Tagesordnungspunkt 21
Beratung
Rechtssicherheit für Simson-Kleinkrafträder schaffen - Kulturgut erhalten, Mobilität fördern, Elektroumrüstung ermöglichen
Antrag Fraktionen CDU, SPD und FDP - Drs. 8/6089
Alternativantrag Fraktion Die Linke - Drs. 8/6178
#Alternativantrag Fraktion der AfD - Drs. 8/6218#
Einbringen wird diesen Antrag für die Koalitionsfraktionen der Abg. Herr Gürth.
Detlef Gürth (CDU):
Sehr geehrte Präsidentin! Ich muss mit einer Enttäuschung für den Kollegen Kosmehl anfangen. Er hat sich erhofft, dass ich mit der „Simme“ in den Plenarsaal fahre.
(Andreas Schumann, CDU, lacht)
Aber die Ehrfurcht vor dem Präsidium, die allgemein üblichen Regeln und vieles andere an Vernunft verbieten mir das. Aber ich hätte es gern getan; das gebe ich zu.
(Marco Tullner, CDU: Aber nur mit Stützrädern!)
- Ich danke insbesondere dem Kollegen Tullner für seinen sachdienlichen Hinweis, und das vor 20 Uhr. Wunderbar, was ganz Neues, aber schön.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zur Sache selbst. Der Antrag der Koalitionsfraktionen zu den Simson-Kleinkrafträdern betrifft nicht nur irgendein Fortbewegungsmittel, irgendein Moped oder irgendein Kleinkraftrad. Es betrifft ein Kulturgut.
(Zustimmung von Jörg Bernstein, FDP)
Diese Simson-Kleinkrafträder, insbesondere die der Baureihen S 50, S 51 und KR 51 - gemeinhin als Schwalbe bekannt , erfreuen sich einer anhaltend hohen und immer wieder steigenden Beliebtheit und haben schon lange einen Kultstatus erreicht. Aber das ist nicht der Grund für unseren Antrag. Denn wer sich mit der Geschichte dieses Herstellers von Kraftfahrzeugen befasst, der weiß sofort, dass die Liste der Bewunderung noch viel größer sein müsste. Ich erinnere an die AWO 425 - legendär; die Dinger fahren heute noch mit Originalteilen. Ich erinnere an die Baureihen SR 1, SR 2, Spatz, Sperber, Habicht usw. usf.
(Zustimmung von Jörg Bernstein, FDP)
An den Simson Supra, ein Pkw, werden sich viele nicht mehr erinnern. Dieses Modell hat in der Sammlerszene einen unglaublichen Wert, da nicht sehr viele Fahrzeuge hergestellt wurden. Allerdings haben diese Autos sportliche Rekorde seinerzeit erreicht und wurden an dem Standort der Firma Simson produziert.
Es geht aber nicht um Sammlerstücke. Es geht nicht darum, Ehrfurcht vor einem bestimmten Produkt zu haben und dies zu bewundern, sondern es geht um vieles, was auch den Alltag betrifft, nämlich um Mobilität, die man sich noch leisten können muss.
Das Besondere an den Modellen der Baureihen S 51, S 50 und KR 51 ist, dass sie so wertstabil und robust sind und dass sie eine ausgereifte Technik aufweisen.
(Zustimmung von Jörg Bernstein, FDP)
Ein vergleichbares Moped, das wie die Simson-Modelle Generationen zusammenführt, möchte ich erst einmal sehen. Schon Väter, Großväter, Mütter und Großmütter sind mit den Dingern gefahren, haben sie umgebaut, haben an ihnen gebastelt, haben sie getunt usw. Sie helfen heute noch ihren Kindern oder Enkeln, sich mit dem baugleichen Modell fortzubewegen. Das allein, so finde ich, ist schon bewundernswert.
Unser Antrag bezieht sich aber auf die Kleinkrafträder, welche in einer sehr hohen Stückzahl - manche sprechen von mehreren Hunderttausend - heute noch unterwegs sind, aber rechtlich ungleich behandelt werden, obwohl sie baugleich sind.
Erstens. Die Simson-Kleinkrafträder, welche bis zum 28. Februar 1992 zugelassen und in Betrieb waren, sind durch den Einigungsvertrag in einer Sondersituation und haben die Zulassung, sofern sie im Zustand der DDR-ABE, also der Allgemeinen Betriebserlaubnis, sind. Sie haben etwas Besonderes, das sie von jedem Westmoped unterscheidet. Sie dürfen mit der Führerscheinklasse AM - bei uns früher war es der Moped-Führerschein - gefahren werden und haben zugleich eine Zulassung für 60 km/h Höchstgeschwindigkeit. Deswegen sind auch viele im Westen so scharf auf diese Dinger, weil diese nur mit 45 km/h durch die Gegend tuckeln und man bei 50 km/h Höchstgeschwindigkeit in der Stadt ein Verkehrshindernis ist.
(Zuruf von Stefan Gebhardt, Die Linke)
Wer will in dem Alter, in dem man so etwas fährt, ein Verkehrshindernis sein? Das erklärt einen Teil der Beliebtheit.
Zweitens. Die Handhabung der Zulassung von Simson-Kleinkrafträdern mit Elektroantrieb. Es gibt Hersteller, die so etwas herstellen. In Berlin ist eine Firma, die sich auf so etwas spezialisiert hat. Es gibt noch ein paar andere. Das funktioniert auch technisch, aber es gibt Probleme bei der Zulassung, weil das sehr unterschiedlich gehandhabt wird. Es ist neu, es ist anders. Wer prüft was? Wer setzt am Ende in einem Land, wo 83 Millionen Rechtsschutzversicherte leben, einen Stempel auf die Zulassung? - Das Problem wollen wir lösen, indem wir mit einheitlichen Standards mithilfe der Landesregierung auch im Bund ein bundesweit einheitliches Zulassungsverfahren hinbekommen, das auch die Typenzulassung und die ABE betrifft.
Drittens. Die Zulassung von reimportierten Simson-Kleinkrafträdern. Weil sie so beliebt sind und der Markt fast leergefegt ist, erinnern sich viele daran - in Suhl hat man um die 200 000 Stück im Jahr produziert , dass viele in das damals sozialistische Ausland - wir haben immer „befreundeter Staat“ gesagt - exportiert worden sind. Dort sind die Dinger noch. Diese Teile stehen da herum, weil sie auch andere haben, aber sie verkaufen diese jetzt und sie werden reimportiert. Aus der Szene wird berichtet, dass die Zulassung dieser reimportierten Simson-Kleinkrafträder sehr unterschiedlich gehandhabt wird, je nachdem, wo man gerade wohnt.
Außerdem gibt es das Problem, das ich unter erstens beschrieben habe, nämlich die Zulassung für 60 km/h. Auch das wollen wir angehen und bitten die Landesregierung, auf der Bundesebene in diesem Sinne tätig zu werden.
Viertens. Wir sind der Auffassung, dass Kleinkrafträder, deren technische Standards vergleichbar mit denen der Simson-Kleinkrafträdern sind, bundesweit eine Zulassung für 60 km/h bekommen sollten und auch mit der Führerscheinklasse AM gefahren werden dürfen. Ich denke, das ist eigentlich - wenn ich hier in den Plenarsaal schaue - unstrittig und dürfte bei allen Zustimmung finden.
Ich habe gehört, geschätzter Kollege Gebhardt, dass Sie hierzu für Ihre Fraktion sprechen und vermutlich auch Ihren Alternativantrag begründen werden. Ich habe den ehrlich gesagt nicht verstanden. Ich gehe davon aus, dass Sie unseren Antrag unterschreiben könnten, vielleicht noch durch irgendetwas ergänzen, aber den Alternativantrag kann ich mir nicht erklären. Ich bin ganz gespannt auf Ihre Begründung, warum Sie nicht zustimmen oder vielleicht mit einem Änderungsantrag noch einen Punkt hinzufügen. Wieso kein Änderungsantrag?
Wieso schrauben Sie in den Antrag noch die Themen Wartburg und Trabi hinein, obgleich die angesprochene Rechtslage und die Problematik damit nichts zu tun haben? Es geht nicht um Kulturwerte, es geht ganz konkret um die Zulassungsfragen dieser Kleinkrafträder. Dann nehmen Sie noch den Wartburg und den Trabant dazu und kommen zu den CO2-Normen und den Abgasnormen, die in der EU verhängt wurden. Das passt überhaupt nicht zusammen.
Ich weiß noch, wie mein Westonkel immer meinte, dass es hier stinkt, wenn er mich in der DDR besucht hat. Er hat die Trabis und die Wartburgs gerochen, ich nicht. Ich bin damit groß geworden. Jetzt weiß man das schon eher, aber diese haben ganz andere Abgaswerte. Diese passen gar nicht zur Begründung Ihres Antrages.
Dann sprechen Sie die CO2- und Abgasnormen durch die EU-Regelung an. Ich bin ganz gespannt auf Ihre Erklärung, wo Sie doch diesen Regelungen auf nationaler Ebene im Bund und auch in Europa, im Europaparlament, nicht nur zugestimmt haben, sondern noch viel schärfere und strengere Normen gefordert haben. Ich hätte gern einmal gewusst, wie Sie dazu stehen.
Ganz zum Schluss - es ist schon spät; deswegen kann ich nicht alles sagen, was mir zu diesem Thema auf dem Herzen liegt - bringen Sie einmal wieder die Treuhandnummer, so wie andere Fraktionen andere Themen immer wieder aufkochen. Sei es drum. Aber hierzu passt das null Komma nix.
Das Fahrzeug und Jagdwaffenwerk Suhl, wie es hieß, ging in die erste Privatisierung, in die zweite Privatisierung, in die dritte Privatisierung. Wer dabei alles geholfen hat: die Thüringer Aufbaubank, die Politik. Das hat nicht dazu geführt, dass dieses Werk und die Produkte in die Zukunft geführt werden konnten. Wenn Sie sich in der Szene einmal umhören und wenn Sie in der Fachliteratur nachlesen, dann wissen Sie auch, warum.
Die haben von 1992 bis 2002 - in der ganzen Zeit! - 47 000 Kleinkrafträder verkauft. Früher waren es 200 000 im Jahr. Das konnte nicht funktionieren. Gleichzeitig wurden durch die unterschiedlichen Eigentümer enorme Summen für Neuentwicklungen verbrannt, die sich alle am Markt nicht haben durchsetzen können.
Kennen Sie das Modell Schikra, das Motorrad, das sie entwickelt haben? - Das war ein totaler Flop. Die Kosten waren hoch. Technisch war es nicht ausgereift. Man muss auch einmal zugestehen, dass in einer Wettbewerbswirtschaft Menschen etwas wagen und damit scheitern. Das ist gar nicht schlimm.
(Andreas Silbersack, FDP: So ist es!)
Die müssen immer wieder eine neue Chance kriegen.
(Zustimmung bei der FDP)
Aber diese dürfen nur nicht immer vom Steuerzahler bezahlt werden. Also, Sie mögen über die Treuhand berechtigt schimpfen, über vieles im Detail. Dabei sind wir vielleicht sogar einer Meinung. Dafür gibt es Beispiele. Aber für dieses Beispiel stimmt das mit der Treuhand nun überhaupt nicht.
Ich danke für die Zustimmung und freue mich, wenn dieser Antrag hier Ihre Zustimmung im Parlament erfahren wird.