Dr. Katja Pähle (SPD):
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit der heutigen Aktuellen Debatte zum Thema internationale Studierende knüpfen wir direkt an die gestrige Diskussion um die Exzellenzförderung an. Denn gestern wie heute ging bzw. geht es um die Bedeutung von Internationalität für die Hochschulen und an unseren Hochschulen. Ich bin, ehrlich gesagt, etwas verwundert, die heutigen Signale aus der CDU-Fraktion dazu zu hören, sich so kritisch mit diesem Thema auseinanderzusetzen. Nach meinem Eindruck passt diese Haltung so gar nicht zu dem, was die führenden CDU-Vertreter sonst gern tun und sagen. Der CDU-Wirtschaftsminister feiert das Renommee, das Sachsen-Anhalt als Investitionsstandort weltweit erworben hat - zu Recht. Erst gestern etwa hat er auch hier im Landtag auf die führende Rolle des Leibniz-Instituts in Gatersleben hingewiesen.
(Elrid Pasbrig, SPD: Jawohl!)
Wo wären wir dort ohne internationale Studierende und Forschende?
Der CDU-Kulturminister freut sich, dass internationale Filmproduktionen immer wieder in unser Land kommen.
(Guido Heuer, CDU: Es wird alles in einen Topf geworfen! Unglaublich!)
Er wird nicht müde, die weltweite Ausstrahlung des Bauhauses zu betonen - zu Recht. Denn natürlich trägt das zur Wahrnehmung von Sachsen-Anhalt bei.
Der CDU-Ministerpräsident pflegt den direkten Kontakt zu Konzernspitzen von Intel und anderen internationalen Unternehmen, um das Beste für dieses Land herauszuholen - zu Recht.
(Marco Tullner, CDU: Unser aller Ministerpräsident! - Jörg Bernstein, FDP, und Olaf Meister, GRÜNE, lachen)
- Unser aller Ministerpräsident. - Der CDU-Landtagspräsident, so scheint es, ist ununterbrochen auch in den einzelnen Nachfolgestaaten der Sowjetunion unterwegs, um für Sachsen-Anhalt zu werben,
(Guido Kosmehl, FDP: Oh! Jetzt bin ich gespannt!)
die Menschen hierher einzuladen und den Botschaftern einen Willkommensgruß zu geben.
(Guido Kosmehl, FDP: Nicht „zu Recht“?)
Man sollte also meinen, die CDU hat eine klare Vorstellung davon, wie wichtig, ja lebenswichtig,
(Zuruf von Guido Heuer, CDU)
überlebenswichtig die internationale Vernetzung für Sachsen-Anhalt ist. Das gilt aber nicht nur für Unternehmen und Filmproduzenten, sondern auch und gerade für die Ausbildung von wissenschaftlichem Nachwuchs.
(Beifall bei der SPD)
Wenn die Innenministerin und auch der Bundesinnenminister bei jeder Gelegenheit unterstreichen, dass ungeordnete Zuwanderung ein Ende haben muss, dann sollte das doch bedeuten: Wenn es nur geordnet zugeht, dann ist die CDU mit Freuden dabei. Ein akademisches Studium ist nun wirklich ein mustergültiges Beispiel für geordnete Zuwanderung.
(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei den GRÜNEN)
Wer von weit her zum Studium nach Sachsen-Anhalt kommt, der geht keinen leichten Weg. Die Vorbereitung auf einen Auslandsaufenthalt dauert oft mehrere Jahre. Ein Studium in Deutschland fordert den Herkunftsfamilien viel ab, nicht zuletzt finanziell. Die jungen Leute müssen vorab im eigenen Land und/oder hier am Studienkolleg ein solides fachspezifisches Grundwissen erwerben, bevor sie mit dem eigentlichen Studium beginnen können. Wer so viel Zeit, Geld und Mühe investiert und seine Heimat hinter sich lässt, der tut das nicht leichtfertig. Wer einen solchen Weg einschlägt, der orientiert seinen eigenen weiteren Lebensweg nach Deutschland, will sich hier einbringen und hier seine berufliche und akademische Karriere machen. Genau dafür sollten wir unsere Türen weit, weit offenhalten.
(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist ein Irrtum zu glauben, dass es für Menschen in aller Welt keine schönere Vorstellung gebe, als nach Deutschland zu kommen oder gar nach Sachsen-Anhalt. Um qualifizierte Arbeitskräfte ebenso wie um angehende Akademikerinnen und Akademiker konkurriert Deutschland mit zahlreichen anderen Industrienationen, die ebenfalls einen Arbeitskräftemangel zu verzeichnen haben. Neben vielen Vorzügen unseres Arbeitsmarktes, unseres Hochschul- und Ausbildungssystems und der industriellen Kompetenz in Deutschland haben wir in diesem Konkurrenzkampf natürlich auch Standortnachteile. So stellt z. B. unsere deutsche Sprache, so wunderschön sie ist, eine zusätzliche Hürde dar, weil für Millionen Menschen Englisch, Französisch und Spanisch einfach viel leichter zugänglich sind. - Herr Tillschneider, das Angebot von englischsprachigen Studiengängen ist weniger darauf ausgerichtet, es ausländischen Studierenden leichter zu machen, sondern darauf, unserem wissenschaftlichen Nachwuchs den Zugang zu internationalen Arbeitsmärkten zu sichern.
(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Zustimmung von Kathrin Tarricone, FDP, und von Minister Prof. Dr. Armin Willingmann)
Das ist nämlich genau das, was wir wollen: dass unseren jungen Leuten die Welt offensteht.
Im Wettbewerb um die besten Köpfe und die geschicktesten Hände stellen die Hochschulen einen der wenigen Standortvorteile Sachsen-Anhalts dar. Bei dem Anteil der internationalen Studierenden lagen wir im Wintersemester 2023/2024 mit einem Anteil von 17,2 % nach Brandenburg und Berlin zusammen mit Sachsen auf Platz 3. Im Sommersemester 2025 beträgt der Anteil bereits 21,8 %. Das ist keine Last, das ist eine Chance,
(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der Linken und bei den GRÜNEN)
eine Chance, junge Menschen zum Bleiben in Sachsen-Anhalt zu bewegen. Und ja, werte Kolleginnen und Kollegen, insoweit haben wir noch eine Menge vor uns. Wenn eine Studentin an der Otto-von-Guericke-Universität im Fach Informatik sagt, sie bekommt kein Praxissemester hier bei einem Unternehmen, weil sie Kopftuch trägt, dann haben wir an dieser Stelle viel zu tun,
(Beifall bei der SPD, bei der Linken und bei den GRÜNEN - Zuruf von Felix Zietmann, AfD)
damit wir den jungen Menschen tatsächlich eine Perspektive bieten, eine Chance, unser Land so weiterzuentwickeln, dass qualifizierte Kräfte hier eine Perspektive für sich und ihre Familien entdecken, eine Chance, Hass und Rassismus im Alltag zurückzudrängen, damit internationale Studierende und Postgraduierte nicht abgeschreckt werden.
Der Wissenschaftsminister hat auf die Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft hingewiesen, in der auch finanziell beziffert wird, welchen Gewinn unser Land aus dem Engagement internationaler Studierender ziehen kann. Ich möchte nur eine Zahl daraus zitieren: Der gesamtfiskalische Effekt internationaler Studierender, selbst bei niedriger Bleibequote, beträgt 7,36 Milliarden € - selbst bei niedriger Bleibequote. Diese Zahl sollten wir ernst nehmen und nicht vom Tisch wischen.
Ich betone: Neben den wirtschaftlichen und strukturpolitischen Aspekten spielen auch die kulturellen Austauschaspekte und die völkerverbindende Funktion des internationalen Studiums eine große Rolle.
Die internationalen Studierenden verteilen sich sehr ungleich auf die Hochschulen unseres Landes; auch das dürfte Ihnen bekannt sein. Dass die Theologische Hochschule Friedensau unter den Studierenden mehr als zwei Drittel ausländische Studierende hat, hat schon Tradition und ist natürlich nicht repräsentativ. Gerade bei den beiden Universitäten fällt der Unterschied in Anbetracht von 35,9 % in Magdeburg und nur 9,3 % in Halle deutlich auf. Er beruht nicht zuletzt auf dem hohen Interesse ausländischer Studierende an naturwissenschaftlich-technischen Studiengängen. Das unterstreicht noch einmal: Das sind die jungen Menschen, nach denen unser Arbeitsmarkt laut, laut und unmissverständlich ruft.
Angesichts dieses großen Potenzials auf der einen Seite und des ungelösten Arbeitskräfteproblems auf der anderen Seite frage ich mich und frage ich Sie, werte Kolleginnen und Kollegen der CDU-Fraktion: Was um alles in der Welt sollte uns dazu bewegen, diesen jungen Menschen auch nur den kleinsten Stein in den Weg zu legen?
(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der Linken und bei den GRÜNEN)
Wir würden uns auch als Industrie- und Wirtschaftsstandort - verzeihen Sie mir die saloppe Ausdrucksweise - selbst ins Knie schießen. Das sollten wir nicht tun. Der Wirtschaftsminister sagt zu Recht: roter Teppich für Investitionen. Ich stimme zu und ich ergänze: goldene Brücken für den wissenschaftlichen Nachwuchs, egal aus welchem Land, egal mit welcher Intention. Wir sind darauf angewiesen, auch um unser Land zukunftsfest zu machen,
(Felix Zietmann, AfD: So ein Quatsch! Wir sind gar nicht darauf angewiesen!)
dass junge Menschen hierher kommen, sich hier ein Leben aufbauen wollen und mit uns gemeinsam dafür sorgen, dass Sachsen-Anhalt in der Bundesrepublik und international den Stellenwert bekommt, den dieses wunderschöne Bundesland und diese wunderschöne Hochschullandschaft auch verdienen. - Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der Linken und von Andreas Silbersack, FDP)
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Frau Dr. Pähle, es gibt eine Intervention von Herrn Dr. Tillschneider und dann eine Frage von Herrn Kosmehl. - Herr Dr. Tillschneider, bitte.
Dr. Hans-Thomas Tillschneider (AfD):
Ich will auf die englischsprachigen Studiengänge in Sachsen-Anhalt eingehen. Ich habe es in meiner Rede bereits gesagt und will es noch einmal betonen: Es gibt Studien, mehrere Studien, die nachweisen, dass sich unter Nicht-Englischmuttersprachlern, die im wissenschaftlichen Verkehr ein Allerweltsenglisch parlieren, tatsächlich eine Sprache herausgebildet hat, die sich mittlerweile so weit vom originalen Englisch unterscheidet, dass es schon Verständnisprobleme gibt. Das ist dieses - wie soll ich sagen? - Allerweltsenglisch, dieses Idiom der Globalisierung. Ich weiß nicht, ob man unseren Studenten einen großen Gefallen tut, wenn man ihnen das jetzt mitgibt.
Ich sage: Wenn jemand ordentliches Englisch lernen will, dann soll er ein Jahr in Großbritannien oder in den USA studieren; dann kann er es
(Oh! bei der FDP)
und dann hat er etwas. Denn wir wollen nämlich noch so etwas versuchen wie kulturelle Identität
(Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Da können wir uns aber die Studiengebühr nicht leisten!)
und Authentizität. Das ist natürlich mit Anstrengung verbunden, aber wir scheuen diese Anstrengung nicht.
(Beifall bei der AfD)
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Frau Dr. Pähle, wollen Sie reagieren?
Dr. Katja Pähle (SPD):
Herr Kollege Tillschneider, ich weiß, dass in Ihrer Denkmatrix alles mit Identität verbunden ist.
(Zurufe von der AfD: Ja! Richtig! - Ulrich Siegmund, AfD: Denkmatrix!)
Allein aber die Vorstellung, „dann sollen sie doch in Großbritannien und in den USA studieren“, erinnert mich, ganz ehrlich, ein bisschen an den wohl nicht belegten Satz: Wenn sie kein Brot haben, dann sollen sie halt Kuchen essen.
(Beifall bei der SPD)
Von der Warte her: Den Studierenden, die nicht die finanziellen Möglichkeiten haben,
(Ulrich Siegmund, AfD: Das war richtig schwach jetzt!)
nach Großbritannien oder nach Amerika zu gehen - ich wünsche jedem, dass er es tut, wenn er es kann , zu sagen, „dann seid ihr halt von dem späteren internationalen Berufsweg abgeschnitten, weil hier wird auf Deutsch studiert“, halte ich für den falschen Ansatz. Es gibt sicherlich in vielen, vielen Fachrichtungen und in vielen, vielen Studienprogrammen nicht nur ausgewiesene gute englische Dozenten, das will ich gar nicht verleugnen. Aber die Möglichkeit abzuschneiden, sich mit genau solchen international aufgestellten Studiengängen für den internationalen Markt zu qualifizieren, finde ich einfach fatal. Das ist ehrlicherweise auch ein Abschneiden von Zukunftschancen der jungen Menschen.
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Herr Dr. Tillschneider.
Dr. Hans-Thomas Tillschneider (AfD):
Hierzu will ich noch kurz Anmerkungen vorbringen. Punkt eins. Ein halbwegs begabter Student, der in der Schule Englisch hatte und hier auf Deutsch studiert hat, kann, wenn er in ein englischsprachiges Land geht, mit ein bisschen Anlaufzeit dort studieren.
Punkt zwei. Wer sagt denn, dass wir uns so auf das Englische fokussieren müssen? Es gibt ja noch andere internationale Sprachen, die wichtig sind,
(Guido Kosmehl, FDP: Ja, z. B. Russisch!)
und diese werde verdrängt. - Genau, z. B. Russisch oder Französisch oder andere Sprachen. - Das, denke ich, sollten wir auch im Auge haben.
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Frau Dr. Pähle.
Dr. Katja Pähle (SPD):
Dann wäre ja die Schlussfolgerung: Genau auch solche Studienprogramme setzen wir auf, um konkret das zu tun. Übrigens wäre dann die erste Sprache, an die ich insbesondere denken würde, ehrlicherweise China,
(Felix Zietmann, AfD: „Mandarin“ heißt die Sprache!)
weil der asiatische Markt sich einfach entwickelt.
Aber bis jetzt habe ich aus Ihren Reden weniger den Wunsch herausgehört, an der Stelle mehr für Internationalität an den Hochschulen zu sorgen, sondern das eher eng zu führen und klein zu halten. Anscheinend gibt es bei Ihnen insoweit einen Umstellungsprozess.
(Zuruf von Dr. Falko Grube, SPD)
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Herr Kosmehl, bitte.
Guido Kosmehl (FDP):
Frau Präsidentin! Verehrte Kollegin Pähle! Ich bin über einen Satz gestolpert und würde Sie gern etwas fragen. Denn Sie haben ein bisschen suggeriert - so habe ich es zumindest verstanden , dass es notwendig sei, das Studium kostenfrei zu gestalten, um Forschung und Studierende und internationale Forschung zu bekommen.
Jetzt frage ich Sie, ob Ihnen bekannt ist, dass Studienplätze an der medizinischen Fakultät in Beijing umgerechnet mit Kosten in Höhe von etwa 5 500 € pro Semester verbunden sind. In den USA und in Großbritannien sind selbstverständlich Studiengebühren zu zahlen. Glauben Sie, dass die Frage des Anreizes und des Anwerbens von Studierenden oder internationalen Forschenden nur an der Kostenfreiheit hängt?
Dr. Katja Pähle (SPD):
Herr Kosmehl, vielen Dank für die Frage und die Gelegenheit, dass ich dazu noch ausführen kann. - Nein, es hängt nicht nur an der Kostenfreiheit - nicht nur. Kollege Tullner hat vorhin die Gruppen erwähnt, die den höchsten Anteil ausmachen. Im Hinblick auf diese Gruppen kann man durchaus feststellen, dass Indien sehr repräsentiert ist, Bangladesch sehr repräsentiert ist. Das besagt nichts darüber, dass diese Studenten
(Ulrich Siegmund, AfD: Studenten! Sehr gut!)
schlechter wären als amerikanische. Vielmehr ist es einfach nur eine Herkunft.
Natürlich bieten wir mit unserer Kostenfreiheit besonderen Studierenden eine Chance, hier ihr Studium zu vollziehen. Unser Hochschulsystem insgesamt ist durch unsere Tradition in Deutschland genau darauf ausgelegt. Wir haben öffentlich finanzierte Hochschulen. In anderen Ländern rund um den Globus sieht das zum Teil ganz anders aus. Wir haben in Deutschland eine ganze Menge privater Hochschulen. Mittlerweile gibt es auch eine in Sachsen-Anhalt. Sie können Medizin mit hohen Studiengebühren auch in der Nähe, also in Berlin, studieren und sich damit bspw. unserem System des Numerus Clausus und der Bewertung der Abiturnote entziehen.
(Siegfried Borgwardt, CDU: Ja!)
Genau das ist nämlich der Umweg. In dem Moment, wo ich dafür bezahle, ist meine Abiturnote für das Anstreben des Studienplatzes und die Aufnahme des Studiums nicht mehr so relevant. Das wird durch Geld ausgeglichen.
Bisher bin ich immer davon ausgegangen, dass unser System, Studienplätze nach Leistung, nach Schulleistung, nach erworbener Wissensleistung zu verteilen, der richtige Weg ist und es nicht davon abhängig zu machen, wer sich Dinge leisten kann und wer nicht. Aus der Erfahrung von vielen Diskussionen insbesondere in diesem Bereich weiß ich - das sehen Sie mir bitte nach -, dass der Einstieg über die internationalen Studierenden oftmals nur der erste Schritt ist, um über Studiengebühren im gesamten System zu diskutieren. Dazu habe ich genauso wie meine Fraktion und meine Partei eine ganz klare Auffassung.