Petra Grimm-Benne (Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Gewalt kennt keine Grenzen. Sie betrifft Menschen aller Geschlechter, aller Altersgruppen und aller sozialen Hintergründe. Menschen mit Behinderung sind in diesem Kontext besonders vulnerabel, da sie einem vergleichsweise hohen Risiko ausgesetzt sind, in verschiedenen Lebensbereichen und speziell in Einrichtungen Gewalt zu erfahren.
Das Land Sachsen-Anhalt ist sich dieser Dringlichkeit sehr bewusst. In dem vorliegenden Antrag wird die Notwendigkeit betont, die Infrastruktur zum Schutz von Frauen und Mädchen vor Gewalt weiterzuentwickeln und die Bedürfnisse von Frauen mit Behinderungen stärker zu berücksichtigen.
Auch die Landesregierung verfolgt dieses Ziel, um sicherzustellen, dass Frauen mit Behinderung nicht aufgrund fehlender barrierefreier Angebote oder mangelnder Vernetzung vom Hilfesystem ausgeschlossen werden. Daher hat die Landesregierung bereits eine Vielzahl von Maßnahmen ergriffen, um den spezifischen Bedürfnissen dieser Zielgruppe gerecht zu werden.
So wurde bereits im Jahr 2021 eine erste Bestandsaufnahme des Hilfesystems in Auftrag gegeben, deren Empfehlungen insbesondere im Hinblick auf den Ausbau von Hilfsangeboten im ländlichen Raum und für besonders vulnerable Gruppen bereits umgesetzt wurden.
Eine zentrale weitere Empfehlung der Bestandaufnahme bestand darin, die Perspektive der Nutzerinnen des Hilfesystems stärker zu berücksichtigen. Dies wird mit dem aktuellen Forschungsprojekt WEMO umgesetzt - wir haben im Sozialausschuss schon dazu berichtet , das darüber hinaus auch die Bedarfe gewaltbetroffener Frauen berücksichtigt, die das Hilfesystem bislang nicht genutzt haben. Die Ergebnisse dieses Projektes sind entscheidend für die Weiterentwicklung des Gewaltschutzes in unserem Land. Auch im Rahmen der Umsetzung des Gewalthilfegesetzes werden wir die spezifischen Bedürfnisse von Frauen und Mädchen mit Behinderungen sowie andere vulnerable Gruppen berücksichtigen. Ziel ist es sicherzustellen, dass keine Frau im System verlorengeht.
Meine Damen und Herren Abgeordneten! Frauen und Mädchen mit Behinderungen stoßen oft auf bauliche und kommunikative Barrieren beim Zugang zum Hilfesystem. Die Richtlinie zur Förderung der Frauenhäuser wurde angepasst, um bei Umbauten oder Kapazitätserweiterungen eine barrierefreie Nutzung sicherzustellen. Durch das Bundesinvestitionsprogramm „Gemeinsam gegen Gewalt an Frauen“ sowie landesseitige Förderungen können Maßnahmen zur Verbesserung des Zugangs für spezifische Zielgruppen unterstützt werden. So konnte vor wenigen Wochen das barrierefreie Frauenhaus in Weißenfels neu eröffnet werden. Das ist durchaus ein Vorzeigeobjekt hier bei uns im Land.
(Zustimmung bei der SPD)
Um den barrierefreien Ausbau der Frauenhäuser in unserem Land weiter voranzutreiben, haben Sie im Doppelhaushalt 2025/2026 dankenswerterweise zusätzliche finanzielle Mittel für Investitionen zur Verfügung gestellt. Mein Haus hat eine entsprechende Richtlinie auf den Weg gebracht. Alle beantragten Projekte sind bereits beschieden, sodass die Bauarbeiten und die Beauftragungen nun beginnen können.
Die Landeskoordinierungsstelle der zivilgesellschaftlichen Akteurinnen in Umsetzung der Istanbul-Konvention in Sachsen-Anhalt, abgekürzt LIKO, wurde weiterentwickelt. Sie verbessert die Vernetzung und erleichtert den Zugang zu Schutz- und Hilfeeinrichtungen.
Aber, meine Damen und Herren, man muss schon sagen, trotz dieser unbestreitbaren Fortschritte im Hilfesystem bestehen weiterhin erhebliche Barrieren, die den Zugang erschweren. Dabei ist es mir ein wichtiges Anliegen zu betonen, dass Frauen, die die Einrichtungen des Hilfesystems erreichen, dort auch die notwendige Hilfe und Unterstützung erhalten müssen, wie eine Bedarfserhebung der LIKO im Jahr 2022 unterstreicht. Doch leider erreichen noch immer viel zu wenige Betroffene bestehende Schutz- und Beratungsangebote. Dies liegt nicht nur an baulichen Barrieren, sondern vor allem daran, dass viele nicht wissen, was Gewalt in ihrem Kontext bedeutet, sich ihrer Rechte nicht bewusst sind und es an verlässlichen Ansprechpartnern fehlt, die ihnen den Zugang zu den Hilfeangeboten zeigen.
Die Einrichtung einer Fach- und Koordinierungsstelle für inklusive Gewaltprävention zum Schutz von Frauen und Mädchen mit Behinderungen ist Maßnahme 76 des Landesaktionsplanes und wird von meinem Haus konsequent umgesetzt. Ziel ist die Schaffung einer Koordinierungsstruktur, die Schnittstellen zwischen Angeboten innerhalb und außerhalb von Einrichtungen verbessert.
Ein entscheidender weiterer Punkt ist die konsequente Umsetzung der Gewaltschutzkonzepte in den Einrichtungen der Eingliederungshilfe. Auch diesbezüglich werden wir das Fachgespräch zur Umsetzung dieser Konzepte verstetigen.
Trotz der uns vorliegenden Herausforderungen bin ich zuversichtlich, dass wir mit gemeinsamem Engagement und einer klaren Vision einen wirkungsvollen Gewaltschutz für Frauen und Mädchen unabhängig von ihren individuellen Bedürfnissen schaffen können. Schritt für Schritt kommen wir unserem Ziel näher, eine Gesellschaft zu bauen, in der niemand zurückgelassen wird. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.