. Somit muss am Ende der Wähler letztendlich über die Zukunft der Schulsozialarbeit entscheiden. - Vielen Dank. 

(Zustimmung von Guido Heuer, CDU)


Vizepräsident Wulf Gallert: 

Dann danke ich. - Es gibt zwei Fragesteller. Eva von Angern, Sie dürfen beginnen.


Eva von Angern (Die Linke): 

Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Minister, ich durfte am 28. Oktober 2025 an einer Veranstaltung der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung teilnehmen, wo Politik mit Praxis ins Gespräch kam. Ihr Staatssekretär war dort und hatte die Möglichkeit, ein Grußwort zu halten. Er hat sich ähnlich wie Sie auch noch einmal vehement dafür eingesetzt, wie wichtig die Schulsozialarbeit ist, hat in seinem Grußwort aber auch noch einmal ausdrücklich gesagt, dass er sich - ich gehe davon aus, dass Sie diesbezüglich identische Positionen haben - nicht nur für eine Verstetigung, sondern auch für eine Erweiterung der Schulsozialarbeit ausspricht. Ich war dort nicht die einzige Abgeordnete. Es waren noch ein paar mehr im Raum. Er hat dann aber ganz klar gesagt: Ich erwarte von Ihnen als Haushaltsgesetzgeber, dass Sie das Geld dafür zur Verfügung stellen.

Ich weiß, wie Haushalte zustande kommen, und auch, wie das vorbereitet wird. Deswegen die Frage ganz konkret an Sie: Wie ist denn der Stand der Diskussion von Ihnen mit den Koalitionsfraktionen, dass das Programm zeitnah erweitert wird, also verstetigt und erweitert wird, um weitere Stellen der Schulsozialarbeit hier in Sachsen-Anhalt aufzubauen, im Übrigen nicht erst nach 2028, sondern auch schon jetzt?


Vizepräsident Wulf Gallert: 

Sie können antworten.


Jan Riedel (Minister für Bildung): 

Vielen Dank. - Ich war bei dieser Veranstaltung leider nicht zugegen. Terminlich war ich leider woanders gebunden. Ich war aber bei einer Beratung mit unserem Ministerpräsidenten, mit Vertretern der DKJS und mit Schulsozialarbeitern von Schulen aus Zerbst. Dort haben wir das genau in diesem Sinne noch einmal thematisiert. Ganz klar ist mir in der Runde geworden, dass wir heute noch keine verlässliche Aussage für das Jahr 2028 treffen können. Wir können heute gern alles Mögliche beschließen, aber was dann im Jahr 2028 gültig ist, das steht auf einem ganz anderen Blatt. 

(Zustimmung bei der CDU)

Es ist auch rein rechtlich gar nicht möglich, im Jahr 2025 eine Ausgabe für das Jahr 2028 in dieser Form zu beschließen. - So viel dazu.


Vizepräsident Wulf Gallert: 

Dann gibt es noch eine zweite Frage von Herrn Lippmann. - Sie haben das Wort. 


Thomas Lippmann (Die Linke): 

Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Minister, Sie kommen immer ganz gut auf den Punkt. Damit sind wir genau im Zentrum der jetzigen Auseinandersetzung. Wieso sind Sie denn der Auffassung, dass wir nicht z. B. § 31a, den wir vorgeschlagen haben, in das KJHG hineinschreiben und damit sozusagen eine klare gesetzliche Grundlage schaffen können? 

(Frank Bommersbach, CDU: Teuer!)

Was wollen Sie denn hier vortragen, warum die jetzige Koalition   Sie sind noch nicht lange dabei; deswegen kann ich Sie das so scharf fragen   das einfach nicht beschließen will? Es landet einfach auf dem Verschiebebahnhof in einer natürlich niemandem bekannten Zukunft. Wir wissen, wie Abläufe in den Haushaltsberatungen sind. Wir wissen, wie schnell das Schuljahr 2027/2028 heran ist. Wenn das jetzt nicht entschieden wird, dann führt das relativ zwingend dazu   mit wenigen Umkehrmöglichkeiten  , dass im Jahr 2028 mit der Schulsozialarbeit Schluss ist. 


Jan Riedel (Minister für Bildung): 

Herr Lippmann, ich habe dezidiert gesagt, dass nahezu alle Parteien hier in diesem Hohen Hause hinter der Schulsozialarbeit stehen. Das steht auch in den Wahlprogrammen. 

(Eva von Angern, Die Linke: Sie können es doch jetzt sichern! - Stefan Ruland, CDU: Können wir nicht!)

- Das können wir nicht. Das habe ich gerade erläutert. - Ich habe der Rede von Frau Hohmann genau zugehört. Mir ist aufgefallen bei Ihrer Rede, Frau Hohmann: Es wird sehr viel ausgeführt zu Detailfragen, wo etwas funktioniert, warum dort keine Stelle ausgebracht wird, wer dort einen Fehler gemacht hat. Wissen Sie, worüber ganz wenig gesprochen wird? - Es wird ganz wenig über die Frage gesprochen, wer das bezahlen soll. 

(Kathrin Tarricone, FDP: Genau!)

Es wird ganz wenig über Finanzen gesprochen. 

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Ich denke, Sie spielen ein Stück weit    

(Zurufe von der Linken - Stefan Ruland, CDU: Sie wissen doch, wer der Aufgabenträger ist! - Guido Heuer, CDU: Machen wir mit der Erbschaftsteuer! - Unruhe)


Vizepräsident Wulf Gallert: 

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das alte Problem: Wer eine Frage stellt, der muss die Antwort aushalten. Das bedeutet erst einmal, demjenigen, den man gefragt hat, zuzuhören. - Bitte sehr. 


Jan Riedel (Minister für Bildung):

Danke, Herr Präsident. - Die Finanzen. Sie spielen ein Stück weit ganz bewusst mit dem Feuer. Das ist aus meiner Sicht ein Stück weit auch schon Wahlkampfrhetorik, dass Sie hier quasi    

(Eva von Angern, Die Linke: Nein! Das sagen wir seit vier Jahren! - Guido Kosmehl, FDP: Hört doch einmal zu! - Eva von Angern, Die Linke: Das sagt der Richtige! - Hendrik Lange, Die Linke, lacht)

Dass Sie hier an dieser Stelle   Frau Hohmann hat es so gesagt    

(Unruhe bei der Linken - Jörg Bernstein, FDP: Haben Sie keinen Respekt vor einem alten, gestandenen Lehrer? Mann!)


Vizepräsident Wulf Gallert: 

Jetzt aber!


Jan Riedel (Minister für Bildung):

Dass Sie hier, an dieser Stelle, von der Beerdigung der Schulsozialarbeit sprechen, das entspricht einfach nicht den Tatsachen. 

(Guido Kosmehl, FDP: Jawohl!)

Wir haben eine feste Finanzierung bis 2028. 

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Alle Parteien hier, nahezu alle Parteien, sagen, wir wollen das weiterführen. Wir müssen aber darüber reden, und das wird sicherlich neuen Koalitionsverhandlungen obliegen, wie wir das künftig tun können. Ich weiß nicht, ob das nicht eine bessere, viel ernsthaftere und auch authentischere Botschaft in den Raum der Schulsozialarbeit wäre, 

(Monika Hohmann, Die Linke: Das machen wir seit 15 Jahren! Wir diskutieren seit 15 Jahren!)

als hier zu suggerieren, wir könnten schon jetzt an dieser Stelle alles für die Zukunft vorbereiten. 

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP - Guido Kosmehl, FDP: Vorwärts immer, rückwärts nimmer!)


Vizepräsident Wulf Gallert: 

Danke. - Gibt es noch eine Nachfrage? Da Sie erst eine Minute und neun Sekunden verbraucht haben, darf ich Ihnen noch eine kurze Nachfrage zugestehen. Bitte. 

(Frank Bommersbach, CDU: Aber kurz! - Stefan Ruland, CDU: 51 Sekunden!)


Thomas Lippmann (Die Linke): 

Herr Minister, wir fordern dieses Landesprogramm seit 2017. Seit mindestens drei Jahren, seitdem es mit der Lehrkräftegeschichte so nach unten geht, verlangen wir, dass das Geld, das für nicht einstellbare Lehrkräfte eingeplant wird   wir reden von 200 Millionen € pro Jahr  , dass ein Teil davon, nicht einmal alles, für die Finanzierung eines Landesprogramms für die Sozialarbeit eingesetzt wird. Denn das Geld gehört den Kindern und nicht dem Finanzminister.

(Zustimmung bei der Linken)

Meine Frage: Warum lassen Sie zu, dass der Finanzminister dieses Geld einfach einbehält?

(Stefan Ruland, CDU: Sie kennen die Haushaltssystematik überhaupt nicht! - Zuruf von Frank Bommersbach, CDU)


Vizepräsident Wulf Gallert: 

Jetzt können Sie antworten.


Jan Riedel (Minister für Bildung): 

Also, Herr Lippmann, das Geld gehört zu allererst den Steuerzahlern. Wir sind dafür da, es verantwortungsvoll einzusetzen. 

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP - Guido Heuer, CDU: Sehr gut! - Zuruf von Eva von Angern, Die Linke)

- Richtig. Wir werden    

(Zuruf von Eva von Angern, Die Linke - Stefan Ruland, CDU: Machen Sie einmal einen Kurs in Haushaltssystematik!)


Vizepräsident Wulf Gallert: 

Und noch einmal     


Jan Riedel (Minister für Bildung):

Also, ich würde sagen, es ist alles dazu gesagt worden.