Olaf Meister (GRÜNE):

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben über diesen Antrag lange in der Fraktion beraten. Wir empfinden den Wunsch nach einer Urteilung über eine Lebensleistung durch den Landtag als unangemessen. Täve Schur ist ein bekannter und erfolgreicher Radsportler. Er wurde in der DDR, bei uns im Osten Deutschlands, zu einer identitätsstiftenden Person. Für viele Menschen der älteren Generation ist er eng mit eigenen Kindheits- und Jugenderinnerungen verbunden. Er wurde zu einem verbindenden Element innerhalb der DDR-Gesellschaft. Mit seinen Erfolgen war er, über die bloße Sportbegeisterung hinaus, auch, vielleicht unausgesprochen, ein Symbol für die Zeit des ostdeutschen Wiederaufbaus und die damit verbundenen Leistungen.

Auch die Frage der Sichtbarmachung ostdeutscher Biografien ist ein Punkt. Die Biografien des Ostens weichen naturgemäß von der westdeutschen Norm ab, weil wir uns im Osten unser Leben mit und in der Diktatur gestalten mussten. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ein westdeutscher Sportler mit ähnlichem Nimbus, wie ihn Täve Schur hat, bereits Aufnahme in die Hall of Fame gefunden hätte.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der Linken)

Dieser Antrag soll aber die Lebensleistung würdigen, so besagt es der Titel. Dazu würde dann aber eben auch ein kritischer Blick auf z. B. 32 Jahre Volkskammertätigkeit gehören. Man hätte hoffen können, dass ein politischer Mensch wie Täve Schur - das ist er  , der später auch dem Bundestag angehörte, einen kritischen Blick zurückwirft.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Das gilt nicht einmal so sehr bezogen auf die eigene Person - das ist schwierig; das will ich nicht fordern  , aber doch zumindest auf die Diktatur, die ihn ja auch benutzte, und auf die Schattenseiten des ostdeutschen Sports. So habe ich ihn leider nicht erlebt. Der Aufarbeitungsbeauftragte Beleites wandte sich unter diesem Aspekt gegen die Auszeichnung. Guido Heuer sprach hier im Landtag 2017 die Leugnung von Dopingtoten durch Täve Schur kritisch an. 

Ich habe jetzt in der Vorbereitung - meine persönliche kalte Dusche - wirklich hart geschluckt, dass jemand, der als Politiker unterwegs ist, im Zusammenhang mit dem 17. Juni 1953 von „Puschisten am Werk“ sprach oder in dem Aufstand in Ungarn im Jahr 1956 „das Morden konterrevolutionärer Puschisten“ sieht. Das sagte er nicht zu DDR-Zeiten - darauf hätte ich jetzt eine sehr ambivalente Sicht  , sondern im Jahr 2011. Das kann man sagen. Das ist ein freies Land. Ich bin aber dezidiert anderer Meinung.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und von Marco Tullner, CDU)

Ich weiß, dass in diesen Punkten auch der Landtag dezidiert anderer Meinung ist. 

Wie ist dieser Teil der Lebensleistung zu würdigen? Wer macht das? - Ausdrücklich sage ich: Ich maße mir das nicht an. Es ist nicht unsere Aufgabe als Landtag, über die Lebensleistung von Menschen Urteile zu fällen. Im Jahr 2017 war hier im Haus ein ziemlich breiter Konsens - auch bei Dr. Gube, habe ich heute nicht so gehört  ,

(Zuruf von Dr. Falko Grube, SPD - Zuruf von Cornelia Lüddemann, GRÜNE)

dass der Sport selbst entscheidet, wer in die Hall of Fame kommt. Es ist eben gerade keine politische, sondern eine Entscheidung der Selbstverwaltung des Sports. Warum sollte das jetzt anders sein?

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Die Koalition zwingt uns hier mit ihrem Antrag, entweder gegenüber einer Person der Zeitgeschichte - das ist Täve Schur ohne Zweifel - in öffentlicher Sitzung sehr direkt und kritisch zu sein oder aber jeden eigenen politischen Anspruch hintanzustellen. Das will ich nicht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das ist nicht gut. Das wird weder der Person Täve Schur noch dem Anspruch des Landtages gerecht. In meiner Fraktion haben wir die Abstimmung freigegeben. - Danke.