Eva von Angern (Die Linke):
Zu dem demokratischen Fauxpas der CDU im Bund bei dem Zustandekommen dieses Sondervermögens will ich heute ausdrücklich nichts sagen. Ich finde, diesen Vertrauensverlust haben Sie selbst zu verantworten.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Wir alle wissen, der Alltag läuft nur, weil Menschen in der Pflege, bei der Bahn, in Kitas und in Krankenhäusern tagtäglich alles geben. Sie halten unser Land am Laufen, und sie sind die ersten, die merken, wenn etwas ins Wanken gerät.
Bahnen und Busse fallen aus oder fahren mit sehr viel Verspätung, sodass die Menschen nicht von A nach B kommen. In den Schulen tropft es, Sportanlagen können nicht genutzt werden und es gibt Wartelisten bei den Kitas, den Jugendbildungsstätten und den Frauenhäusern. Genau das zeigt, wie falsch die Prioritäten in den letzten Jahrzehnten in Bund und Land gesetzt wurden.
Mit dem Sondervermögen für Infrastruktur und Klimaschutz wurde ein milliardenschweres Instrument geschaffen, ein Instrument, das langfristig entlasten und Zukunftsinvestitionen ermöglichen soll, das den Menschen Sicherheit und Vertrauen zurückgeben soll. Das Ziel, meine Damen und Herren, ist richtig; denn der Investitionsstau ist enorm. Er ist brutal sichtbar für alle Menschen, auch für uns. Ich nehme die Pointe aber schon vorweg. Ja, wir reden hier über viel Geld. Dieses Geld wird dafür sorgen, dass die Situation sich in den Kommunen nicht noch weiter verschlechtert, aber spürbare Verbesserungen werden dadurch nicht erzeugt. Und das ist ein Problem.
(Beifall bei der Linken)
Mehr als 200 Milliarden € fehlen in den Städten und Gemeinden Deutschlands. Allein in Sachsen-Anhalt sind es ca. 6 Milliarden € bis 7 Milliarden €. Sie fehlen nicht für Traumschlösser, für Prestigeprojekte, sondern sie fehlen für Investitionen, die für den Erhalt der Daseinsvorsorge, für die Menschen vor Ort, die schon lange auf Lösungen warten, so dringend erforderlich sind.
Die Kommunen sind der entscheidende Faktor, wenn es darum geht, die Gelder auf die Straße und die Konjunktur wieder in Schwung zu bekommen. Sie tragen bis zu 60 % aller öffentlichen Bauinvestitionen in Deutschland. Dass sie im Rahmen des Sondervermögens ebenfalls 60 % der Mittel erhalten, ist konsequent. Aber wir wissen: Das ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Viele Städte und Gemeinden laufen bereits im Jahr 2026 Gefahr, haushaltspolitisch an die Wand gefahren zu werden. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie wissen, das ist kein Alarmismus, das ist hier in Sachsen-Anhalt in unseren Kommunen Realität. Deswegen sage ich ganz deutlich: Wir brauchen mehr als dieses Sondervermögen.
(Beifall bei der Linken)
Wir brauchen eine dauerhafte kommunale Investitionsoffensive. Wir müssen die Kommunen wieder in die Lage versetzen, selbst zu investieren, ohne Jahr für Jahr um Fördermittel betteln zu müssen. Sie brauchen dauerhafte, planbare Mittel, damit die Investitionen in Schulen, Straßen, Feuerwehren und Frauenhäuser eben keine Ausnahme, sondern Normalität sind. Nur so kann man der rechten Dystopie konsequent entgegentreten und den Menschen Respekt und Sicherheit geben.
Meine Damen und Herren! Wenn der Staat in Straßen investiert, dann deshalb, damit die Kinder sicher in die Schule, Menschen zum Arzt und Pflegekräfte zu ihren Patientinnen und Patienten kommen, aber nicht, damit Panzer schneller rollen. Wir lehnen es daher entschieden ab, wenn zivile Infrastruktur Brücken, Straßen, Schienennetze in Wahrheit nach militärischer Nutzbarkeit geplant
(Guido Kosmehl, FDP: Oh! Macht das Die Linke in Bremen nicht?)
oder bewertet werden. Infrastruktur gehört den Menschen, nicht den Militärstrategen.
(Beifall bei der Linken - Anne-Marie Keding, CDU: Aber das Militär ist für die Menschen da!)
Deshalb sagen wir ganz klar: Investitionen ja, aber für die Gesellschaft und nicht für den Krieg. Deshalb hat unsere Bundestagsfraktion das Sondervermögen abgelehnt. Denn es nützt vor allem einem: der Rüstungsindustrie.
Wir stehen zu den Investitionen in Straßen und Schienen. Ja, das braucht unser Land. Für die, die sich nicht erinnern: 700 km Schienen sind in den letzten 30 Jahren in Sachsen-Anhalt abgebaut worden.
(Beifall bei der Linken)
Gleichzeitig fehlt es aber in dem Gesetzentwurf bzw. dem Wirtschaftsplan an der Förderung für Energieversorgung und Gewaltprävention. Ich sage es ganz deutlich ich bin Rechtspolitikerin : Die Modernisierung von Justizgebäuden ist wichtig, sollte aber Teil des Kernhaushaltes und nicht eines Sondervermögens sein.
(Beifall bei der Linken)
Meine Damen und Herren! Wenn über Infrastruktur gesprochen wird, dann wird die Bildung und die Zukunft unserer Kinder zu oft vergessen. Dabei sind jede sanierte Schule, jede Kita und jedes Schwimmbad eine direkte Investition in die Zukunft und für die Gerechtigkeit. Darüber hinaus sichern diese Investitionen auch den Fortbestand unserer Wirtschaft. Deshalb fordern wir, dass Bildungseinrichtungen prioritär aus dem Sondervermögen gefördert werden, nicht nur mit 77 Millionen €, sondern wie bspw. in Mecklenburg-Vorpommern mit mehreren Hundert Millionen Euro. Das ist übrigens auch generationengerecht meine Vorredner sagten es , weil davon diejenigen profitieren, die am Ende die Zeche zahlen; denn sie müssen die Schulden abbauen.
Meine Damen und Herren! Für uns als Linke ist klar: Auch der Schutz von Frauen und Kindern vor Gewalt ist Teil der öffentlichen Infrastruktur. Frauenhäuser, Beratungsstellen, Notrufe sind notwendiger Bestandteil unserer Gesellschaft. An dieser Stelle noch einmal ein Dank an die FDP und CDU: Sie haben diesbezüglich in den letzten Jahren etwas unternommen. Aber wenn wir wirklich von Infrastruktur für Menschen sprechen, dann muss auch Gewaltschutz Teil dieses Sondervermögens sein. Nehmen Sie sich auch hierzu ein Beispiel am Land Mecklenburg-Vorpommern. Dort werden einige Millionen Euro aus dem Sondervermögen in diesen Bereich investiert. Oder schauen Sie in das Land Hessen, das mehrere Hundert Millionen Euro in den Bereich Gesundheit und Krankenhäuser fließen lässt. Das wäre aus meiner Sicht ein sehr kluger Weg auch für Sachsen-Anhalt.
(Beifall bei der Linken)
Wir erleben derzeit viele Debatten und Programme mit großen Worten zur Sicherheit Deutschlands. Dabei geht es aber oft, zu oft um eine militärische Logistik oder um das Schüren von Ängsten statt um soziale Sicherheit. Doch Sicherheit entsteht nicht durch militärische Beweglichkeit, nicht durch Kriegstauglichkeit und schon gar nicht durch eine Bundeswehrlotterie. Sie entsteht durch Bildung, gerechte Löhne, Gesundheitsversorgung, Gleichstellung und vor allem durch den Schutz vor Gewalt und sozialen Härten. - Da ich das Husten des Landtagspräsidenten wahrgenommen habe: Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. Wir werden dafür stimmen, den Gesetzentwurf zu überweisen.
(Beifall bei der Linken)
Haben Sie mir den Apparat abgestellt?
Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:
Nein, alles gut. Es gibt ohnehin eine Frage von Herrn Kosmehl. Ich wollte nur, dass Sie halbwegs im Rahmen der Redezeit bleiben.
(Marco Tullner, CDU: Aber nicht zu Mecklenburg-Vorpommern!)
- Herr Tullner, ist gut. - Herr Kosmehl, bitte.
Guido Kosmehl (FDP):
Vielen Dank, Herr Präsident. - Frau Kollegin von Angern, weil Sie sich hinsichtlich der Ertüchtigung der Bundeswehr so vehement geäußert und diese so kritisch gesehen haben, würde ich Sie doch gern etwas fragen. Im Land Bremen regiert Die Linke mit. Wie ich auch Pressemitteilungen entnommen habe, bemüht sich der Senat Bremens sehr intensiv darum, Mittel aus dem Sondervermögen Bundeswehr nach Bremen zu holen. Wie steht denn Die Linke als Regierungspartei genau dazu?
Eva von Angern (Die Linke):
Ich kann Ihnen deutlich sagen insofern passt das Agieren in Bremen sehr wohl mit dem Agieren der Bundestagsfraktion der Linken zusammen : Wir haben immer dafür geworben, dass es eine andere Verteilung innerhalb des Sondervermögens geben muss. Deswegen habe ich ja gemeint, dass es quasi ein Freifahrtschein für die Rüstungsindustrie ist. Es war nie unser Wille, dass es eine solche Verteilung gibt.
Das Sondervermögen für die Länder und die Kommunen, die hier in Sachsen-Anhalt zum Glück mindestens von 60 % profitieren, hätte weitaus größer sein müssen. Dass von den Ländern jetzt Mittel aus dem Sondervermögen Bundeswehr genutzt werden, um in Brücken zu investieren, davon gehe ich aus; denn sie sind schlau genug, das genau darüber zu tun. Ich finde es trotzdem falsch, dass es im Bundestag genau diese Mittelverteilung gegeben hat.
Ich stehe dazu: Wir brauchen neben dem Sondervermögen auch eine Diskussion über die Einnahmesituation. Denn diese Bettelei Ich meine, wir bekommen das in allen Bundesländern mit. Es gibt sehr unterschiedliche Konstrukte. Thüringen kommt auf ein ganz besonderes Modell, wie die Gelder zu den Kommunen kommen sollen.
Ich finde, wir sollten nicht mehr über Sondervermögen reden vielleicht kommen wir diesbezüglich sogar auf einen Punkt , die nur über Verschuldung aufgenommen werden können. Vielmehr müssen wir endlich über eine andere Einnahmesituation reden. Gerade in einem ostdeutschen Bundesland wie Sachsen-Anhalt mit Kommunen, die finanziell mit dem Rücken zur Wand stehen, wo in einigen Stadträten nur noch darüber gesprochen wird, die Friedhofskosten zu erhöhen, damit man die Einnahmen noch irgendwie erhöhen kann, sollten wir, finde ich, über ganz andere Dinge reden.
Insoweit sind wir als Linke ganz klar: Wir brauchen eine Vermögensteuer, wir brauchen eine Veränderung in der Erbschafts- und Schenkungssteuer. Dann würde es finanziell auch für uns in Sachsen-Anhalt weitaus besser aussehen. Denn auch wir würden davon profitieren.