Susan Sziborra-Seidlitz (GRÜNE):

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich persönlich war nicht gefragt, politische Entscheidungen zu treffen, als damals die Coronapandemie nach Sachsen-Anhalt kam. Ich war im Klinikum und habe wie alle meine Kolleginnen, schlecht ausgerüstet und hoch unsicher angesichts dieser komplett neuen Herausforderungen, standgehalten. Mit selbstgenähten Masken sind wir für unsere Patientinnen dagewesen, als alle zu Hause bleiben sollten. Wir waren auch noch da, als sich ein Teil der Leute zu Hause aus Überforderung und Langeweile krude Verschwörungen ausgedacht hat und als die Pflicht zum Tragen von Masken im Supermarkt beim Einkauf plötzlich schwerer wog als die Belastungen in Kliniken und unserer Patientinnen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Zustimmung bei der Linken)

Wir waren da, als wir beklatscht und mit Cremedosen beschenkt wurden, und auch noch, als wir bedroht, beschimpft und von Rechtsextremen instrumentalisiert wurden.

Wir haben uns überwiegend impfen lassen - nicht alle ohne Unsicherheit, aber die meisten im Vertrauen auf moderne Medizin und mit dem Willen, unsere Patientinnen und uns selbst zu schützen. Wir haben trotzdem nicht nur Patientinnen, sondern auch Kolleginnen an das Virus verloren.

Aber ich habe eine Vorstellung davon, wie schwierig und herausfordernd diese politischen Entscheidungen gerade im Laufe des Jahres 2020 waren, als auch wir GRÜNEN in der Kenia-Koalition direkt in der Verantwortung standen, Entscheidungen zu treffen. Es waren Entscheidungen in einer völlig neuen, nie dagewesenen Situation, Entscheidungen mit einer zuvor nicht denkbaren Eingriffstiefe in das alltägliche und höchstpersönliche Leben unserer Bürgerinnen und Bürger, Entscheidungen, bei denen es aber auch ganz konkret um Leben und Tod ging.

Anfangs gab es kaum wissenschaftlich belastbare Erkenntnisse, viel zu wenig Schutzmasken, keine Tests, keine Impfungen - ein Blindflug. Dennoch waren politische Entscheidungen notwendig, weil das das Wesen von Verantwortung ist. 

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustimmung bei der SPD) 

Viel herausfordernder kann Politik im Grunde nicht sein. Umso größer war damals ganz gewiss die Ungewissheit, ob die getroffenen Entscheidungen sich als angemessen und richtig erweisen würden. Das haben mir meine Fraktionskolleginnen, die damals unmittelbar dabei waren, sehr eindrücklich geschildert. Ja, es sind auch Aufatmen und Erleichterung zu spüren, wenn der jetzt Kommissionsbericht feststellt   das will ich an dieser Stelle sehr deutlich sagen  , dass die meisten Maßnahmen angemessen und nachvollziehbar waren. 

Aber wir als GRÜNE wollen im Rückblick auch ehrlich feststellen: Natürlich wurden Fehler gemacht. Wir bedauern politisch und persönlich z. B. zutiefst, dass manche Menschen hierzulande in der Stunde des Todes oder im Rahmen einer langen schweren Krankheit von ihren Liebsten getrennt waren. Das hätte so nicht gemacht werden dürfen. Dafür muss man sich bei den Menschen entschuldigen; dafür können wir uns nur entschuldigen. Für die Zukunft muss man auch unmissverständlich eine differenziertere Abwägung versprechen.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustimmung bei der SPD)

Letztendlich ist es ein Abwägen zwischen dem Wert des blanken Lebens, denn um dessen Schutz   auch das muss man klarstellen   ging es immer bei den Kontaktverboten, gerade in den stationären Pflegeheimen, und dem Wert eines menschenwürdigen Lebens und Sterbens. Für uns als soziale Wesen gehört dazu natürlich auch der Kontakt zu den Nächsten und zu den Liebsten. Wir bewegen uns an dieser Stelle in den Grenzbereichen von Ethik, in den Abwägungen von Letztbegründungen. Im Rückblick ergab sich an dieser Stelle eine Schieflage, aber das taugt eben auch nicht für Verhetzung. 

Auch die Vereinzelung junger Menschen ging deutlich zu weit. Die Absperrbänder um Spielplätze sind ein tragisches Bild für Fehlentscheidungen. Meine Fraktionskolleginnen haben das damals auch frühzeitig im Kabinett angesprochen. 

(Lachen bei der AfD)

Für den Bereich der Schule lautete unsere Position z. B., diese mit Luftfilteranlagen in den Klassenräumen auszustatten, um so lange wie möglich den Unterricht vor Ort zu ermöglichen. 

(Zustimmung bei den GRÜNEN) 

Es hätte Firmen auch hier im Land gegeben, die das realisieren können. Aber auch eine flexible und funktionierende Möglichkeit zur Distanzbeschulung bei nötigen Schulschließungen oder individuell besonderer Vulnerabilität wäre richtig gewesen. Für viele Eltern   auch an dieser Stelle spreche ich aus persönlicher Erfahrung   waren die Phasen von ständig durch die Schulen laufenden Infektionswellen und die damit verbundenen Unsicherheiten, Unterrichtsausfälle und Sonderregeln viel schwieriger zu organisieren, als die wenigen Phasen organisierten Distanzunterrichts. 

Gerade für mich persönlich war es ein wirklich bitterer Fehler der heutigen Landesregierung, die berufliche Pflege mit ihrer Expertise beim Pandemiestab und bei der wissenschaftlichen Beratung außen vor zu lassen. Das sage ich nicht aus beruflicher Eitelkeit, die ich gern zugebe, aber nicht an diesem Punkt, sondern weil damit eine der relevantesten Perspektiven fehlte. Möglicherweise ist ein Teil der nun vorgestellten Versäumnisse genau darauf zurückzuführen. Wer bitte war denn an vorderster Front mit der Pandemie befasst? Welche Profession hat denn vom ersten Tag an unter den Pandemiebedingungen gearbeitet? - Ja, die Pflege.

Immerhin war Prof. Meyer aus Halle Teil der Kommission, die den Bericht erarbeitet hat. Immerhin war damit die Pflegewissenschaft zumindest bei dieser Nachbetrachtung direkt eingebunden. Ich habe es hier an diesem Rednerpult schon mehrfach gefordert: Die Pflege braucht endlich die Anerkennung als eigenständige Profession   ich fordere dies nicht aus Eitelkeit, sondern weil es wichtig ist  , 

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

als evidenzbasierte Wissenschaft. Wer die Pflege ignoriert und als Hilfsjob deklassiert, der tut meinen Kolleginnen Unrecht. Wer die Pflege nur als Herzensjob begreift und nicht als kompetenzbasierte Handlungswissenschaft, der hat nichts begriffen und lässt den wissenschaftlichen Beitrag aus diesem Feld der Gesundheitsversorgung brachliegen. 

(Zustimmung von Dr. Anja Schneider, CDU)

Ich baue sehr darauf, dass Corona zumindest dieses Verständnis geschärft hat und dass dem Klatschen für meine Kolleginnen eben auch Akademisierung, Professionalisierung und politische Beteiligung folgen. - Ja, Anja, genau das.

So berechtigt der Blick zurück ist, so formuliert der Kommissionsbericht notwendig und völlig zu Recht: 

„Die Rückschau auf die Coronapandemie ist somit über die damit verbundene Ableitung von Erkenntnissen auch als präventive Vorausschau auf ähnliche zukünftige Ausnahmesituationen zu verstehen.“

Es gilt, für die Zukunft besser gewappnet zu sein. Denn realistisch gesehen stellt sich nicht die Frage, ob wir noch einmal eine Pandemie erleben, sondern wann. Für diese sicherlich kommende Situation hat uns der Bericht klare Hausaufgaben aufgetragen. Deshalb unterstützen wir auch den Antrag der Linken. 

Die von der FDP beantragte Aktuelle Debatte führt per se erst einmal zu nichts. Es ist übrigens irgendwie ein bisschen weird, eine Aktuelle Debatte mit der Aufforderung zu überschreiben, aus dem Bericht müssten Handlungen folgen, und das dann ausgerechnet in einer Aktuellen Debatte zu formulieren, aus der ja eben kein Handeln, nicht einmal ein Beschluss erfolgt. 

(Ulrich Siegmund, AfD: Das stimmt allerdings! - Zuruf von Konstantin Pott, FDP)

Auf der To-do-Liste des Landes sollte jetzt ganz oben stehen: Pandemie-Governance, Pandemieplattformen, Pandemieregelungen, Pandemiekommunikation. Dazu bedarf es jetzt nicht größerer Ausführungen; all das kann man wohlformuliert in dem Bericht nachlesen. 

Nun müssen diese Aufgaben aber stringent abgearbeitet werden. Der Prozess hin zu diesen Zielen braucht ein Monitoring. Natürlich müssen die Zwischenergebnisse und zeitlichen Fristen regelhaft in den Ausschüssen des Landtages vorgestellt werden. 

Wer immer die nächste Landesregierung stellt - all das muss sich natürlich auch in einem nächsten Koalitionsvertrag wiederfinden. Mit uns wird das auch der Fall sein. Ich denke, allen demokratischen Parteien wird daran gelegen sein, vorbereitet und resilient durch eine nächste Pandemie zu kommen. Die anderen würden wahrscheinlich am liebsten aus der WHO austreten und es Donald Trump und Javier Milei nachmachen. 

(Zustimmung bei den GRÜNEN) 

Mir sind die pseudokritischen Nachfragen von Herrn Siegmund bei der WHO in Kopenhagen, als wir mit dem Sozialausschuss dort waren, noch klar im Ohr. Schuster, bleib bei deinen Leisten, also beim Raumduft, habe ich das damals etwas peinlich berührt gedacht. 

(Ulrich Siegmund, AfD: Was habe ich denn gefragt? Sag doch mal! - Oliver Kirchner, AfD: Kann sie doch nicht!)

Ich möchte die folgenden sehr diplomatischen Formulierungen des Berichts gern in klare Worte fassen. 

„Die entstehenden Interpretationsräume“ 

- das ist ein Zitat aus dem Bericht  

„wurden von einzelnen Gruppen und manchen Medienvertreterinnen und  vertretern ausgenutzt, um Aufmerksamkeit zu erlangen, Profit zu erzielen oder Zweifel an wissenschaftlichen Erkenntnissen und politischen Entscheidungen zu streuen.“

(Zustimmung bei den GRÜNEN - Beifall bei der SPD)

„Statt [der] für Resilienz notwendigen Emotionen wie Zuversicht und Vertrauen wurden vor allem Angst, Wut und Hass angesprochen.“

Diese Kritik richtet sich ausdrücklich an Sie, AfD. Ihre Hetze, Ihre Fake News, Ihr penetrant zur Schau getragenes Besserwissertum abseits jeder wissenschaftlichen Kompetenz war Öl ins Feuer von Verschwörungstheoretikern und sogenannten Querdenkern. 

(Beifall bei den GRÜNEN - Nadine Koppehel, AfD: Wir hatten Recht! - Weitere Zurufe von der AfD) 

Hauptsache Sie können ihr Zerrbild von denen da oben malen, Misstrauen gegen die Institutionen unseres demokratischen Staatswesens schüren, 

(Frank Otto Lizureck, AfD: Wir hatten doch Recht!)

Wissenschaft diskreditieren. Sie sprechen halt gern die niederen Beweggründe von Menschen an: Hass, Häme, Niedertracht, Ressentiments, Misstrauen. Das ist immer irgendwie schwierig. 

(Zurufe von der AfD: Das wird ja immer mehr! - Wir waren im Recht!) 

In Pandemiezeiten ist das fatal. Das formuliert der Bericht sehr diplomatisch. Ich fand es wichtig, das einmal deutlich auszusprechen.

Seriöse Politikerinnen nehmen sich auch einmal zurück, wenn die Faktenlage nicht klar ist,

(Zuruf von der AfD: Oho!)

wenn es gilt, erst einmal wissenschaftliche Erkenntnisse zu sichten und sich mit einer gewissen Bedachtheit eine eigene Position zu erarbeiten. 

(Oh! von der AfD)

- Ja, ich weiß, das ist nicht so Ihr Ding. Da wird halt lieber krakeelt, Meinungen werden herausposaunt, Feinde werden markiert. 

Doppelblindstudien, statistische Signifikanzen, das Präventionsparadox, der Dunning-Kruger-Effekt, Bestätigungsfehler, Body of Evidence - all das sagt Ihnen nichts, schon klar. Aber immer die große Keule schwingen.

(Zurufe von der AfD) 

Das kann man machen, ist halt kognitiv unterkomplex. 

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Ah! von der AfD - Zuruf von der AfD: Ganz schön großkotzig!)

Wer der Komplexität der Realität gerecht werden will, der widmet sich jetzt politisch den Empfehlungen des Berichts, arbeitet daran, dass wir in einer nächsten Pandemie nicht mit leeren Händen dastehen, entwickelt Wissenstransfer, Kommunikationsgremien, Kommunikationsstrategien und Handlungspläne und sorgt ehrlicherweise auch unbedingt dafür, dass das Vertrauen in die Regierung nicht durch Beschaffungsskandale untergraben wird, wie es auf der Bundesebene geschehen ist, verdeckt und vertuscht diese nicht, wo sie geschehen sind, sondern sorgt für Transparenz.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Auch dann, wenn all das passiert, wird eine solche Pandemie weiterhin eine große gesellschaftliche Belastung sein und sie wird auch individuell tragische Situationen und Schicksale bedeuten. Aber wir können dann zumindest sagen, wir waren bestmöglich vorbereitet. Das müssen wir jetzt gewährleisten. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustimmung bei der Linken und bei der SPD)


Vizepräsident Wulf Gallert:

Ich gebe einmal einen Überblick: Herr Silbersack mit einer Frage, Herr Siegmund mit einer Frage, Herr Scharfenort mit einer Intervention und Frau Schneider mit einer Intervention. Das steht uns jetzt bevor. - Wollen Sie eine Frage von Herrn Silbersack beantworten?


Susan Sziborra-Seidlitz (GRÜNE):

Gern. 


Vizepräsident Wulf Gallert: 

Dann bitte, Herr Silbersack. 


Andreas Silbersack (FDP): 

Vielen Dank, Herr Präsident. - Frau Sziborra-Seidlitz, ich glaube schon, dass diese Aktuelle Debatte der FDP sehr wichtig ist, weil sie auch gezeigt hat, welche Emotionalität in dem Thema steckt. Meiner Frage will ich eine Bemerkung voranstellen. Wir müssen konstatieren, dass das Thema Corona und der Umgang damit die Wissenschaft und die medizinischen Berufe tief gespalten haben. Auch in Ihrer Branche gab es genügend Vertreterinnen und Vertreter, die das so oder eben auch anders gesehen haben. Wir durften feststellen, dass jeder auf seiner Meinung beharrt hat. Diese tiefe Spaltung ist etwas, das sich fortsetzt und eben nicht geheilt ist.

Insofern finde ich es wichtig, dass die Expertenkommission sich der inhaltlichen Themen für die Zukunft annimmt. Aber eine meiner großen Fragen ist   Sie vertreten Ihren, aus Ihrer Sicht berechtigten Standpunkt  : Wie schaffen wir es eigentlich, wenn alle auf Ihren Meinung beharren und Ihre Standpunkte vertreten und nicht davon abrücken wollen, diese Gesellschaft wieder miteinander zu verbinden?

(Zustimmung von Konstantin Pott, FDP - Dorothea Frederking, GRÜNE: Das hast du sehr gut ausgeführt in deiner Rede!) 


Susan Sziborra-Seidlitz (GRÜNE): 

Vielen Dank für die Frage. Ich halte diese Frage für sehr relevant. Die Antwort darauf kann nur Vertrauen sein, Vertrauen in demokratische Institutionen, auch Vertrauen in Wissenschaft. 

Ich möchte an dieser Stelle auch einmal sagen: Der oft behauptete tiefe Spalt durch meine Berufsgruppe oder auch durch die Wissenschaft ist kein tiefer Spalt durch die Mitte. Das ist ein Zerrbild.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der SPD) 

Es gibt andere Meinungen, ja, das stimmt. Das ist in der Wissenschaft immer so. Aber dass sowohl die Pflege als auch die Wissenschaft mittendurch in die eine und die andere Seite gespalten sind, das stimmt nicht. Die meisten Wissenschaftlerinnen sind an dieser Stelle tatsächlich zumindest der Meinung, dass die Gefahr von Corona real war. Natürlich kommt man in der Abwägung zu unterschiedlichen Schlüssen, welche Maßnahmen wie sinnvoll waren. Ich finde, darüber muss man auch diskutieren. Aber das Vertrauen in wissenschaftliche Erkenntnisse, das ist, glaube ich, die Basis dafür, diesen Spalt zu überwinden, und auch das realistische Schauen auf und das Benennen von Zerrbildern. 

Es ist tatsächlich auch nicht so, wie es behauptet wurde, dass die Masse meiner Berufskolleginnen mit Herrn Siegmund auf dem Domplatz stand und gegen die Impfpflicht demonstriert hat. Das ist Bullshit. Ich war im Klinikum. Und ich war nicht nur in meinem Klinikum. Meine Kolleginnen haben sich impfen lassen. Die fanden das nicht alle geil; das stimmt. 

(Christian Hecht, AfD: Leben die alle noch?)

- Ja, die leben auch alle noch. 

(Christian Hecht, AfD: Na ja, bei uns sind einige gestorben!)

Gestorben sind diejenigen, die sich am Anfang nicht impfen lassen konnten und dann an Corona gestorben sind.

(Zustimmung bei den GRÜNEN - Christian Hecht, AfD: Allein in meinem Kreisverband sind nach der Impfung drei Leute gestorben, unmittelbar danach! Erzählen Sie uns hier nicht so einen Unsinn!)

Erzählen Sie nicht solche Märchen.

(Lachen - Zuruf von der AfD: Was lacht ihr denn darüber? - Sebastian Striegel, GRÜNE: Das ist absurd!)

Ich glaube, dass es wichtig ist, eben nicht auf Verhetzung hereinzufallen, eben nicht wissenschaftliche Diskrepanz überzubetonen, 

(Zuruf von der AfD: Erzählen Sie doch nichts von Wissenschaft! Also ehrlich!)

sondern an der Stelle im Vertrauen auf Wissenschaft, im Vertrauen auch auf politische Institutionen miteinander ins Gespräch zu kommen und eben nicht Ressentiments zu schüren.

(Beifall bei den GRÜNEN - Oliver Kirchner, AfD: Verunreinigter Impfstoff!)


Vizepräsident Wulf Gallert: 

Okay. Davon abgesehen waren wir jetzt bei der Beantwortung einer Frage von Herrn Silbersack durch Frau Sziborra-Seidlitz. Es gibt noch eine Frage von Herrn Siegmund. Wollen Sie diese beantworten? 


Susan Sziborra-Seidlitz (GRÜNE): 

Da Herr Siegmund die Antwort ohnehin nicht verstehen wird, verzichte ich darauf. 

(Lachen bei der AfD - Daniel Rausch, AfD: Das ist schwach! - Ulrich Siegmund, AfD: Selbst entlarvt! Inhaltlich stellen! - Zurufe von der AfD: Pfui!)


Vizepräsident Wulf Gallert:

Okay. - Dann trägt Herr Scharfenort eine Intervention vor. 


Jan Scharfenort (AfD): 

Sie berufen sich immer auf die Wissenschaft und stellen sich hier immer als die große Akademikerin dar.

(Sebastian Striegel, GRÜNE: Sie ist vor allem Akademikerin und Praktikerin!)

Wenn Sie das tatsächlich wären, dann würden Sie wissen: Es gibt nicht   d i e   Wissenschaft, sondern Wissenschaft lebt vom Diskurs. Deshalb ist das, was Herr Silbersack sagte, durchaus berechtigt. 

(Dorothea Frederking, GRÜNE: Doch, Wissenschaft ist das, was geprüft wird!)

Sie haben auch nur einseitig der einen Meinung zugehört und haben die Argumente, die dagegen vorgebracht wurden, überhaupt nicht angehört. Sie waren nicht bereit. Für Sie waren RKI und PEI gottgleich, obwohl wir heute wissen, dass sie uns angeschwindelt haben, dass Herr Wieler als ehemaliger Chef das selbst ganz stark kritisiert und gesagt hat, dass das in Zukunft nicht wieder passieren darf. Ich kann mich noch an Ihre Worte erinnern und daran, wie sie die immer verteidigt haben, das wäre sakrosankt. Aber genau das ist nicht Wissenschaft. 

Wenn Sie Wissenschaftlerin sein wollen, dann würde ich mir von Ihnen einen kritischeren Blick auf die Dinge wünschen. Das setzt vor allem voraus, dass Sie bereit sind, einen Diskurs zu führen. Doch das sind Sie nicht. Sie sind immer extrem einseitig.

(Zustimmung bei der AfD - Zuruf von den GRÜNEN) 


Susan Sziborra-Seidlitz (GRÜNE):

Darauf möchte ich gern antworten. 


Vizepräsident Wulf Gallert: 

Wenn Sie wollen, können Sie darauf antworten. 


Susan Sziborra-Seidlitz (GRÜNE): 

Ich habe mich hier nie als Wissenschaftlerin bezeichnet. Das wäre auch anmaßend. 

(Zustimmung bei den GRÜNEN) 

Ich bin Studierende, und ich bin aber, was das Feld betrifft, vor allem Praktikerin. Das, was Sie dargestellt haben, zeigt genau, was das Problem mit mangelndem Vertrauen in Wissenschaft ist.

(Jan Scharfenort, AfD: Ich setze mich damit auseinander, Sie nicht!)

Das RKI oder auch andere Institutionen, wie z. B. die Leopoldina, sind Orte von Wissenschaft. 

(Frank Otto Lizureck, AfD: Warum haben sie dann gelogen?)

Das ist nicht   d i e   Wissenschaft und das ist auch nicht sakrosankt, sondern dort findet eine wissenschaftliche Auseinandersetzung statt. Ja, auch da sind kommunikativ Fehler passiert. Das bestreitet ja niemand. 

(Lachen bei der AfD)

Trotzdem ist es nach wie vor so, dass es auch einen Dissens gibt zu der Frage der Gefährlichkeit des Coronavirus. Aber dieser ist, wenn man auf das gesamte Feld und die Auseinandersetzung schaut, marginal. Das überzubetonen, so wie Sie es tun, sorgt einfach für eine False Balance. Das ist das Thema Body of Evidence, das Frau Heide Richter-Airijoki bereits angesprochen hat. 

(Zustimmung bei den GRÜNEN - Frank Otto Lizureck, AfD: Darum wurde die Bevölkerung angelogen! - Weitere Zurufe von der AfD)


Vizepräsident Wulf Gallert: 

Gut. - Dann noch eine Intervention von Frau Schneider.


Dr. Anja Schneider (CDU):

Ich möchte nur kurz etwas richtigstellen. Es ist natürlich nicht alles richtig gelaufen; das ist keine Frage. Aber das ist retrospektiv betrachtet mit Sicherheit auch etwas anders zu beurteilen, als wenn man mittendrinsteckt. Dieses Gefühl, einen Fehler machen zu können, oder eben auch diese Verantwortung derjenigen, die z. B. in Krankenhäusern, in Altenheimen oder Ähnlichem gearbeitet haben, hat aber auch dazu geführt, dass   das Thema Schulen hatten wir heute schon   schwerstkranke Sterbende allein gelassen und abgeschottet wurden. Das ist nicht richtig. 

In jedem Erlass stand, dass die Begleitung durch Ehrenamt und Familie für sterbende Menschen davon ausgenommen ist. Das stand in jedem Erlass. Ich habe in einem Hospiz gearbeitet und es gab eine umfassende Begleitung und Betreuung der Sterbenden. 


Vizepräsident Wulf Gallert: 

Sie können darauf antworten. 


Susan Sziborra-Seidlitz (GRÜNE): 

Vielen Dank für die Intervention, liebe Frau Dr. Schneider; denn diese gibt mir die Möglichkeit, noch einmal auf einen Punkt hinzuweisen, der in dieser ganzen Aufarbeitungsdebatte an vielen Stellen zu kurz kommt. Frau Dr. Pähle hat ihn vorhin schon benannt. Es ist nicht so, dass all das, was dann tatsächlich konkret an Einschränkungen da war, auf Erlasse der Bundes- oder der Landesregierung zurückzuführen war. Mitunter waren es auch die Kommunen, die dann noch eigene Regelungen gefunden haben, um mit Dingen umzugehen.

(Zuruf von Dr. Katja Pähle, SPD)

Ich erinnere nur an das Leseverbot auf Parkbänken. Oder es waren vor allem auch die Einrichtungen, die sich auf bestimmte Dinge     Das ist in dem Bericht so beschrieben worden. Das hat konkret dazu geführt, dass Menschen allein gestorben sind. Das ist wirklich hochgradig zu bedauern und das ist nicht richtig gewesen.

(Zustimmung von Eva von Angern, Die Linke) 

Das war aber auch der Hilflosigkeit geschuldet - in dem Fall nicht der der Landesregierung, sondern der Einrichtungen. 

In einem Seniorenheim bei mir im Landkreis ist innerhalb von 14 Tagen eine wirklich unfassbare Anzahl an Menschen gestorben. Ich will nicht sagen, dass es die Hälfte der Bewohner war; denn damit würde ich mich auf eine Zahl festnageln lassen müssen. Aber es ist eine unfassbare Anzahl an Bewohnerinnen innerhalb von 14 Tagen gestorben, einfach weil der Virus im Haus war. Man muss an dieser Stelle auch Verständnis dafür haben, dass Einrichtungen möglicherweise so reagiert haben. Das war im Rückblick falsch. Das müsste man in der Zukunft anders regeln. 

Aber ich glaube, in einer solchen Situation, in der die Bewohnerinnen eine nach der anderen innerhalb von 14 Tagen sterben, in der man sieht, dass die Menschen in einer Anzahl sterben, wie man das nie erlebt und nie gekannt hat, kann man nachvollziehbar, dass eine Heimleitung dann so reagiert.