Dr. Hans-Thomas Tillschneider (AfD): 

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich will gar nicht wissen, in wie vielen Anträgen, Anfragen und Debatten Die Linke ihre Forderung nach mehr und immer mehr Schulsozialarbeit bis zum Erbrechen wiedergekäut hat. Jetzt führen wir also diese Debatte über eine Große Anfrage zu dem Thema und dazu gibt es noch eine Beschlussempfehlung. Ich muss sagen, Sie stellen unsere Redundanztoleranz auf eine schwere Probe. 

(Zustimmung bei der AfD)

Ich werde Ihnen aber nicht den Gefallen tun, mich mit Ihrem technokratischen Blödsinn im Detail auseinanderzusetzen, sondern ich gedenke zu erwidern, indem ich meinerseits Ihre Redundanztoleranz auf eine mindestens ebenso schwere Probe stelle. 

(Christian Hecht, AfD, lacht)

Zwischen Ihrem und unserem Standpunkt zum Thema Schulsozialarbeit besteht nämlich eine so grundsätzliche Differenz, dass all die kleinen Differenzen, die Sie untereinander austragen, bis zur Bedeutungslosigkeit verblassen. 

Man kann Ihren und unseren Standpunkt ganz knapp zusammenfassen: Sie wollen prekäre Verhältnisse, Elend und soziale Spannungen an Schulen mit Schulsozialarbeit kurieren. Wir hingegen wollen, dass irgendwann einmal wieder Verhältnisse an Schulen herrschen, die Schulsozialarbeit überflüssig machen. 

(Beifall bei der AfD - Christian Hecht, AfD: Jawohl!)

Egal, wie man an die Sache herangeht, wie man ansetzt und aus welcher Perspektive man es betrachtet, es bleibt dabei, dass Schulsozialarbeit keine Ursachen bekämpft, sondern nur Symptome, wenn überhaupt. 

(Zuruf von der SPD: Keine Ahnung! Keine Ahnung! Keine Ahnung!)

Was uns wirklich Sorgen machen müsste, das ist nicht der Umstand, dass es angeblich immer noch zu wenige Sozialarbeiterstellen an Schulen gibt, sondern der Umstand, dass es Lehrer und Schuldirektoren gibt, die so katastrophale Verhältnisse an ihren Schulen vorfinden, dass sie meinen, nicht richtig arbeiten zu können, wenn man ihnen nicht mindestens soundso viele Schulsozialarbeiter an die Seite stellt. 

Die Linken aber reagieren auf die Missstände an unseren Schulen, indem sie jede Ursachenforschung systematisch verweigern und ohne den geringsten Versuch, die sozialen Missstände zu beheben, in einer wahren Eselssturheit einfach nur mehr und immer mehr Sozialarbeiter fordern. Daran kann man schon ersehen, dass es Ihnen gar nicht darum geht, die sozialen Verwerfungen an unseren Schulen zu heilen, sondern nur darum, möglichst viele Schulsozialarbeiter in Beschäftigung zu bringen. 

(Guido Heuer, CDU: Sind wir hier in der Feuerzangenbowle? - Frank Bommersbach, CDU: Heinz Rühmann!)

Dafür wäre es sogar hinderlich, wenn es gelänge, die sozialen Probleme an den Schulen zu beseitigen; denn das würde dazu führen, dass wir keine Schulsozialarbeiter mehr brauchten. Genau daran haben Sie nicht das geringste Interesse. Bei der Schule wie auch auf allen anderen Feldern haben Sie nur ein Interesse: Sie wollen die Bürger in maximaler Abhängigkeit vom Staat halten. Deshalb sind Sie klammheimlich zufrieden damit, dass die Schulen unter sozialen Problemen aller Art ächzen, weil das Ihre Forderungen wunderbar untermauert. 

Wenn man genau hinsieht, dann erkennt man sehr schnell, dass Sie diese Probleme zumindest mitverursacht haben. Es geht Ihnen nicht darum, das Bildungsniveau an den Schulen anzuheben, sondern nur darum, einem sich selbst legitimierenden, sich selbst aufblähenden, selbstzweckhaften, gefräßigen Sozialstaatsleviathan immer neue Nahrung zuzuführen. 

(Beifall bei der AfD - Christian Hecht, AfD: Jawohl!)

Dieser von Ihnen in Gang gesetzte Teufelskreis führt letztlich dazu, dass Schulen zu sozialen Betreuungsanstalten verkommen, wo von morgens früh bis abends spät eine Fülle von echten und eingebildeten Problemen kuriert, aber nichts mehr gelernt wird. Die Auswirkungen sehen wir schon jetzt in einem dramatischen Bildungsverfall. 

Wir, die AfD-Fraktion, sind angetreten, um aus diesem Teufelskreis auszusteigen. Wir wollen die Schule nicht als soziale Betreuungs-, sondern als Lehranstalt. Da wir aber wissen, dass mittlerweile schwere Abhängigkeiten erzeugt wurden, wollen wir dieses Ziel langsam erreichen. Was wir brauchen, das ist ein Entzug auf Raten. 

In einem ersten Schritt werden wir den Ausbau der Schulsozialarbeit stoppen. Überall dort, wo Stellen etabliert sind, bleiben sie vorerst bestehen. Dort, wo bislang keine etabliert wurden, besteht offenkundig kein Bedarf. 

In einem zweiten Schritt werden wir genau überprüfen, was denn die Schulsozialarbeiter konkret den ganzen lieben langen Tag tun. Dort, wo kein Bedarf nachgewiesen werden kann, kein knallharter Bedarf, werden die Stellen abgebaut. 

(Zustimmung bei der AfD)

Dort, wo sich ein Bedarf nachweisen lässt, bleiben sie zunächst bestehen. 

In einem dritten Schritt aber werden wir sodann untersuchen, welche Probleme genau dazu führen, dass man meint, Schulsozialarbeit zu benötigen, und wir werden dann die Ursachen dieser Probleme bekämpfen. Wenn der Bedarf etwa auf einen hohen Anteil von verwahrlosten Kindern zurückgeht, die Banden gebildet haben und andere Kinder terrorisieren und das Schulklima vergiften, dann werden wir mit maximaler pädagogischer und rechtlicher Härte dagegen vorgehen. Wir werden die Spielräume pädagogischer Sanktionierung und die Spielräume des Strafrechts bis zum Anschlag ausreizen, 

(Oliver Kirchner, AfD: Jawohl!)

kriminelle Jugendbanden zerschlagen und gewalttätige Schüler ab 14 Jahren so lange in die Jugendhaftanstalt schicken, bis der überfällige Sinneswandel einsetzt. 

(Zustimmung bei der AfD - Christian Hecht, AfD: Jawohl!)

Ausländer werden wir in jedem Fall, in dem das irgendwie möglich ist, natürlich abschieben. 

(Guido Kosmehl, FDP: Oh!)

Wenn dieser Problemkomplex auf diese Weise beseitigt ist, dann werden wir schon etwas weniger Schulsozialarbeiter benötigen. 

Lernwillige Kinder echter Flüchtlinge und Asylanten werden wir in Sonderklassen unterrichten; 

(Wolfgang Aldag, GRÜNE: Hört zu, liebe Freunde! Hört zu!)

denn es kann nicht Aufgabe der Schule sein, Flüchtlings- und Asylantenkinder zu integrieren, und zwar aus doppeltem Grund. 

(Juliane Kleemann, SPD: Die Schule als Gefängnis, oder was?) 

Erstens kann es überhaupt nicht darum gehen, diese Personen, deren Aufenthalt in Deutschland befristet ist, zu integrieren. 

(Wolfgang Aldag, GRÜNE: Hört genau hin!) 

Zweitens ist Integration keine Aufgabe der Schule. 

(Elrid Pasbrig, SPD: Lasst sie uns kasernieren!)

Sodann werden wir die Inklusion beenden und in einem leistungsdifferenzierten Schulsystem dafür sorgen, dass wir leistungshomogene Klassenverbände haben, und so eine weitere Quelle von Problemen beseitigen, die auch immer als Begründung für die Forderung nach Schulsozialarbeit herhalten müssen. 

Schließlich werden wir auf dem Wege der Kultur- und Sozialpolitik die Zerrüttung unserer Gesellschaft durch desolate Familienverhältnisse entschieden bekämpfen und unseren Kindern nicht mehr die Regenbogenfamilie, sondern die normale Familie aus Mann und Frau als Ideal und Vorbild präsentieren. 

(Beifall bei der AfD - Olaf Meister, GRÜNE: Genau!)

Wir werden   wie in den USA und inspiriert durch Donald Trump, so auch hier bei uns   

(Lachen bei der SPD)

wieder einen gesunden und allgemein verbindlichen Kanon an Normen und Vorbildern errichten. 

(Zuruf von Kerstin Eisenreich, Die Linke)

Denn eines ist auch klar: Sie sagen immer und rechtfertigen sich immer damit, die Gesellschaft sei eben heterogener geworden, sie sei nicht mehr so wie früher und deshalb brauche man heute, anders als früher, Schulsozialarbeit. Was Sie aber verschweigen, ist: Die Gesellschaft ist nicht von allein fragmentierter und also problematischer geworden, sondern Sie die Gesellschaft mit Ihrer schlechten Politik dazu gemacht. 

(Unruhe)

Die Gesellschaft selbst ist, so glaube ich, auch gar nicht so viel anders als früher. Ihr fehlt nur die Führung durch eine gesunde und allgemein verbindliche Konstellation von Normen und Vorbildern. Genau an dieser Stelle beginnt unsere Aufgabe.

(Juliane Kleemann, SPD: Die Aufklärung ist schon ein paar Hundert Jahre her, Herr Dr. Tillschneider!)

Wir, die AfD-Fraktion, werden die Welt, die Sie zerstört haben, heilen. Wir werden wieder für eine heile Welt sorgen, an der Schule und außerhalb der Schule. 

(Beifall bei der AfD) 


Vizepräsident Wulf Gallert: 

Es gibt eine Frage von Frau Godenrath. Wollen Sie die beantworten, Herr Tillschneider? 


Dr. Hans-Thomas Tillschneider (AfD): 

Na klar. 


Vizepräsident Wulf Gallert: 

Bitte sehr, Frau Godenrath.


Kerstin Godenrath (CDU): 

Tatsächlich habe ich eine Nachfrage, Herr Tillschneider. Sie haben vorhin gesagt, dass wir alle uns eigentlich klammheimlich freuen, dass es diese Probleme gibt, weil wir damit die Forderungen nach Schulsozialarbeit und mehr bekräftigen können. Meine Frage ist: Gilt im Umkehrschluss dann, dass sich auch die AfD klammheimlich freut über die vielen Probleme, die Sie ansprechen, weil Sie hier dann Ihre Parolen in die Welt blasen können? 


Dr. Hans-Thomas Tillschneider (AfD): 

Nein, das ist etwas ganz anderes. 

(Lachen bei der CDU, bei der SPD, bei der FDP und bei den GRÜNEN)

- Na klar.

(Dr. Falko Grube, SPD: Einfach sagen: Ja, das ist unser Geschäftsmodell! - Olaf Meister, GRÜNE: Das ist wie bei Bismarck! - Zurufe von der CDU, von der SPD und von Guido Kosmehl, FDP) 

Ich erkläre auch, weshalb. Wenn Sie meine Rede Revue passieren lassen, werden Sie verstehen, dass ich das an dieser Stelle speziell an Die Linke adressiert habe. 

(Ah! von der CDU)

Also, es unterscheidet sich schon, wen ich meine. 

(Zurufe von der CDU, von der SPD und von der FDP) 

Es ist nämlich ein Grundansatz linker Politik, die Menschen in Unfreiheit und in Abhängigkeit vom Staat zu halten. Das habe ich gesagt. 

Unser Ansatz ist dagegen: Wir wollen Freiheit. Wir freuen uns, wenn wir selbstbestimmte Bürger haben, die ihr Leben in den Griff bekommen, wenn wir Schüler haben, die keinen Betreuer brauchen, weil sie mündig sind und selbstständig sind. Darüber freuen wir uns. Dahin wollen wir. Sie freuen sich nicht darüber; denn dann können Sie ihre ganze Schulsozialarbeiterklientel nicht unterbringen und Ihren Sozialstaat nicht aufblähen. Das ist der Unterschied. Das habe ich erklärt. Das, was Sie hier angebracht haben, war eine ganz, ganz bösartige Missdeutung.