Guido Kosmehl (FDP):
Sehr geehrter Herr Präsident! Der Fraktionsvorsitzende der AfD hat ja wieder ein Sprüchefeuerwerk abgeliefert.
(Christian Hecht, AfD: Ein Zahlenfeuerwerk!)
Aber die Inhalte sind dann doch verborgen geblieben. Ihre Lösung, Herr Kirchner das will ich Ihnen auch sagen , ist keine Lösung, oder wenn, dann bewegen wir uns nicht mehr auf dem Boden des Grundgesetzes.
Denn die Innenministerin hat wenn Sie zuhören würden, wüssten Sie das auch heute wieder in einer Antwort auf eine Nachfrage deutlich gemacht, dass uns natürlich auch Gerichte das ist der Rechtsstaat, den Sie ja dann irgendwie wieder weghaben wollen Hürden z. B. bei der Abschiebung auferlegen. Weil wir aber den Rechtsstaat akzeptieren, können wir Leute nicht abschieben, sondern müssen sie dulden.
(Zustimmung von Dr. Katja Pähle, SPD)
Ich weiß jetzt nicht genau, wie Ihre Vorstellung von Rechtsstaat aussieht, wenn unabhängige Gerichte Ihnen das vorgeben, wie Sie das sozusagen machen wollen.
(Eva von Angern, Die Linke: Das macht mir ein bisschen Angst!)
Deshalb machen Sie halt auch keine Lösungsvorschläge.
Diese Debatte hätte es aus meiner Sicht nicht gebraucht,
(Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Ja! - Zustimmung von Guido Heuer, CDU)
weil sie und das ist vielleicht auch der Vorwurf, den man Friedrich Merz machen muss eine Verengung vornimmt, z. B. auf das Stadtbild, die man gar nicht vornehmen sollte, wenn es wirklich darum ginge, unsere Heimat, unsere Städte und Gemeinden liebens- und lebenswert zu machen.
Denn zum Stadtbild gehört mehr als nur Probleme, und zwar ernstzunehmende Probleme von Händlerinnen und Händlern, die über Ladendiebstähle klagen. Dazu gehört mehr als nur die Ansammlung von Jugendlichen oder Migranten. Dazu gehört mehr als die Aussage, da sind die falschen Leute unterwegs.
Deshalb sage ich Ihnen für die Freien Demokraten: Wir werden weiterhin an Lösungen mitarbeiten zur Migration komme ich gleich , aber wenn es Ihnen und dem Kanzler wirklich um das Stadtbild geht, um unsere Gemeinden, dann müssen wir über mehr reden, dann müssen wir uns darüber Gedanken machen, wie es gelingt, dass Innenstädte nicht von Leerstand geprägt werden, dass Innenstädte attraktiv werden.
Und eines will ich auch einmal ein Beispiel aus meiner Jugend aufgreifen: Auch zu meiner Zeit haben sich Jugendliche in Cliquen getroffen. Darüber haben auch so manche Ältere die Nase gerümpft. Und ob wir uns immer an die Regeln gehalten haben, will ich jetzt mal dahingestellt sein lassen, auch wenn es verjährt ist.
Aber ich sage Ihnen: Wenn wir ihnen Angebote unterbreiten, wenn wir ihnen Sportvereine und andere Vereine anbieten, hilft das eben auch dabei, dass sich so etwas nicht entwickelt.
(Beifall bei der Linken, bei der SPD und bei den GRÜNEN)
Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren - das sage ich ausdrücklich in Richtung der Linken , man kann nicht immer mit Empörungsrhetorik versuchen, sich auf ein Thema zu setzen und allen anderen, die ein Thema ansprechen, komplett das Gegenteil unterstellen.
(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Zustimmung von Dr. Katja Pähle, SPD)
Ich finde - Sie wissen, der Kanzler gehört nicht meiner Partei an , jemandem wie dem Bundeskanzler mit seiner Vita und seinen bisherigen politischen Lebensleistungen rassistische Äußerungen vorzuwerfen,
(Eva von Angern, Die Linke: Das war es doch! - Hendrik Lange, Die Linke: Das war es aber!)
das geht überhaupt gar nicht. Das funktioniert auch nicht, wenn man dazu beitragen will, dass man eine Lösung schafft.
(Beifall bei der FDP und bei der CDU)
Die Lösung kann übrigens auch nicht darin liegen, dass ich einen vegetarischen Döner mit weißer Soße poste und sage, ich habe im Stadtbild kein Problem gefunden, wie das Frau Göring-Eckardt getan hat.
(Stephen Gerhard Stehli, CDU: Wer ist das noch mal?)
Ich meine, wir haben doch andere Probleme, meine sehr geehrten Damen und Herren.
(Zustimmung bei der CDU)
Deshalb will ich noch einmal versuchen, Ihnen deutlich zu machen, wie wir als Freie Demokraten die Probleme angehen wollen. Wir wollen eine Ordnung in den Bereich der Migration bringen.
(Beifall bei der FDP und bei der CDU)
Dazu gehören für uns vier Türen: Asyl, subsidiärer Schutz, Erwerbszuwanderung, also Arbeits- und Fachkräftezuwanderung, aber als vierte Tür eben auch die Rückführung derjenigen, die keinen Aufenthaltstitel und keine Duldung haben.
(Beifall bei der FDP - Zustimmung bei der CDU)
Das gilt besonders auch für diejenigen, die sich nicht an unsere Regeln einhalten und hier sogar straffällig werden, oder auch für Leute - das habe ich hier schon mehrfach gesagt , die vor einer Diktatur oder vor Krieg fliehen, hier einen Schutzstatus bekommen, dann aber regelmäßig auf Urlaub in das Heimatland fahren, zurückkommen und hier wieder den Schutzstatus haben.
(Beifall bei der FDP und bei der CDU)
Wir müssen doch darüber reden, ob der Schutzstatus noch gerechtfertigt ist, wenn das doch für den Einzelnen nicht mehr so schwierig ist und er sogar hinfliegen und wieder zurückkommen kann, meine sehr geehrten Damen und Herren. Das hat nichts mit Rassismus zu tun,
(Beifall bei der FDP und bei der CDU)
sondern das hat etwas damit zu tun, dass wir die Regeln einhalten, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Ich plädiere dafür Das werden Sie von keinem Freien Demokraten anders hören: Deutschland hat eine Verpflichtung, denjenigen, die Schutz suchen, temporär Schutz zu gewähren, und denjenigen, die verfolgt werden, Asyl zu gewähren. Das werden wir niemals in Abrede stellen,
(Zustimmung von Anne-Marie Keding, CDU)
aber dazu gehört, dass sich diejenigen integrieren
(Beifall bei der FDP und bei der CDU)
und hier an die Regeln halten, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Ich will an der Stelle ausdrücklich - denn das hat mich vorhin wirklich ein Stück weit geärgert - auf die Frage bzw. die Bemerkung von Herrn Striegel eingehen. Denn es klingt immer so - ich höre das in der Debatte häufig , dass jemand, der arm ist, der aus einfachen Verhältnissen kommt oder der als aufenthaltsberechtigter geflohener Mensch hierherkommt, keine andere Möglichkeit hat.
(Sebastian Striegel, GRÜNE: Das habe ich nicht gesagt! Das war nicht ich, Herr Kosmehl!)
Deshalb sage ich ausdrücklich: Wenn man aus ärmlichen Verhältnissen kommt oder, wie wir früher gesagt haben, in einfachen Verhältnissen aufwächst, dann muss man deshalb nicht kriminell werden,
(Beifall bei der FDP und bei der CDU)
man kann etwas aus seinem Leben machen. Genau deshalb kämpfen wir Freie Demokraten und Jörg Bernstein für die Chancengerechtigkeit am Start, dafür, eine Schulbildung zu erhalten, damit eben nicht die Lebensverhältnisse darüber entscheiden, ob man etwas erreichen kann. Aber jeder Einzelne muss sich dann auch anstrengen, um etwas zu erreichen. Wir als Gesellschaft müssen die Möglichkeiten haben, damit die Integration gelingen kann. Aber Integration ist keine Einbahnstraße. Integration brauchen alle. Dazu gehört - ich sage es immer wieder - auch das Erlernen der Sprache, um sich verständigen zu können.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Landesregierung Um jetzt einmal auf ein Stadtbild in Sachsen-Anhalt und auf das zurückzukommen, was die CDU-Fraktion und der geschätzte Kollege Schulenburg heute in ihrem Redebeitrag zu der Migration gesagt haben. Ich will das auch noch einmal deutlich machen. Nachdem wir am Anfang der Legislaturperiode -dazu habe ich mich immer wieder auch kritisch geäußert - etwas zögerlich waren bei der Frage der Abschiebung, aber auch der freiwilligen Rückführung, haben wir wirklich Tempo aufgenommen.
(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU - Florian Schröder, AfD, lacht)
Wir sind in den letzten Jahren vorangekommen. Trotzdem - ich denke, das stellt uns beide, Frau Ministerin, aber auch die Koalitionsparteien nicht zufrieden - haben wir noch immer eine große Anzahl an Ausreisepflichtigen ohne Duldung, also an sofort vollziehbar Ausreisepflichtigen. Dort wollen wir weiter dranbleiben. Das wird auch dazu beitragen, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass wir etwas an der Wahrnehmung ändern. Denn Menschen sagen: Hier sind doch Leute, die nicht hierhergehören. Diese sind dann nicht mehr hier, wenn wir entsprechend kontinuierlich weitermachen.
Ich will zum Abschluss sagen - auch das hat die Ministerin dankenswerterweise erwähnt, auch wenn sie den Urheber nicht genannt hat : Dass es in der letzten Legislaturperiode des Deutschen Bundestages gelungen ist, ein Einwanderungsgesetz,
(Dr. Katja Pähle, SPD: Ja!)
ein Fachkräftezuwanderungsgesetz zu etablieren, um zu sagen, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist, das ist ein großer Erfolg der letzten Bundesregierung.
(Zustimmung von Andreas Silbersack, FDP, von Dr. Katja Pähle, SPD, und von Dr. Heide Richter-Airijoki, SPD)
Deshalb müssen wir denjenigen, die sich hier aufhalten, weil sie über einen Schutzgrund hierhergekommen sind oder Asyl haben, die sich hier integrieren, die hier in den Arbeitsmarkt einsteigen wollen, die Chance geben, den Spurwechsel zu vollziehen, um hier dauerhaft ein Aufenthaltsrecht zu bekommen. Denn wir brauchen diese Menschen - immer unter der Voraussetzung, dass sie sich hier entsprechend integrieren und an die Regeln halten. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Zustimmung bei der SPD)
Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:
Danke, Herr Kosmehl. - Es gibt gleich zwei Abgeordnete, die eine Intervention loswerden wollen. Der Erste ist Herr Gallert.
Wulf Gallert (Die Linke):
Herr Kosmehl, ich will es ganz ruhig formulieren. Wir haben große politische Differenzen. Aber es gibt, denke ich, gerade auch in dieser Frage die Notwendigkeit, über politische Differenzen hinweg zumindest eine Grundverständigung zu erzielen. Deswegen will ich noch einmal sagen, warum wir diese Äußerung des Bundeskanzlers für rassistisch halten. Und zwar hat er nicht nur gesagt, es gibt Probleme mit dem Stadtbild, sondern er hat im nächsten Satz ausdrücklich gesagt, diese Probleme lösen wir durch Herrn Dobrindt, der die Abschiebungen realisiert. Das bedeutet doch im Endeffekt im Umkehrschluss, dass sich alle Probleme, die wir im Stadtbild haben, durch Abschiebungen bewältigen lassen. Das ist genau das, was das Rassistische an dieser Geschichte ausmacht.
Es geht nicht an sich um Kriminalität, es geht nicht um Vermüllung, es geht nicht um Sicherheit, sondern es geht darum, dass unsere Probleme ausschließlich von denjenigen zu kommen scheinen - das hat er mit dieser Aussage suggeriert , die wir abschieben wollen.
Jetzt hat Herr Kirchner sozusagen in seiner grundrassistischen Rede die Dinge aufgezählt, die aus Ihren Problemen Von den 63 %, die darin zustimmen, hat, glaube ich, ein Großteil genau dieses Weltbild. Sie kommen in eine Straßenbahn, und dort sind Menschen, die fremdländisch aussehen. Niemand von uns weiß, ob sie gerade zur Arbeit fahren,
(Daniel Rausch, AfD, lacht)
ob sie abgeschoben werden müssten, ob sie vielleicht deutsche Staatsbürger sind oder ob sie vielleicht sogar hier geboren wurden. Es reicht, dass sie ausländisch aussehen,
(Jörg Bernstein, FDP: Nein!)
und das stört im Stadtbild. Das will Herr Merz lösen, indem er Leute abschieben will, und zwar massenhaft. Das ist das Rassistische an dieser Aussage. Es geht nicht um die Problemlösung, sondern es geht darum: Alle unsere Probleme kommen aus dem Ausland, und wenn wir die Personen abschieben, sind wir sie los. Deswegen wehren wir uns dagegen. - Danke.
(Zustimmung bei der Linken und von Susan Sziborra-Seidlitz, GRÜNE)
Guido Kosmehl (FDP):
Herr Gallert, ich bin nicht der Redeverantwortliche von Friedrich Merz. Man hätte diese Aussage sicherlich differenzierter und klarer treffen können und müssen. Das haben wir auch von ihm vielfältig an anderen Stellen so gehört.
Aber ich will noch auf einen Punkt eingehen, weil Sie mit dem Straßenbahnbild kamen. Wissen Sie, was mich umtreibt? - Mich treibt um, dass Menschen jüdischen Glaubens in manchen Bezirken in Berlin nicht mehr mit Kippa über die Straße gehen
(Beifall bei der FDP - Andreas Schumann, CDU: So ist es!)
oder dass ein homosexuelles Pärchen nicht mehr Händchen haltend geht, weil sie sozusagen angegangen werden.
(Zuruf von Hendrik Lange, Die Linke)
Das hat übrigens auch gar nichts mit denjenigen zu tun, die seit 2015 zu uns gekommen sind. Vielmehr haben wir in der Bundesrepublik Deutschland, gerade auch in West-Berlin oder im ehemaligen West-Berlin, Probleme dahin gehend, dass wir Menschen über viele Jahre hinweg nicht integriert haben und bis heute Parallelgesellschaften bestanden, die jetzt aufleben. Der Antisemitismus, der sozusagen auf den Straßen tagtäglich herbeigeredet wird, der macht mir Angst. Das ist auch ein Stadtbild.
(Beifall bei der FDP und bei der CDU)
Das ist auch etwas: Die Menschen fragen: Mensch, kann ich noch dorthin gehen? Dabei bin ich noch gar nicht bei den Silvesterfeierlichkeiten.
(Zuruf von Andreas Schumann, CDU)
Insoweit haben wir auch noch andere Probleme.
Aber, Herr Präsident, erlauben Sie mir noch einen Satz. Denn das habe ich jetzt tatsächlich vergessen. Der Kollege Erben war schon einmal in Verantwortung, zusammen mit Herrn Hövelmann: also Minister Hövelmann, Staatssekretär Erben.
(Rüdiger Erben, SPD: Das ist lange her!)
In der Zeit wurde wahnsinnig gekämpft für das Alkohol- und Glasflaschenverbot am Hasselbachplatz. Denn das war die Lösung. Dass die Leute dann nicht einmal mehr Milch in einer Glasflasche kaufen konnten, weil sie dann nicht mehr über den Hasselbachplatz laufen durften,
(Ulrich Siegmund, AfD, lacht)
sagt vieles aus. Verbote sind keine Lösung, sie sorgen nur für Verdrängung, meine sehr geehrten Damen und Herren.
(Beifall bei der FDP und bei der CDU)
Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:
Danke, Herr Kosmehl. - Jetzt folgt noch Herr Striegel mit seiner Intervention, zwei Minuten im Maximum. Auch bei Herrn Gallert war ich sehr streng.
Sebastian Striegel (GRÜNE):
Herzlichen Dank, Herr Präsident. - Herr Kollege Kosmehl, ich möchte nur an einer Stelle auf Sie reagieren. Ich würde gern die aus meiner Sicht böswillige Unterstellung zurückweisen, ich hätte hier Kriminalität gerechtfertigt. Das habe ich nicht. Ich habe auf die kriminologische Forschung verwiesen, und ich finde, insbesondere wir als demokratisch-politisch Handelnde
(Florian Schröder, AfD, lacht)
tun gut daran, uns an Forschungsergebnissen zu orientieren. Wir sind uns doch darin einig, dass Menschen ihr Leben in der Hand haben, dass sie Chancengerechtigkeit brauchen, dass wir gute Infrastruktur - gute Bildungsinfrastruktur und gute Sportvereinsinfrastruktur - brauchen, um Kriminalität präventiv zu begegnen.
(Zuruf von Jörg Bernstein, FDP)
Aber wir sollten auch die kriminologischen Erkenntnisse zur Kenntnis nehmen. Diese sagen nun einmal aus: Herkunft ist kein Prädikator für irgendetwas beim Kriminalitätsgeschehen, es sind soziale Zusammenhänge, Wohnorte usw. Ich glaube, wir als Demokratinnen und Demokraten müssen gemeinsam an guter Infrastruktur, an einem guten Stadtbild arbeiten. Dabei können wir uns zusammentun. Wir sollten uns nicht solche Sachen unterstellen. - Herzlichen Dank.
(Zustimmung von Olaf Meister, GRÜNE)
Guido Kosmehl (FDP):
Herr Präsident! - Sie haben sich die kriminologische Forschung zu eigen gemacht. Was die Herkunft betrifft - das war mein Punkt , widerspreche ich eindeutig. Ich glaube, auch jeder, der in einfachen Verhältnissen aufwächst, kann ohne Straftaten durchs Leben kommen. Das sollten wir ihm ermöglichen. - Vielen Dank.