Wolfgang Aldag (GRÜNE): 

Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine Damen und Herren! Alles hängt mit allem zusammen. - Sicherlich kennen einige von Ihnen diesen Spruch. Aber wissen Sie auch, wer ihn ausgesprochen hat? - Kein geringer als Alexander von Humboldt, der große Naturforscher und Universalgelehrte. Bei seinen Forschungsreisen hat er Tiere und Pflanzen beobachtet und dabei festgestellt, dass keine Pflanze und kein Tier für sich allein besteht, sondern immer in Wechselwirkungen mit anderen Lebewesen existiert.

(Marco Tullner, CDU: Da hat wohl jemand ein Buch gelesen!)

Politische und wirtschaftliche Entscheidungen haben ökologische und soziale Auswirkungen auf Sachsen-Anhalt, auf Deutschland, auf Europa, auf die Welt. Wir selbst und unser Lebensraum sind ein kleiner Teil eines großen Ganzen. Die Zusammenhänge bleiben uns oft verborgen. Wir wissen aber, dass heutige Entscheidungen Konsequenzen für die Zukunft haben und auf Dauer unsere Lebensqualität stark beeinflussen.

Sicher, die Menschheit ist in der Lage und besitzt auch die Fähigkeit, Lösungen für die Probleme zu finden. Meine Damen und Herren! Mit der vorliegenden Beschlussempfehlung scheint diese Fähigkeit leider abhandengekommen zu sein.

Die Vielfalt der Arten ist in Gefahr. Laut Bundesamt für Naturschutz sind in Deutschland etwa 30 % der Tier- und Pflanzenarten gefährdet. In Sachsen-Anhalt gelten 43 % der wildlebenden Wirbeltierarten als bestandsgefährdet oder bereits ausgestorben.

Der Verlust der Artenvielfalt betrifft unseren Alltag. Was häufig wie ein abstraktes ökologisches Thema klingt, hat ganz konkrete Auswirkungen auf unsere Ernährung, unsere Wirtschaft und unsere Gesundheit. Alles hängt eben mit allem zusammen.

Wir wissen doch, wo heute die Probleme im Land liegen und was wir tun können. Wir müssen endlich ins Machen kommen. Deswegen haben wir Vorschläge unterbreitet. Deswegen gab es eine Anhörung mit Akteuren aus dem Naturschutz. Einige von Ihnen waren doch auch dabei und haben gehört, was diese sagten.

Wir brauchen Beraterinnen und Kümmerinnen für den Naturschutz im ganzen Land. Wir brauchen qualifizierte Fachkräfte, die auch bleiben wollen. Und wir brauchen eine planbare Finanzierung, um Flächen langfristig zu pflegen. Nichts davon greift diese Beschlussempfehlung auf. Einzig und allein wird auf die EU-Wiederherstellungsverordnung verwiesen, als ob die hausgemachten Probleme allein die EU für uns lösen könnte.

Meine Damen und Herren! Die Europäische Union hat mit ihrem Plan zur Wiederherstellung der Natur sicher ein wichtiges Gerüst gebaut. Und es ist schön, dass die Koalition zumindest bereit ist, geltendes Recht umzusetzen.

(Hendrik Lange, Die Linke: Ja!)

Es ist nämlich kein Nice-to-have, sondern die Verordnung zur Wiederherstellung der Natur verpflichtet die Mitgliedstaaten, geschädigte Ökosysteme wieder in einen guten Zustand zu versetzen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Und natürlich sollte sich Sachsen-Anhalt hierbei einbringen und auch die Umsetzung begleiten. Das, was Sie in Ihrer Beschlussempfehlung ausführen, ist schön und gut, aber es sollte selbstverständlich sein und entpflichtet nicht davon, auf Länderebene eigene Strategien und Maßnahmen zu erarbeiten und umzusetzen.

(Zustimmung von Cornelia Lüddemann, GRÜNE)

Ich nehme an, Sie kennen den Zeitplan, den die EU vorsieht. Deutschland muss den finalen Plan im Jahr 2027 einreichen. Was machen wir bis dahin? Legen wir uns auf die grüne Wiese und wundern uns über die Stille? Stecken wir die Finger in die Ohren, wenn Menschen auf uns zukommen und über Planlosigkeit im Naturschutz klagen?

Sicher, vorrangig ist der Bund in der Pflicht, die EU-Verordnung umzusetzen. Wir wissen ja noch nicht   das haben wir in einer Kleinen Anfrage nachgefragt  , welche Flächen wo und in welcher Größe es betreffen könnte. Die Landesregierung hat in ihrer Antwort selbst geschrieben, dass sie noch auf Informationen vom Bund wartet. Gerade deswegen ist es doch absurd, sich jetzt in der Beschlussempfehlung ausschließlich auf diese EU-Verordnung zu fokussieren. Das ist eine Verschieberitis mit Ansage. Und mit Verlaub, Herr Minister, es ist eines Ministeriums nicht würdig.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Denn die Herausforderungen sind gewachsen und sie werden nicht weniger. Der Klimawandel, die Zersiedelung der Landschaften, Umweltgifte oder Flächenverbrauch schränken den Lebensraum und das Nahrungsangebot vieler Arten ein und belasten unsere Ökosysteme massiv. Das Mindeste, was wir tun können   und das schlagen wir in unserem neuen Antrag vor  , ist ein Update der Strategie zur biologischen Vielfalt. Ich meine, nach 15 Jahren ist die Zeit reif dafür.

Sie schreiben selbst im Koalitionsvertrag, dass Sie die Landesbiodiversitätsstrategie erneuern wollen. Sie reden sogar davon, den Verlust der Artenvielfalt umzukehren. Jetzt taucht dieser Punkt in Ihrer Vorlage ganz am Ende unter Punkt g) auf mit der Bemerkung, wir prüfen dann einmal, ob wir das noch brauchen, wenn der erste Wiederherstellungsplan veröffentlicht ist.

Wir dagegen schlagen mit unserem neuen Antrag vor, nicht darauf zu warten, sondern erstens eine umfassende Erneuerung der Biodiversitätsstrategie auf den Weg zu bringen, zweitens einen angepassten Aktionsplan mit einem speziellen Wildbienenprogramm zu erarbeiten und drittens eine ressortübergreifende konsequente Umsetzung der Maßnahmen voranzutreiben.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Eine aktuelle Strategie kann dabei zweierlei leisten, nämlich landesspezifische Maßnahmen mit den EU-Plänen zu vereinen und diese Maßnahmen mit Indikatoren zu unterlegen, die auf dem aktuellen Stand der Forschung basieren.

Der derzeitige Aktionsplan enthält zum Teil Maßnahmen, die seit Jahren abgeschlossen sind oder sein sollten. Lassen Sie uns also genau hinsehen, was gut geklappt hat und warum, was fortgeführt werden muss, welche Punkte sich vielleicht erledigt haben und wo neue Erkenntnisse vorliegen. Es geht dabei nicht nur um Biotopverbundplanung, um Schutz von Verantwortungsarten oder um Schutzgebietserweiterungen, sondern auch um Moore, Bodenschutz, um günstige Rahmenbedingungen für den ökologischen Anbau oder um Bildung für nachhaltige Entwicklung in Schulen und Kitas.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Der Aktionsplan ist heute schon ressortübergreifend, und das ist gut. Klar, er ist auch anstrengend, aber er ist gut. Und es ist der Versuch, über Verwaltungsgrenzen hinweg die gemeinsame Sache voranzubringen, nämlich den Schutz des Artenreichtums in unserem Bundesland.

Besonders wichtig ist uns, dass der Schutz der Wildbienen eigens aufgenommen wird. Denn Wildbienen, oft unscheinbar, oft übersehen, sind für die Bestäubung zahlreicher Pflanzenarten unverzichtbar. Im Gegensatz zu Honigbienen wirken Wildbienen oftmals im Verborgenen. Dabei sind ihre wirtschaftlichen und ökologischen Bedeutungen riesig.

Wir müssen dafür sorgen, dass ihre Lebensräume erhalten bleiben und dass sie reichlich Nahrung finden. An jedem dritten Happen, den wir essen, ist eine Biene beteiligt; denn alles hängt mit allem zusammen. 

(Zustimmung bei den GRÜNEN) 

Zu guter Letzt ist eine konsequente Umsetzung der Maßnahmen nötig. Und das funktioniert nur, wenn alle mitmachen. Dass das Arbeit ist und nicht immer leicht sein wird, ist klar. Aber wir machen es, weil wir intakte Lebensräume brauchen. Unser Ziel ist es, artenreiche Lebensräume zu bewahren und wiederherzustellen, und zwar in Wäldern, auf Wiesen, an Flüssen, in Dörfern und in Städten. Das gelingt nur, wen wir die Kräfte bündeln. 

Die Verantwortung liegt nicht nur bei der EU, beim Bund oder beim Umweltministerium. Es braucht auch das Landwirtschaftsministerium, das Bildungsministerium und den Verkehrsbereich - kurz: Es bedarf eines gemeinsamen Handelns über Verwaltungs- und Ministeriumsgrenzen hinweg.

(Zustimmung bei den GRÜNEN) 

Die Akteure vor Ort wünschen sich Unterstützung von Kommunen, Naturschützerinnen und Naturschützern, Landwirtinnen und Landwirten, Umweltverbänden sowie Schulen und Kitas. 

Meine Damen und Herren! Unser Antrag ist erneut ein Angebot. Lassen Sie uns gemeinsam Verantwortung übernehmen für die Natur, für unsere Lebensgrundlagen und für kommende Generationen. Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag im Interesse eines Ziels, welches Sie als Koalition sich selbst gesteckt haben. - Herzlichen Dank.