Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Danke, Frau Zieschang. - Wir setzen fort mit der Fraktion Die Linke. - Bitte, Herr Lippmann. 


Thomas Lippmann (Die Linke): 

Vielen Dank, Herr Präsident. - Ich habe zwei Fragen, die die Arbeitszeitverordnung für Lehrkräfte betreffen. Im Bildungsministerium wird schon seit längerer Zeit an einer Änderung dieser Arbeitszeitverordnung gearbeitet. Dabei ging es vor allem darum, einen Beschluss des Landtages umzusetzen. Wir hatten hier gemeinsam von der Landesregierung gefordert, dass ältere Lehrkräfte, um sie länger im Dienst zu halten, eine deutlich stärkere Entlastung im Unterricht erhalten sollten. 

Außerdem hat das Bundesverwaltungsgericht   das haben sicherlich alle mitbekommen   am letzten Donnerstag die Vorgriffsstunde für unwirksam erklärt, weil es für diese Regelung, die auch in der Arbeitszeitverordnung steht, im Landesbeamtengesetz keine rechtliche Grundlage gibt. 

Ich frage deshalb erstens für die ca. 1 300 Lehrkräfte, die mit 62 Jahren oder älter seit 40 und mehr Dienstjahren vor den Klassen stehen und die auf die versprochene Altersermäßigung dringend warten, ob der Beschluss des Landtages für eine stärkere Ermäßigung der Unterrichtsverpflichtung im Alter zeitnah umgesetzt wird oder ob diese Änderung in diesem Schuljahr bzw. in dieser Wahlperiode nicht mehr kommt. 

In Reaktion auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes hat Bildungsminister Riedel am Samstag in der „MZ“ erklärt, er behalte sich vor, die Vorgriffsstunde nach einer Änderung des Beamtengesetzes erneut einzuführen. Ich frage deshalb zweitens für die mehr als 12 000 betroffenen Lehrkräfte, ob es tatsächlich Pläne gibt,

(Guido Kosmehl, FDP: Für diese 12 000 sprechen Sie aber nicht!)

durch eine Änderung des Landesbeamtengesetzes die erneute Einführung der Vorgriffsstunde möglich zu machen. 


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Darauf wird Minister Herr Riedel antworten.


Jan Riedel (Minister für Bildung): 

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! - Sehr geehrter Herr Lippmann, ich fange einmal mit der Vorgriffsstunde an. Sie haben das verfolgt, und ich denke, auch viele andere hier im Haus haben das verfolgt. Sie haben sicherlich meinen Ausführungen und auch der Berichterstattung über die Landespressekonferenz, die aus meiner Sicht korrekt erfolgt ist, entnehmen können, welches Vorgehen wir als Bildungsministerium in dieser Situation präferieren und wie wir vorgehen wollen. 

Dabei ist Ihnen sicherlich auch klar geworden, dass diese Änderung des Landesbeamtengesetzes, die Sie hier ansprechen, natürlich auch eine Folge des Urteils des Bundesverwaltungsgerichtes ist. Darin wird sehr dezidiert auf den Paragrafen im Landesbeamtengesetz hingewiesen, der die Verordnungsvollmacht nicht so herstellt, wie wir sie am Ende genutzt haben. Ich habe dazu auch in der Pressekonferenz gesagt, dass wir diesen Prozess angehen werden und planen, diese Verordnungsvollmacht über eine Änderung des Landesbeamtengesetzes herzustellen. - Das ist das eine. 

Ich hoffe aber, dass Ihnen sowohl aus der Argumentation in der Landespressekonferenz als auch aus der Berichterstattung darüber als auch aus den Pressemitteilungen aus dem Ministerium für Bildung klar geworden ist, dass das jetzt nicht Priorität 1 ist. Vielmehr ist Priorität 1 für uns jetzt, die Unterrichtspläne, die Stundenpläne, die Stunden, die im aktuellen System quasi eingeplant sind, zu sichern und weiterhin zu sichern. 

Dazu wurden andere Maßnahmen erwähnt, von denen Sie auch gehört haben. Eine Maßnahme ist, auf das Instrument der freiwilligen Zusatzstunden zu setzen, das es schon gibt. Im Haus arbeiten wir gerade daran, die notwendigen Vorbereitungen dafür zu treffen.

Ich habe wirklich sehr viele Rückmeldungen, sowohl von Schulleitungen als auch aus Kollegien, dazu erhalten. Natürlich sind meine Kolleginnen und Kollegen in den Schulen in unserem Land sich darüber im Klaren sind, dass ab dem 4. September nicht auf einmal der Stundenplan außer Kraft gesetzt sein kann. Vielmehr sind sich, denke ich, die meisten ihrer Pflicht bewusst, Unterricht für unsere Schülerinnen und Schüler anzubieten, und das verlässlich und auch in der Form, wie es geplant wurde. Dazu habe ich sehr viele positive Rückmeldungen bekommen, die besagen, dass die Kolleginnen und Kollegen bereit sind, auch auf diese freiwillige Zusatzstunde anstelle der Vorgriffsstunde zu setzen. 

Das Wichtige für viele Kolleginnen und Kollegen, jedenfalls aus den Rückmeldungen, die wir erhalten haben, ist das Wort „freiwillig“. Darauf werden wir jetzt zunächst einmal setzen. Wir müssen das auch tun, weil wir auch einen gewissen Zeitraum benötigen, um die gesetzlichen Änderungen vornehmen zu können. Sie wissen sicherlich auch, dass wir natürlich auch hoffen, mit diesem Instrument der freiwilligen Zusatzstunde   das ist aus der Berichterstattung auch hervorgegangen   auch die Lücke, die jetzt entstanden ist, bestenfalls vollends zu füllen.

Darüber hinaus gibt es dann als zweites Instrument die Mehrzeit. Die Mehrzeit ist letzten Endes ein ganz normales Instrument, seit vielen Jahren erprobt über den sogenannten Flexi-Erlass. Das ist ein Instrument, über das Schulleitungen seit Jahren Unterricht und auch Spitzen abdecken. Das wäre das zweite Mittel, das jetzt erst einmal vorübergehend greift, solange wir nicht eine solide Abfrage dazu hergestellt haben, wer die Zusatzstunde leisten möchte. Mit diesem Instrument kann man sehr gut auf Herausforderungslagen aktueller Natur reagieren.

Das dritte Element ist die angeordnete Mehrarbeit, die wir aber nur im Notfall ziehen wollen. Und wir wollen, wie Sie es richtig sagen, auch die Änderung des Landesbeamtengesetzes ins Auge fassen mit der Möglichkeit, dann doch reagieren zu können, sollte es über die Maßnahmen, die ich zuvor beschrieben habe, nicht gelingen, den Unterricht so abzudecken, dass der Unterricht wenigstens auf dem Niveau, auf dem wir uns jetzt befinden, weitergehen kann.

Sie sprachen als zweites die Arbeitszeitverordnung an, die Änderung hinsichtlich Ihres Begehrens aus diesem Haus, ältere Lehrkräfte aus Ihrer Sicht angemessen und natürlich auch aus unserer Sicht ein Stück weit angemessen mit Abminderungen bzw. mit einer Reduzierung der Stundenanzahl zu versehen, damit ihre Arbeitskraft erhalten bleibt. 

Ich habe das so verstanden, dass die Stoßrichtung hier aus dem Parlament gewesen ist, diese Lehrkräfte gezielt zu entlasten, um sie länger im System zu halten. Das ist ein Ansinnen, das wir verstehen können und dem wir Rechnung zu tragen versuchen. Wir sind gerade noch in der Abstimmung darüber. Dabei ist natürlich auch das Ministerium für Finanzen gefragt. Es geht hierbei auch um Fragen der Besoldung bzw. der Bezahlung der Kolleginnen und Kollegen. Dazu laufen gerade noch Abstimmungen. 

Ich kann jetzt keine näheren Ausführungen dazu machen, welchen Vorschlag wir dann einbringen können bzw. umsetzen können. Durch das Urteil vom 4. September und die ganzen Aktivitäten, die sich jetzt darum spinnen, wird es gerade nicht leichter, das noch bis zum Halbjahr hinzubekommen. Das heißt, auch hierzu werden wir als Ministerium zeitnah einen Hinweis an die Schulen geben, ob wir es schaffen, diese Veränderung der Arbeitszeitverordnung schon zum Halbjahr zu realisieren, bzw., sollte das nicht möglich sein, dann auch transparent aufzeigen, wohin die Reise für meine Kolleginnen und Kollegen gehen wird.


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Herr Lippmann hat eine Nachfrage. Bitte.


Thomas Lippmann (Die Linke):

Zunächst die kurze Bemerkung, dass wir Kenntnis davon haben, dass die Schulen schon dahin gehend informiert wurden, dass diese Altersermäßigung nicht kommt. Ansonsten hätte ich nicht so dezidiert nachgefragt, was denn nun passiert.

Aber noch einmal zurück zur Vorgriffsstunde. Nach unserer Einschätzung ist die Vorgriffsstunde nicht nur vor dem Bundesverwaltungsgericht gescheitert, sondern sie ist auch als Instrument insgesamt mit ihren ganzen Problemen, über die wir hier schon mehrfach debattiert haben, gescheitert. 

Ich frage noch einmal nach: Wollen Sie jetzt, unabhängig davon, ob es der Landesregierung gelingt, zeitnah eine Änderung des Landesbeamtengesetzes durch das Parlament zu bringen und dann noch einmal eine Vorgriffsstunde einzuführen, wirklich darauf hinarbeiten? Wollen Sie nicht lieber das Instrument der freiwilligen Zusatzstunde, das Sie erwähnt haben     

Diese Systemumstellung   das ist völlig klar   muss jetzt erfolgen. Dabei wünsche ich Ihnen und wünschen wir Ihnen auf jeden Fall auch Erfolg. Wir gehen auch davon aus, dass es relativ erfolgreich gelingen wird. Aber die Zusatzstunde ist so, wie sie jetzt in der Arbeitszeitverordnung steht, auch ein Stück weit eine Fehlentwicklung. Die könnten Sie verbessern, und Sie könnten mit der Zusatzstunde ein viel wirksameres Instrument herstellen als sich weiter an dem Versuch der Vorgriffsstunde zu verkämpfen und sich   ich sage es einmal etwas salopp   weiterhin die Finger zu verbrennen.


Jan Riedel (Minister für Bildung):

Vielen Dank. Das Urteil liegt uns noch nicht schriftlich vor. Wir lesen das, was wir der Pressemitteilung bzw. den Ausführungen des Gerichtes entnehmen konnten, nicht so, wie Sie das jetzt interpretieren, dass sie auf ganzer Linie gescheitert ist, sondern so, dass man das heilen kann. 

Ich denke aber, dass aus meinen Ausführungen und meinen Statements in den letzten Tagen doch ziemlich genau hervorgegangen ist, dass das für uns jetzt nicht das Mittel der Wahl ist. Vielmehr würde ich mich sehr freuen, wenn wir es schaffen, die Lücke, die jetzt entstanden ist, aus diesen Zusatzstunden heraus zu schließen, und dann diese Verordnungsvollmacht nicht ziehen müssen, weil wir es so hinbekommen. Aber ich denke, es ist auch aus einer Regierungsverantwortung heraus geboten, die Instrumente dennoch bereitzustellen, um letzten Endes   das ist das Entscheidende für unsere Schülerinnen und Schüler im Land und auch für die Eltern   eine klare Handlungsmöglichkeit zu haben, wenn diese Freiwilligkeit in dem Maße nicht ausreichen sollte. 

Aber meine Überzeugung oder, besser gesagt, mein Wunsch ist erst einmal ein anderer. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir diesen Weg, den das Bundesverwaltungsgericht aufgezeigt hat, gehen müssen und auch wollen, um letzten Endes auch eine rechtliche Sicherheit für weitere Maßnahmen zu schaffen, die wir jetzt nicht sofort vor Augen haben, die aber eventuell notwendig sein könnten.