Tagesordnungspunkt 25
Beratung
Sicherheitsstandards bei der Polizei überprüfen und Revision des Waffen- und Munitionsbestands durchführen
Antrag Fraktion Die Linke - Drs. 8/5900
Herr Henke steht schon bereit und möchte den Antrag gern einbringen. - Herr Henke, Sie haben das Wort.
Andreas Henke (Die Linke):
Vielen Dank, Herr Präsident. - Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Als wir uns in der letzten Sitzung des Innenausschusses zu einem Selbstbefassungsantrag meiner Fraktion über den Vorfall im Polizeirevier Mansfeld-Südharz verständigten dort gingen zwei Magazintaschen mit sechs Magazinen und 180 Patronen während einer Streifenfahrt verloren , hob der Kollege Borgwardt hervor ich darf ihn an dieser Stelle sinngemäß zitieren , der Großteil unserer Polizei geht sorgsam und verantwortungsbewusst mit Waffen und Munition um.
(Zustimmung von Guido Kosmehl, FDP)
Umso misslicher sind die Vorfälle in jüngster Zeit - eine Wertung, der sich auch meine Fraktion ausdrücklich anschließt.
(Beifall bei der Linken - Guido Kosmehl, FDP: Na wunderbar!)
Dennoch darf diese Einschätzung nicht über die Brisanz der Vorfälle hinwegtäuschen. Auch wenn es Einzelfälle sind, sind sie besorgniserregend. Die Signale müssen wir ernst nehmen.
In den vergangenen Monaten sind in den Dienststellen der Polizei Sachsen-Anhalts mehrere Fälle von Waffen- und Munitionsverlusten öffentlich geworden. Die Bandbreite der Vorfälle reicht ursächlich offensichtlich von individuellen Unachtsamkeiten bis hin zu systemischen Fehlern, die insbesondere im Landeskriminalamt und in der Fachhochschule Polizei in Aschersleben zu Verlusten geführt haben.
Nach internen Untersuchungen und Ermittlungen hat das Innenministerium im Ergebnis der Arbeit einer Prüfgruppe bereits auf die Kritik an verschwundenen Waffen, an Mängeln in der Dokumentation der Vernichtung sowie an Kontrollen der Vergleichswaffen- und Asservatensammlung reagiert und auch ein umfangreiches Maßnahmenpaket angekündigt und auf den Weg gebracht.
Was uns neuerdings beschäftigt, das sind die Verluste in den Polizeidienststellen, die vermutlich aus sorglosem oder unachtsamem Umgang mit Waffen und Munition resultieren. Diese Art Verluste sind nicht nur für die Polizei hoch problematisch, sondern auch handfeste Sicherheitsrisiken für die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes.
(Beifall bei der Linken)
Die Handhabung und Sicherung von Dienstwaffen und Munition berühren zentrale Aspekte der inneren Sicherheit. Die mediale Berichterstattung über die Verluste in den Polizeidienststellen ist von höchster öffentlicher Relevanz, da sie ein potenzielles Risiko für die öffentliche Sicherheit in sich tragen und zudem das Vertrauen in die staatliche Institution Polizei erschüttern. Die Polizei besitzt im Rahmen ihres gesetzlichen Auftrages ein Gewaltmonopol, das durch den Staat streng reguliert wird. Die Ausübung dieses Monopols ist auf die Verfügbarkeit von hochsensiblen Einsatzmitteln und auf den absolut sachgerechten und sicheren Umgang damit angewiesen.
(Beifall bei der Linken)
Kommt es zu Unregelmäßigkeiten, insbesondere zum Abhandenkommen von Waffen oder Munition, werden die Funktionsfähigkeit der Polizei und auch das Vertrauen in sie infrage gestellt.
Was passiert, wenn Polizeiwaffen und munition in die Hände von kriminellen Einzeltätern, organisierten Banden, Extremisten oder Terroristen gelangen? Jede Waffe kann für einen Raubüberfall, einen Mord, einen Anschlag verwendet werden. Jede Patrone kann ein Menschenleben kosten. Vor dieser Realität dürfen wir nicht die Augen verschließen.
(Beifall bei der Linken)
Die Gefahr für Leib und Leben geht einher mit einem Vertrauensverlust in den Staat und in die Integrität der Polizei. Ein solcher Verlust an Vertrauen kann langfristig die Akzeptanz des Staates und seiner Polizei schwächen und auch zu Verunsicherungen in der Bevölkerung führen.
Hinzu kommt, dass Polizistinnen und Polizisten durch abhandengekommene Waffen selbst gefährdet werden. Gerät eine Polizeiwaffe in die Hände von potenziellen Tätern, besteht das Risiko, dass sie im direkten Konflikt gegen die Polizei eingesetzt wird. Damit würde sich die ohnehin schon bestehende Gefährdungslage im Einsatzalltag unserer Polizisten zusätzlich verschärfen.
Kommen Waffen und Munition in die Hände von Extremisten oder Terroristen, sinkt die Schwelle zur Gewaltanwendung nochmals deutlich, wenn diese über Schusswaffen verfügen. Auch infrage kommender illegaler Handel mit Waffen und Munition, der keine Landesgrenzen kennt, vergrößert das Risiko einer unkontrollierten Verbreitung, Nutzung und möglichen Anwendung mit schwerwiegenden Folgen, insbesondere durch die Gefährdung von Menschenleben.
Werte Kolleginnen und Kollegen! Vermutlich führte ein hoher Zeitdruck beim Umzug der Polizeiinspektion Magdeburg zu einer mangelhaften Dokumentation des Waffenbestandes sowie zu einem Zugriff aller Polizeibeamten auf Waffenschließfächer während dieser Zeit. Dieser Fall zeigt exemplarisch, dass etwas schiefläuft, entweder weil Regeln nicht eingehalten wurden oder weil sie dringend überarbeitet werden müssen.
Nachdem am 9. Dezember 2024 eine Dienstwaffe bei der Polizeiinspektion als verloren gemeldet wurde, gab es neben dem üblichen Verfahren, Strafantrag und Ermittlung, eine Anordnung der Revision des gesamten Waffenbestandes. Diese Revision umfasste eine manuelle Überprüfung aller 500 im Bestand befindlichen Waffen mit dem Ziel, mit der Dokumentation auch einen vollständigen Überblick über den Waffenbestand zu erlangen - eine aus unserer Sicht vollkommen richtige und notwendige Entscheidung, die auch wir ausdrücklich begrüßen. Aber warum nur in Magdeburg? Sie sollte auf alle Polizeidienststellen des Landes ausgedehnt werden,
(Frank Bommersbach, CDU: Warum?)
angesichts des wiederholten Verlusts von Waffen und Munition. Wir halten dies für unabdingbar. Sie dient nicht nur der Wiederherstellung der Ordnung im Waffen- und Munitionsbestand, sondern auch der langfristigen Sicherung des Gewaltmonopols.
(Frank Bommersbach, CDU: Das ist ein Generalverdacht! Das ist doch Quatsch!)
Darüber hinaus braucht es organisatorische Maßnahmen, die die Sicherheit im Umgang und in der Aufbewahrung von Waffen und Munition umfänglich garantieren. Zu den Tiefenprüfungen und Inventurmaßnahmen sind zusätzlich notwendig:
erstens die Überprüfung und ggf. auch Überarbeitung aller Dienstanweisungen und verbindlichen Vorschriften zur Regelung des Umgangs mit Waffen,
zweitens die Einhaltung eines Vieraugenprinzips bei der Ausgabe und Rückgabe von Waffen und Munition,
drittens getrennte Lagerorte von Waffen und Munition, damit bei einem unbefugten Zugriff nicht sofort auch eine einsatzfähige Waffe vorhanden ist,
viertens eine lückenlose elektronische Erfassung jedes Bestandes mit Ausgabe- und Rückgabezeit und beteiligten verantwortlichen Beamten sowie mit automatisierten Signalgebungen bei Unstimmigkeiten egal welcher Art, z. B. bei nicht rechtzeitig zurückgegebenen Waffen bzw. nicht rechtzeitig zurückgegebener Munition, bei überlangen Rückgabeverzügen oder bei Bestandsdifferenzen, sowie
fünftens ein enges und regelmäßiges Inventur- und Kontrollsystem für die Bestandsprüfung mit Dokumentation und Gegenzeichnung durch Vorgesetzte.
(Beifall bei der Linken)
Zudem können technische Maßnahmen die Sicherheit weiter erhöhen. Dazu zählen sicherheitszertifizierte Waffenschränke mit einer festen Verankerung im Gebäude, Zugangskontrollen für Personen mit PIN, Schlüsselkarte oder biometrischen Systemen, Videoüberwachung sensibler Bereiche wie Waffenkammern, Munitionsräumen und Ausgabestellen, Barcode-Systeme für Waffen und Munition mit entsprechender elektronischer Markierung, sodass ein Abgleich und die Nachverfolgung in Echtzeit möglich sind, sowie für die Einsatzbeamtinnen und beamten Holster mit Sicherungsmechanismen, die verhindern, dass unbefugte Dritte, z. B. bei einer körperlichen Auseinandersetzung, Waffen entwenden können. Auch unangekündigte Revisionen, z. B. durch unabhängige Prüfer auf Anordnung des Innenministeriums, sollten möglich sein. Darüber hinaus sollte das digitale Waffenregister für Sachsen-Anhalt mit bundesweiten Systemen verknüpft werden.
Parallel zu einer lückenlosen Bestandsaufnahme, zur Überprüfung und Anpassung von Dienstvorschriften sowie zum Einsatz moderner Sicherheitsvorkehrungen braucht es auch eine klare Zuweisung von Verantwortung und eine entsprechende Sensibilisierung für eine Verantwortungskultur, die durch jede Polizistin und jeden Polizisten gelebt wird, um Betriebsblindheit oder einen gewissen laxen oder sorglosen Umgang mit Waffen und Munition auszuschließen.
(Beifall bei der Linken)
Dienstvorschriften, technische und digitale Lösungen sind wichtig, aber sie ersetzen nicht die Verantwortung. Hinter allen Lösungen müssen auch Menschen stehen, die ihre Verantwortung ernst nehmen. Das tun die allermeisten Polizistinnen und Polizisten unseres Landes. Sie machen eine hervorragende Arbeit.
(Beifall bei der Linken - Rüdiger Erben, SPD: Genau das!)
Sie verdienen unseren Respekt und unsere Unterstützung. Gerade deshalb müssen auch wir unsere Arbeit ernst nehmen, das Vertrauen in die Polizei stärken und dürfen es nicht durch solche Vorfälle erschüttern lassen.
Werte Kolleginnen und Kollegen! Die aus dem Verlust von Waffen und Munition hervorgegangene Gefahrenlage zeigt eindeutig, dass es nicht genügt, nur Einzelmaßnahmen zu ergreifen, sondern wir brauchen ein komplexes Maßnahmenpaket. Ich denke, das ist auch unsere parlamentarische Aufgabe. Lassen Sie uns also gemeinsam dafür sorgen, dass das Ansehen der Polizei nicht durch Einzelfälle Schaden nimmt. Deshalb bitten wir Sie, unseren Antrag zur weiteren Beratung und Diskussion an den Innenausschuss zu überweisen. - Vielen Dank.