Cornelia Lüddemann (GRÜNE): 

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Verehrte Koalition! Tat-sächlich kann man Ihnen dazu gratulieren, dass es heute überhaupt zu einer Beschlussfassung kommen wird, nach mehr als 20 Jahren unterschiedlichster Regierungen, unterschiedlichster Konstellationen. Ich habe schon fast nicht mehr an diesen Erfolg geglaubt. 

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustimmung bei der Linken - Christian Albrecht, CDU: Was lange währt …!)

Man muss auch sagen, dass es tatsächlich Verbesserungen gibt.

(Unruhe)

- Wenn man mir vielleicht zuhören könnte? 


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding: 

Was ist los?


Cornelia Lüddemann (GRÜNE): 

Ich mache jetzt einmal kurz Pause.


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding: 

Sie machen kurz Pause, damit der Geräuschpegel vielleicht wieder etwas niedriger wird. - Frau Lüdde-mann, bitte. 


Cornelia Lüddemann (GRÜNE): 

Ich wollte Sie als Koalition nämlich gerade loben, weil die Spurensicherung in Verdachtsfällen eines nicht natürlichen Todes gewissenhafter wird. Das ist gut und richtig. Das ist die sogenannte zweite Leichen-schau. Grabsteinen aus Kinderarbeit wird es schwerer gemacht, den Weg auf unsere Friedhöfe zu finden. Das ist gut. Ebenso gut ist, dass Sternenkinder jetzt ausnahmslos und rechtssicher angemessen bestattet werden. Mit einer zeitlichen Verlängerung der Bestattungsfrist wird auch Angehörigen in einer absoluten Ausnahmesituation in einer schwierigen Zeit nach dem Tod eines mehr oder weniger geliebten Angehöri-gen mehr Raum gewährt, um Bestattungsort und Bestattungsform mit Bedacht wählen zu können. Das ist zugegebenermaßen nicht nichts, aber nach mehr als 20 Jahren auch kein großer Wurf. 

Zu der Sargpflicht. Darüber haben wir weidlich gestritten. Diese wird geöffnet. Artikel 4 Abs. 3 unseres Grundgesetzes zur Religionsfreiheit wird jetzt auch in Sachsen-Anhalt berücksichtigt, aber in absurder Umdrehung der Normenhierarchie. Sie wollen kommunalen Friedhofsträgern gestatten, dieses grundge-setzlich verbürgte Recht via Satzung auszuhebeln. Das finde ich schwierig. Auf die Idee muss man erst einmal kommen: Satzung bricht Grundrecht. Muslime und Juden im Land sind also auf wohlwollende Friedhofsträger angewiesen, um ihren Traditionen gemäß bestattet zu werden. Das ist nicht nur halbher-zig, sondern hasenfüßig. Wirkliche Integration geht anders. Das finde ich enttäuschend. Das ist aber wie-der einmal Engstirnigkeit ganz nach CDU-Art.

(Zustimmung von Olaf Meister, GRÜNE)

Wenn Sie wirklich ein modernes Bestattungsgesetz wollen, dann hätten Sie unserem Gesetzentwurf zu-stimmen müssen. 

Es gibt Bundesländer, die das sehr breit getragen tun. Schauen Sie nach Rheinland-Pfalz. Dort hat sich fast der gesamte Landtag für das bundesweit modernste Gesetz ausgesprochen. Dort gibt es zu allem, was passiert, Möglichkeiten: die Verstreuung der Asche auf ausgewiesenen Flächen - so haben wir es auch gefordert  , die Möglichkeit, sich flussbestatten zu lassen, die Möglichkeit, die Urne zu Hause aufzu-bewahren, und natürlich auch Tuchbestattungen und Ähnliches. In Schleswig-Holstein gibt es die Reerdi-gung. All das wird es in Sachsen-Anhalt nicht geben.

(Dr. Katja Pähle, SPD: Ein Modellprojekt! - Rüdiger Erben, SPD: Ein rechtswidriges Modellprojekt!)

Es ist wirklich traurig, dass es so endet. Denn noch einmal 20 Jahre haben viele Menschen in diesem Lande nicht. 


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding: 

Frau Lüddemann, sind Sie am Ende angelangt? 


Cornelia Lüddemann (GRÜNE): 

Mit der Redezeit zumindest. 


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding: 

Mit der Redezeit pünktlich am Ende angelangt. - Ich sehe, dass es eine Intervention von Herrn Ruland gibt. - Herr Ruland, bitte.


Stefan Ruland (CDU): 

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Ich habe wirklich gerade gehofft, dass nur die Redezeit zu Ende ist. - Frau Lüddemann, ich möchte mich erst einmal bedanken für das viele Lob, mit dem Sie uns überhäuft haben. Das habe ich so nicht erwartet. Aber an der Stelle, an der Sie die Kritik üben, dass es eine gewisse Hoheit der kommunalen Familie über ihre Friedhöfe gibt, möchte ich Sie einfach aufklären: Das ist keine Willkür der Koalition, kein Umgehungstatbestand. Für eine Tuchbestattung braucht man eine gewisse Bodenbe-schaffenheit, selbst wenn man das Grab adäquat herrichtet. Wenn der Boden es nicht hergibt, dann gibt es Probleme bei den Verwesungsprozessen. Das ist also kein konstruierter Umgehungstatbestand. Das kommt aus der fachlichen Auseinandersetzung in einer Anhörung. Ich weiß gar nicht, wie viele Anzuhö-rende hier waren und was wir für abenteuerliche Geschichten darüber gehört haben, was man noch tun könnte. Bei alkalischer Hydrolyse war ich an die schlechtesten Hollywood-Mordfilme erinnert. 

(Dr. Katja Pähle, SPD: Ozeanische Lösung!)

Das ist kein konstruierter Umgehungstatbestand, sondern einfach der Tatsache geschuldet, dass wir hier keine heterogenen Bodenverhältnisse haben, womit man einfach überall Tuchbestattungen durchführen kann. Sonst müssten Sie sich auch einmal überlegen - das klingt jetzt pietätlos  , wer nach der Liegezeit die Wachsleiche entsorgt, die dann übrig bleibt, wenn man das überall erlaubt, einfach nur, weil man die Möglichkeit ideologisch öffnen möchte. Wir haben uns intensiv Gedanken darüber gemacht, wie man das vernünftig löst, und es ist meines Erachtens eine hervorragende Lösung geworden.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zustimmung bei der SPD)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding: 

Frau Lüddemann, Sie wollen reagieren? 


Cornelia Lüddemann (GRÜNE): 

Wir haben jetzt nicht die Zeit, eine große fachliche Diskussion zu führen. Aber Sie können mir glauben: Seit dem Jahr 2003, damals noch als Geschäftsführerin des Landesfrauenrates, bin ich mit dem Be-stattungsgesetz beschäftigt, also fast mein ganzes politisches Leben lang.

(Frank Bommersbach, CDU: Ja!)
Ich habe sehr, sehr, sehr viele Anhörungen zu dieser Frage durchgeführt. Ich bin vor Ort gewesen, habe mit Bestatterinnen und Bestattern geredet und, und, und. Mir ist - auch Sie waren zumindest bei den letzten Anhörungen zugegen - immer vermittelt worden, dass es Mittel und Wege gibt, das auch zu klären und zu regeln. 

Sie haben jetzt einfach eine grundsätzliche Ausnahme in das Gesetz geschrieben, die es wiederum mög-lich macht, je nachdem, wie die kommunale Lage ist, diese Dinge auszuhebeln.

(Frank Bommersbach, CDU: Nur wenn die Bodenbeschaffenheit es erlaubt!)

Das finde ich schade.