Tagesordnungspunkt 2
Erste Beratung
Entwurf eines Klimaschutzgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt
Gesetzentwurf Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drs. 8/6150
Der Einbringer er ist schon auf dem Weg ist Herr Aldag von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Herr Aldag, Sie haben das Wort. Bitte sehr.
Wolfgang Aldag (GRÜNE):
Vielen Dank, Herr Präsident. - In Brasilien tagt derzeit die COP 30. Morgen findet wieder weltweit der Klimastreik statt. Ich glaube, es gibt keinen besseren Zeitpunkt als heute, um ein Klimaschutzgesetz in den Landtag von Sachsen-Anhalt einzubringen, wie es sie auch in anderen Bundesländern schon gibt.
(Beifall bei den GRÜNEN)
Meine Damen und Herren! Die Landesregierungen haben in den vergangenen Jahren auf die Strategie gesetzt, Klimaschutz mit Freiwilligkeit voranzubringen: Klima- und Energiekonzept, Aktionsplan Klima, Ressortplan Klima und der Zukunfts- und Klimaschutzkongress. Wir haben also genug Strategien und Maßnahmen in Sachsen-Anhalt. Die Landesregierung hat mit dem sogenannten Zukunfts- und Klimaschutzkongress eine breite Beteiligung gestartet. So war es auch im Koalitionsvertrag vorgesehen. Das war sicherlich gut, richtig und auch notwendig. Es wurden Verbände und die Zivilgesellschaft angehört. In Arbeitsgruppen wurde intensiv gearbeitet. Viele Stunden ehrenamtlichen Engagements sind da hineingeflossen.
Aber nicht nur die Verbände, sondern auch wir fragen uns: Was kam denn letztendlich dabei heraus? - Ein Aktionsplan mit vielen guten Maßnahmen, ja. Aber was ist davon übriggeblieben? - Ein Ressortplan Klima mit unverbindlichen Zielen. Aber, meine Damen und Herren, es stehen auch viele gute Sachen drin. Ich nenne einige Beispiele, z. B. das Unterstützen von natürlichen Senken die Renaturierung von Mooren sei hier angeführt , die Stärkung ökologischer Baustoffe, die Förderung des Fußgänger- und Radverkehrs, klimagerechte Ernährung und Regionalität, die Kreislaufwirtschaft voranbringen und auch eine klimaneutrale Landesverwaltung, also alles gute, feine und auch richtige Maßnahmen.
Aber wie steht es denn nun um die Umsetzung? Wie ernsthaft werden diese Maßnahmen in den Ressorts umgesetzt und wie werden diese Maßnahmen denn in verbindliche Ziele umgesetzt? Fortschritte gibt es sicherlich. Insbesondere im Bereich des Ausbaus der erneuerbaren Energien haben wir Gutes vorzuweisen und können durchaus stolz sein. Die installierte Leistung von Windkraftanlagen wächst. Der Anteil der erneuerbaren Energien am Bruttostromverbrauch lag im Jahr 2022 bei 75 %. Damit gehören wir zu den Spitzenreitern. Wer gestern in Zerbst bei der Eröffnung der neuen Batteriespeicheranlage dabei war, der weiß: Das ist ein neuer Meilenstein. Herr Ministerpräsident, Sie waren dabei und haben das gesehen. Ich glaube, das ist der richtige Weg, den wir in Sachsen-Anhalt einschlagen müssen.
(Beifall bei den GRÜNEN)
Aber in vielen Bereichen haben wir eben auch noch Erhebliches zu tun, vor allem im Bereich Verkehr, Gebäude oder auch bei der Kreislaufwirtschaft. Das zeigt uns: Mit Freiwilligkeit allein wird das vielleicht nichts. Da wir momentan in Europa und Deutschland beobachten, dass Klimaschutz zum Sündenbock für verfehlte Wirtschaftspolitik gemacht wird, möchte ich gleich zu Beginn eines klären: Wir machen Klimaschutz nicht zum Selbstzweck; wir machen es, um das zu schützen, was uns trägt: unsere Lebensgrundlagen. Wir machen es für unseren Wohlstand, für unsere Gesundheit und für unsere Zukunft.
(Beifall bei den GRÜNEN)
Klimaschutz bedeutet, wenn man es einmal definiert, die Bewohnbarkeit des Planeten zu retten. Tauschen wir das Wort Klimaschutz einmal gegen diese Definition aus, dann würde der so oft benutzte Satz „Klimaschutz darf nicht auf Kosten des Wirtschaftswachstums gehen“ folgendermaßen lauten: Die Bewohnbarkeit des Planeten darf nicht auf Kosten des Wirtschaftswachstums gehen. Das lasse ich einmal kurz sacken und jeder darf einmal darüber nachdenken.
(Beifall bei den GRÜNEN)
Sicherlich kommt in den Redebeiträgen gleich die alte Leier: Klimaschutz schade unserer Wirtschaft und sei nachteilig für den Wettbewerb. Dabei ist es genau andersherum: kein Klimaschutz schadet der Wirtschaft. Derzeit werden leider noch diejenigen belohnt, die an alten, fossilen Geschäftsmodellen festhalten und sich nur mit Subventionen retten. Den Vorreitern werden oft Knüppel zwischen die Beine geworfen, jenen, die schon heute in klimafreundliche Technologien investieren und schon längst den Weg der Transformation eingeschlagen haben.
Wohin die Reise langfristig gehen wird, wissen wir doch. Wenn wir aber heute zögern, werden wir morgen wieder dumm dreinschauen, weil uns andere überholt haben. Wir kennen es aus der Solarindustrie oder von der Elektronmobilität: Wir entwickeln fleißig etwas und lassen uns dann alles aus der Hand nehmen.
(Zustimmung bei den GRÜNEN)
Werte Kolleginnen und Kollegen! Klimaschutz ist kein Luxus, den wir uns leisten müssen. Es ist eine wirtschaftliche Chance, die zu verpassen wir uns nicht leisten können. Die Klimafolgen spüren wir alle. Die Schäden treffen jeden von uns, wenn auch ungleich verteilt, und wir alle bezahlen die Rechnung, jedes Jahr, Milliarde um Milliarde, durch Ernteausfälle, Zerstörung von Infrastruktur, Lieferkettenprobleme bei Rohstoffen, Schäden an Gebäuden durch Starkregen oder durch Kosten im Gesundheitswesen.
Wir müssen Klimaschutz als Innovationstreiber für unser Land verstehen. Wenn wir heute die Entwicklungen verschlafen oder notwendige Prozesse verzögern, kommen wir auch morgen und übermorgen zu spät. Deshalb gilt es, Sachsen-Anhalt fitzumachen mit konsequentem und verbindlichem Klimaschutz für eine starke heimische Wirtschaft.
(Zustimmung bei den GRÜNEN)
Investitionen in den Klimaschutz unterstützen die Modernisierung des Wirtschaftsstandortes und tragen zur Wettbewerbsfähigkeit und zur Beschäftigung bei - im Handwerk, im Anlagenbau und auch in Forschung und Entwicklung. Deshalb gilt es, Sachsen-Anhalt mit konsequentem Klimaschutz für eine starke Wertschöpfung fitzumachen, indem wir erneuerbare Energien fördern, Gebäude sanieren, in klimafreundliche Mobilität und in eine nachhaltige Landwirtschaft investieren und damit unabhängiger von fossilen Energieimporten, von Preisschwankungen auf dem Weltmarkt und von Krisen in anderen Regionen werden. Klimaschutz ist also nicht nur ökologisch geboten, sondern er ist ökonomisch klug und, wenn richtig angepackt, sozial gerecht.
(Beifall bei den GRÜNEN)
Mit Freiwilligkeit haben wir es versucht. Wir sehen, es reicht nicht. Im vergangenen Jahr sind die Emissionen in unserem Land sogar gestiegen, wie einer Pressemitteilung vom September dieses Jahres zu entnehmen war.
Unser Gesetzentwurf soll eine Grundlage für eine gute Diskussion darüber bilden, wie wir es schaffen können, den Klimaschutz im Land erfolgreich und sozialverträglich zu gestalten. Im Folgenden möchte ich die wesentlichen Punkte unseres Gesetzentwurfs kurz darstellen.
Erstens: verbindliche Klimaschutzziele festlegen und klare Reduktionspfade bis 2045 beschreiben. Wir haben uns dabei nicht irgendwie aus dem Fenster gelehnt und sind ins Übermäßige gegangen, sondern wir haben uns an den schon bestehenden Zielen in Europa und Deutschland und auch an dem, was wir in Sachsen-Anhalt vorgegeben haben, orientiert.
Zweitens möchten wir einen Klimaschutzplan erarbeiten lassen mit Minderungszielen für die Sektoren Energiewirtschaft, Industrie, Gebäude, Verkehr, Land- und Forstwirtschaft sowie Abfall- und Abwasserwirtschaft, außerdem Maßnahmen, wie man das erreichen will, unter Angabe der eingesparten Mengen an Kohlendioxidemissionen. Gerade im Verkehrsbereich oder bei der Landwirtschaft sehen wir dabei noch ein erhebliches Potenzial, um die Ziele zu erreichen. Um diese Ziele zu erreichen, müssen alle Bereiche ihren Beitrag leisten. Es reicht eben nicht, nur die Windräder aufzustellen.
Drittens: Wir wollen ein Monitoring. Neben den schon heute bestehenden Treibhausgasberichten, die jährlich erstellt werden, schlagen wir vor, auch eine prognostizierte Entwicklung der Emissionen vorzustellen. Sie soll sich an den gesteckten Maßnahmen der einzelnen Sektoren orientieren. So stellen wir sicher, dass alle am gleichen Strang ziehen und dass die Maßnahmen auch tatsächlich wirken. Es reicht eben nicht, nur kleine Arbeitskreise zu bilden. Wir brauchen da mehr.
Viertens soll uns ein unabhängiger wissenschaftlicher Klimabeirat bei der Umsetzung fachlich unterstützen.
Fünftens soll das Land durch eine Vorbildfunktion Klimaschutz voranbringen. Dazu gehört neben einer klimaneutralen Landesverwaltung auch das haben wir aus dem Ressortplan übernommen; das ist ja schon festgelegt , die Prüfung von Gesetzentwürfen, Verordnungen oder Förderprogrammen auf ihre Auswirkungen für die Klimaschutzziele einzuführen.
Schließlich unterstützen und stärken wir die Gemeinden, Verbandsgemeinden und Landkreise bei ihren eigenen Bemühungen. Denn Klimaschutz ist eine Gemeinschaftsaufgabe, aber wir als Land müssen mit gutem Beispiel vorangehen.
(Zustimmung bei den GRÜNEN)
Wir legen mit diesem Gesetzentwurf heute eine Grundlage für eine Diskussion, der Sie sich hoffentlich nicht verweigern werden; denn auch Sie als Koalition bekennen sich ja zum Klimaschutz. Mit dem ZuKK-Prozess haben Sie gute Ergebnisse erzielt und eine gute Vorarbeit geleistet. Aber jetzt geht es, glaube ich, tatsächlich darum, diese Ergebnisse verbindlich zu gestalten und eben nicht nur auf Freiwilligkeit zu setzen,
(Zustimmung bei den GRÜNEN)
weil wir doch immer wieder erkennen müssen, dass in manchen Ministerien eben doch nicht nach den Ergebnissen des ZuKK-Prozesses gehandelt wird.
Meine Damen und Herren! Ja, es ist Zeit zum Handeln. Das hören wir schon seit vielen, vielen Jahren. Aber wir müssen den Klimaschutz in Sachsen-Anhalt jetzt verbindlich regeln.
(Zustimmung bei den GRÜNEN)
Wir dürfen nicht vergessen das ist mir wichtig , worum es im Kern geht. Es geht nämlich um die Gerechtigkeit zwischen den Generationen. Das Bundesverfassungsgericht hat klar entschieden: Wenn wir heute zu wenig tun, beschneiden wir die Freiheitsrechte der jungen und der kommenden Generationen. Das sind auch Ihre Kinder und auch Ihre Enkel. Das sind Menschen, die morgen früh oder morgen Mittag wieder für das Klima in Sachsen-Anhalt auf die Straße gehen. Das kann man nervig finden, das kann einem passen oder nicht, aber das Anliegen einer lebenswerten Zukunft kann man nicht einfach wegwischen und so tun, als ginge uns das nichts an.
(Beifall bei den GRÜNEN)
Es geht uns etwas an. Wir als Politikerinnen und Politiker gestalten das jetzt und morgen. Es ist unsere Aufgabe, jetzt Entscheidungen zu treffen, die den nächsten Generationen eine Welt hinterlassen, in der man leben kann, wie wir es vielleicht als Kinder gewohnt waren oder es jetzt gewohnt sind.
(Zustimmung bei den GRÜNEN)
Wir wollen ein Sachsen-Anhalt, das zu seiner Verantwortung steht. Wir können entweder Getriebene des Wandels sein oder wir gestalten ihn selbst. Mit diesem Klimaschutzgesetz entscheiden wir uns für das Gestalten, für die Zukunft, für ein lebenswertes, starkes und nachhaltiges Sachsen-Anhalt. - Herzlichen Dank.
(Beifall bei den GRÜNEN)
Vizepräsident Wulf Gallert:
Es gibt mehrere Fragewünsche. Als Erstes frage ich Sie: Wollen Sie eine Frage von Herrn Lizureck beantworten?
Wolfgang Aldag (GRÜNE):
Ja, machen wir.
Vizepräsident Wulf Gallert:
Herr Aldag gibt Ihnen die Chance. - Bitte sehr.
Frank Otto Lizureck (AfD):
Erst einmal vielen Dank für das Zulassen der Frage. Von mir zunächst eine Äußerung, und zwar: Das Statistische Landesamt spricht von einer Auslastung von Windkraftanlagen von jährlich 20 % bis 25 %. Es dürfte jedem klar sein, dass das höchst unwirtschaftlich ist. Für jede Windkraftanlage werden erhebliche Investitionen getätigt und Subventionen gezahlt, auch wenn sie dann nicht den entsprechenden Erfolg bringt. Andererseits haben wir durch diese ganzen Maßnahmen doch einen enormen Kostendruck im Energiesektor, der unsere Wirtschaft fluchtartig das Land verlassen lässt. Das können wir anhand der vielen Betriebsschließungen bzw. Betriebsverlegungen ins Ausland nachweisen.
Jetzt haben wir aber auch noch die folgende Erscheinung,
(Olaf Meister, GRÜNE: Das sind aber auch wirklich Erscheinungen!)
dass jeder Betrieb, der in die USA abwandert, doppelt so viel CO2 ausstößt, als wenn er in Deutschland weiterproduzieren würde. Jeder Betrieb, der nach China auswandert, bläst dann viermal so viel CO2 in die Luft. Das dürfte mit Sicherheit nicht Ihren Vorstellungen entsprechen. Sind Sie nicht auch der Meinung, dass wir mit unserer Energiepolitik das Klima nachhaltig schädigen?
Wolfgang Aldag (GRÜNE):
Nein.
(Beifall bei den GRÜNEN)
Vizepräsident Wulf Gallert:
Dann kommen wir zur nächsten Frage, die von Herrn Silbersack kommt.
Andreas Silbersack (FDP):
Lieber Kollege Aldag, Sie haben so schön ausgeführt: Mit Freiwilligkeit funktioniert es nicht; Sie brauchen Zwang. Und deshalb wollen Sie das Klimaschutzgesetz einführen.
(Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Verbindlichkeit!)
Sie wollen im Grunde genommen etwas durchsetzen, das die Wirtschaft freiwillig nicht tut. Gleichzeitig nehmen wir wahr, dass die Wirtschaft, die Industrie hier im Land ächzt, gerade unter diesen Zielen. Gleichzeitig nehmen wir wahr, dass Reint Gropp als Chef des IWH klar artikuliert hat, dass das Erreichen der Klimaziele in Deutschland im Jahr 2045 wohl nicht mehr der Realität entsprechen kann und dass man sich doch eher darauf einigen sollte, dass ein Zieljahr 2050 im europäischen Kontext sinnvoller wäre.
In dieser Situation, in der die Kräfte auseinanderklaffen, stellen Sie sich hier hin und sagen: Wir brauchen keine Freiwilligkeit; wir brauchen Zwang. Ich würde gern wissen, wie Sie diese beiden Dinge, Ihren Willen zum Zwang und das Überleben der Wirtschaft, eigentlich zusammenbringen wollen. - Vielen Dank.
Vizepräsident Wulf Gallert:
Sie haben das Wort.
Wolfgang Aldag (GRÜNE):
Vielen Dank für die Frage, Herr Kollege Silbersack. Sie versuchen immer, uns mit Absicht irgendwie falsch zu verstehen. Ich habe nicht von Zwang gesprochen. Das ist kein Zwang.
(Zurufe)
Ich spreche von Verbindlichkeiten, von Dingen, die Sie als Koalition in einem ZuKK-Prozess, der von Ihnen als Koalitionsfraktionen im Koalitionsvertrag verankert ist, in die Wege geleitet haben. Unser Gesetzentwurf macht nichts anderes, als die Ergebnisse aus dem ZuKK-Prozess, also Ihre eigene Arbeit, das, was Sie geleistet haben und was Sie wollten, verbindlich zu machen. Und das halte ich für notwendig.