Nicole Anger (Die Linke):
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir reden heute über eine Novelle, auf die wir viel zu lange warten mussten. Ganze vier Jahre hat es gedauert, bis die Änderungen der Bundesebene auch nur ansatzweise den Weg in das Ausführungsgesetz unseres Landes gefunden haben. Es waren vier Jahre, in denen sich die Lebenswirklichkeit von Kindern und Jugendlichen und auch von ihren Familien massiv weiterentwickelt hat.
Dieses Gesetz aber bleibt stehen. Es bleibt hinter den Entwicklungen zurück. Und besonders enttäuschend ist für uns der Umgang mit der Schulsozialarbeit. Meine Kollegin Moni Hohmann hat gerade schon noch einmal nachgefragt. Im SGB VIII ist die Bedeutung längst klar verankert. Aber Sie schaffen es nicht, daraus ein verlässliches Landesprogramm zu machen. Stattdessen setzen Sie diese zentrale Aufgabe weiterhin einer Dauerunsicherheit aus. Seit Jahrzehnten hangelt sich die Schulsozialarbeit von Projekt zu Projekt, von Antrag zu Finanzierungszusage. Das ist keine Politik mit Verantwortung; das ist Projektitis.
(Zustimmung bei der Linken)
Für die Kinder- und Jugendlichen und auch für die Fachkräfte bedeutet das: keine Verlässlichkeit, keine Kontinuität und keine Planungssicherheit.
Ich komme zu einem zweiten gravierenden Defizit in Ihrem Gesetzentwurf: die Inklusion. In dieser Novelle kommt sie kaum vor. Dabei stellen sich die Einrichtungen der Kinder- und Jugendarbeit längst dieser Herausforderung, Kinder mit und ohne Behinderung gemeinsam zu begleiten. Wer hier keine klaren Rahmenbedingungen schafft, wälzt auf Kommune und Fachkräfte ab und nimmt vor allen Dingen den Kindern ihre Teilhabechancen.
(Zustimmung bei der Linken)
Allein die Tatsache, dass die Verfahrenslotsinnen keine Dynamisierung der Finanzierung erhalten, die vom Landesrechnungshof zu Recht angemahnt wurde, zeigt, Sie lassen auch die Kommunen, die Sie, liebe CDU, immer als Herzkammer der Demokratie bezeichnen, mit der Inklusion allein.
(Zustimmung bei der Linken)
Auch der Kinder- und Jugendbericht, eigentlich ein zentrales Steuerungselement, verliert weiter an Bedeutung. Das ist keine Flexibilisierung; denn ohne einen festen Zeitpunkt in der Legislaturperiode bleibt er ein Papiertiger, wenn er denn überhaupt noch erstellt wird. Das ist inzwischen mehr als fragwürdig. Schon in der letzten Legislaturperiode wurde er verschleppt. In dieser wird er solange verschleppt, bis er politisch wirkungslos bleibt. Deshalb frage ich Sie ernsthaft: Wie wichtig ist Ihnen wirklich dieser Kinder- und Jugendbericht?
Meine Damen und Herren! Wie sehr dieses Gesetz hinter den aktuellen Entwicklungen zurückbleibt, zeigt auch der Umgang mit unseren Anträgen, die wir im Plenum gestellt haben. Dazu müssen wir einfach nur einmal in die Ablage des Sozialausschusses gucken. Themen werden geschoben und geschoben, bis sie sich hoffentlich von selbst erledigen oder einfach vergessen werden.
Dem Antrag der GRÜNEN geht es an der Stelle genauso. Er wurde seit dem Jahr 2022 vertagt und in der Tagesordnung des Sozialausschusses einfach einmal nach dem Kinder- und Jugendhilfegesetz einsortiert. Er ist damit wirkungslos. Auch Initiativen meiner Fraktion zur Schulsozialarbeit, zur Aufnahme von Kinderrechten in das Grundgesetz oder zur Einführung einer Kindergrundsicherung erleiden dasselbe Schicksal.
Die Botschaft: Alle diese Themen sollen keine Wirkung entfalten. Wer aber den jungen Menschen in unserem Land gerecht werden will, muss endlich Mut zu klaren Entscheidungen zeigen:
(Zustimmung bei der Linken)
eine dauerhafte Verankerung der Schulsozialarbeit, verbindliche Berichtszeiträume, eine starke Kinder- und Jugendarbeit und eine konsequente Verankerung der Inklusion. Alles andere bleibt Stückwerk. Davon haben Kinder und Jugendliche am wenigsten.
(Zustimmung bei der Linken)