Holger Hövelmann (SPD):

Frau Präsidentin! Hohes Haus! Was wollte die AfD? Sie wollte, dass es in diesem Land keine Tariftreue bei öffentlichen Vergaben gibt. Das ist es, was Sie wollen, was Sie wollten und was Sie nach wie vor wol-len. 

(Zuruf von Andreas Silbersack, FDP)

Sagen Sie bitte auch hier, dass Sie den Menschen in diesem Land keinen ordentlichen Tariflohn zahlen wollen.

(Beifall bei der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ihnen wird nicht entgangen sein, dass wir in der Koalition in den letzten Monaten intensiv um dieses Gesetz gerungen haben. Aber ich will auch deutlich betonen: Bei allen unterschiedlichen Auffassungen unserer drei Partner in dieser Koalition ging es um die sachliche Antwort auf eine sachliche Frage: Wie können öffentliche Aufträge einfacher und unbürokratischer ver-geben werden? Insbesondere aus den Kommunen haben wir dazu immer wieder Hinweise erhalten. 

Vor dem Hintergrund des Bundessondervermögens - der Minister hat es angesprochen   wird eine schnelle Auftragsvergabe der Gemeinden in Zukunft wichtiger denn je sein. Unsere Kommunen erhalten mehr als 1,5 Milliarden € als pauschale Zuweisung für Investitionen. Wir wollen, dass diese große Menge Geld schnell eingesetzt werden kann und nicht in den Mühlen langwieriger Vergabeverfahren stecken bleibt.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben viele Anregungen aus den Kommunen aufgegriffen. So setzen wir die Schwellenwerte, bis zu denen das Tariftreue- und Vergabegesetz gilt, bis zum Jahr 2029 befristet auf das EU-Niveau. Das wurde bereits gesagt. Wir vereinfachen die Anwendung des Bestbieterprinzips. Per Verordnungsermächtigung wird das Wirtschaftsministerium ermächtigt, die Unterschwellenwerte, bei denen kein Vergabeverfahren notwendig ist, entsprechend der allgemeinen Preisentwicklung anzupassen. 

Und, meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist entgegen mancher Behauptung gerade keine Ab-schaffung des Gesetzes.

(Beifall bei der SPD)

Es gilt weiterhin das, wofür wir als SPD immer eingetreten sind. Erstens sollen öffentliche Gelder ver-nünftig und nach klaren Kriterien vergeben werden. Zweitens sollen Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh-mer, die für die öffentliche Hand Aufträge ausführen, faire Arbeitsbedingungen und eine faire Bezahlung haben, idealerweise nach einem Tarifvertrag. Drittens sollen sich Unternehmen, die sich um einen öffentlichen Auftrag bewerben, in einem fairen Wettbewerbsverfahren bewerben können. 

Für uns gibt es bei dem, was heute zur Abstimmung steht, einen Punkt, den wir gern anders geregelt hätten. Sie haben mitbekommen, dass sich in den letzten Tagen auch der Deutsche Gewerkschaftsbund, die Eisenbahnverkehrsgewerkschaft und andere an uns als Parlament mit der Bitte gewandt haben, das Thema Schienenverkehrsdienstleistungen oberhalb der Schwellenwerte gesetzlich zu regeln. Das ist uns in der Koalition so nicht gelungen. Das gestehe ich hier ein. 

Unsere Koalitionspartner haben beide erklärt, dass sie eine Möglichkeit sehen, die entsprechenden Dinge im Rahmen der Ausschreibungen zu regeln. Sie können dazu selbstständig Ausführungen machen, was sie sicher auch tun werden. 

Wir hätten an dieser Stelle gern gesehen - dabei geht es tatsächlich einmal ausschließlich um die Interes-sen des Landes -, dass das Risiko für das Land minimiert wird. Denn wir haben es leider bei der Aus-schreibung eines Teils des Landesschienennetzes vor einigen Jahren erlebt, dass ein Dumpinganbieter gekommen ist, der dann die Flügel strecken musste und wir als Land viel Geld zusätzlich ausgegeben ha-ben, um die Dienstleistung auf der Schiene überhaupt aufrechtzuerhalten. Das hat mehr Geld gekostet, als wir durch die Ausschreibung und die Vergabe an den preiswertesten Bieter eingespart haben. 

(Beifall bei der SPD - Zustimmung von Guido Heuer, CDU, und von Cornelia Lüddemann, GRÜNE)

Das wollten wir gern verhindern; das ist nicht gelungen. Ich will trotzdem sagen und für meine Fraktion erklären: Unabhängig davon ist uns ein Kompromiss gelungen, der viel ermöglicht. 

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU) 

Die Bürgerinnen und Bürger erwarten schnell sichtbare Ergebnisse aus dem Sondervermögen, wir im Üb-rigen auch. Die öffentlichen Auftraggeber, besonders die Kommunen, haben mit dem Änderungsgesetz die dafür notwendigen Mittel an der Hand. Ich bitte daher um Zustimmung zur Beschlussempfehlung. - Herzlichen Dank. 

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der CDU und bei der FDP) 


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding: 

Herr Hövelmann, es gibt eine Nachfrage von Herrn Gallert. 


Holger Hövelmann (SPD): 

Warum überrascht mich das nicht?

(Lachen bei der CDU)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding: 

Aber Sie lassen sie zu. - Herr Gallert, bitte schön, Sie haben das Wort. 


Wulf Gallert (Die Linke): 

Die gleichen Reaktionen auf meine Nachfragen gab es bei der Einbringung auch schon. Am Ende stellte sich leider heraus, dass ich recht hatte und nicht diejenigen, die es eingebracht haben, aber das werde ich gleich nochmal erklären. 

(Oh! bei der FDP - Zuruf von Marco Tullner, CDU) 

Herr Hövelmann, ich frage Sie, weil mir der Minister die Frage nicht hat beantworten können. 

(Zuruf von der CDU: Doch!)

- Nein, der Minister hat gesagt, es gibt keine zwingende Anwendung des Vergabemindestlohns bei Direk-taufträgen bis 100 000 €. - Jetzt frage ich Sie, weil er die beiden anderen Sachen nicht beantwortet hat. Wenn es stimmt, dass ab jetzt eine Verhandlungsvergabe bis zu den EU-Schwellen möglich ist, wie es in der Presseerklärung des Ministers steht, und eine freihändige Vergabe von Bauleistungen bis 2,5 Millionen € erfolgt, frage ich Sie, ob für diese beiden Fälle zwingend die Vergabemindestlohnregelun-gen dieses Gesetzes anzuwenden sind? 


Holger Hövelmann (SPD): 

Darf ich lange ausführen? 


Wulf Gallert (Die Linke): 

Ja.


Holger Hövelmann (SPD): 

Ja, sie sind anzuwenden. 

(Zustimmung bei der CDU) 

Gestatten Sie mir bitte noch eine Bemerkung zu Ihrer Eingangsbemerkung. Wenn Sie das Protokoll der letzten Plenarsitzung lesen, 

(Wulf Gallert, Die Linke: Das werde ich vorlesen!)

stellen Sie fest, dass Sie mir damals die gleiche Frage gestellt haben und ich Ihnen auf diese Frage geant-wortet habe. Ich möchte gern wissen, an welcher Stelle meine Antwort auf Ihre Frage nicht korrekt war. 

(Wulf Gallert, Die Linke: Das lese ich gleich vor!) 

- Okay. 


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding: 

Herr Hövelmann, vielen Dank. 


(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)