Tagesordnungspunkt 30

Beratung

Amtshilfe im Katastrophenfall darf nicht am kommunalen Budget ausgerichtet sein!

Antrag Fraktion Die Linke - Drs. 8/5582


Herr Henke kann es kaum erwarten, diesen Antrag einzubringen. - Herr Henke, dann machen Sie das.

(Beifall bei der Linken)


Andreas Henke (Die Linke): 

Vielen Dank, Herr Präsident. - Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir alle wissen, jede Kommune, jede Region unseres Landes kann unverhofft von einem Tag zum anderen von einer Katastrophe oder einem Großschadensereignis betroffen sein. Solche Ereignisse bedrohen Leben und Gesundheit vieler Menschen, zerstören materielle Güter, Natur und Umwelt. 

Großräumige Schadenslagen sind beinahe in jedem Jahr irgendwo wahrzunehmen. Dabei nehmen gerade klimabedingte Risikopotenziale und ihre Häufigkeit des Eintretens zu. So bringen voranschreitende Klimaveränderungen ein größer werdendes Gefahrenpotenzial mit sich. Lange und trockene Hitzeperioden mit großflächigen Wald- und Vegetationsbränden, Hochwasser- und Flutkatastrophen bei langanhaltendem Starkregen oder auch Orkane und Tornados sind in Deutschland längst keine Seltenheit mehr. 

Möglich sind auch Unfälle großen Ausmaßes mit Gefahrgut, Explosionen, Havarien an Chemieanlagen oder Einrichtungen, die zur kritischen Infrastruktur zählen. Solche Szenarien finden sich mittlerweile in vielen kommunalen und betrieblichen Ablaufplänen, Bedarfsplänen und Risikobewertungen. Das sind Ereignisse, die in ihrem Ausmaß so stark und ungewöhnlich sind, dass sie Feuerwehren, Hilfeleistungsorganisationen und Fachdienste im Katastrophenschutz schnell an ihre Grenzen bringen und mit einer normalen Aufbau- und Ablauforganisation kaum noch bewältigt werden können.

Um dennoch die Katastrophe oder Großschadenslage in ihrer oft verheerenden Wirkung einzudämmen, greifen Stäbe für außergewöhnliche Einsätze, kommunale Krisenstäbe und Behörden des Katastrophenschutzes immer häufiger, sofern ihre Kapazität nicht mehr ausreicht, auf die Amtshilfe zurück, die sie beim Bund respektive bei der Bundespolizei, der Bundeswehr oder dem THW anfordern. Rechtliche Grundlagen finden Sie dafür in Artikel 35 des Grundgesetzes.

Demnach gilt der Grundsatz, dass Behörden verpflichtet sind, wechselseitige Rechts- oder Amtshilfe auszuüben. Prinzipiell ist sie dann vorzunehmen, wenn die ersuchende Behörde aus plausiblen Gründen nicht in der Lage ist, eine Amtshandlung selbst auszuführen. Eine Amtshilfe - auch das ist in seltenen Fällen möglich, z. B. beim Vorliegen einer Unverhältnismäßigkeit - kann versagt werden, wenn eine Behörde sehr wohl in der Lage wäre, die Aufgabe zu erfüllen, allerdings nur mit einem extrem hohen Aufwand eigener Kräfte und Mittel. 

Ferner gelten zur Amtshilfepflicht weitere gesetzliche Vorschriften, wie das Verwaltungsverfahrensgesetz oder bei uns im Land das Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung. Insbesondere das Verwaltungsverfahrensgesetz normiert in den §§ 4 bis 8 die Kostenerstattungen an die hilfeleistende Behörde. Die ersuchende Behörde hat zwar in diesem Fall keine Verwaltungsgebühr, in deren Kalkulationen bspw. Personal- oder Sachkosten einfließen, zu erstatten, aber eben - das ist gerichtlich schon besprochen - einsatzbedingte Mehraufwendungen, wenn sie im Einzelfall 35 € übersteigen.

Es ist naheliegend, dass dieser Betrag beim Einsatz von Spezialkräften und Technik, z. B. bei dem Einsatz von Löschhubschraubern in schwer zugänglichen Gebieten und über mehrere Tage hinweg, schnell überschritten ist, und zwar allein schon mit Blick auf die dafür notwendigen Betriebsmittel bei den Löschhubschraubern. 

Die abzugebende Kostenübernahmeerklärung der ersuchenden Behörde ist also eine sehr zentrale Frage im Voraus der operativen Entscheidung, um Amtshilfe zu bitten. Sie ist in einer sehr angespannten Situation mit Blick auf Lagebild, Gefahren, Schädigung, Zeit und der zur Verfügung stehenden Kräfte und Mittel zu beantworten. 

Ich selbst habe in meiner Amtszeit Amtshilfe in Notsituationen anfordern müssen und Kostenzusageerklärungen abgeben müssen. Dabei sitzen einem Zeit, Druck und Sorge über nicht mehr zu beherrschende Gefahren nicht nur sprichwörtlich im Nacken. In dieser Situation fragen Sie nicht erst die Kämmerin oder den Kämmerer, ob man es sich finanziell leisten kann. Nein, es gibt eine kurze Beratung, eine Abwägung im Krisenstab und dann wird die Eilentscheidung getroffen. 

So oder ähnlich wird es auch dem Wernigeröder Oberbürgermeister Kascha ergangen sein, als er bei einem Großbrand unterhalb des Brockens im vergangenen Jahr die Bundeswehr um Unterstützung mit Löschhubschraubern bat. Erfahrungsgemäß geht man in einem solchen Fall von Kosten für den Einsatz von einem mittleren fünfstelligen Betrag oder maximal von einem sechsstelligen Betrag im unteren Bereich aus. 

Umso größer ist sicherlich die Ernüchterung gewesen, als im Rathaus Wernigerode eine Rechnung von mehr als 1,3 Millionen € eintraf. Bei diesem Einsatz müssen also riesige Mengen an Betriebsmitteln, wie Kerosin oder Flugbenzin, draufgegangen sein. Das vermag ich jetzt nicht zu beurteilen. Wie dem auch sei, dem Instrument Amtshilfe in Notfallsituationen ist damit ein Bärendienst erwiesen. Der Wernigeröder Oberbürgermeister und mit ihm vielleicht auch viele seiner Amtsträgerinnen- und Amtsträgerkollegen werden sich jetzt wohl zweimal überlegen, ob sie Amtshilfe der Bundeswehr erbitten. 

Aber das Signal - ich denke, darin stimmen Sie mir zu - muss eigentlich ein anderes sein. Bevölkerungsschutz und Katastrophenschutz dürfen nicht an der Kassenlage einer Kommune scheitern. 

(Beifall bei der Linken)

Wenn es darum geht, mithilfe der Bundeswehr als steuerfinanzierter Armee und ihren technischen und personellen Ressourcen Schäden und Gefahren in Katastrophenfällen von der Allgemeinheit abzuwenden, sollte dies für Städte, für Gemeinden, für Landkreise und die ersuchenden Behörden kostenfrei erfolgen. 

Im Übrigen gab es dies bereits, und zwar für die für die Länder und Kommunen erbrachte Amtshilfe der Bundeswehr während der Zeit der Coronapandemie. Es gab eine entsprechende Erlassregelung der Bundesregierung, die Amtshilfe kostenfrei zu gewähren. Deshalb bitten wir Sie um Unterstützung für unseren Antrag, die Landesregierung zu beauftragen, sich auf Bundesebene dafür stark zu machen. Im Übrigen gibt es einen ähnlich lautenden Antrag der Fraktion Die Linke auch im Bundestag, der kürzlich in die Ausschüsse überwiesen wurde. Deshalb bitten wir Sie an dieser Stelle um die Überweisung des Antrages in die Ausschüsse. - Vielen Dank.

(Beifall bei der Linken)

Präsident Dr. Gunnar Schellenberger: 

Danke, Herr Henke.