Dr. Hans-Thomas Tillschneider (AfD): 

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Zu Frau Ministerin gibt es nicht viel zu sagen, sie hat hier halt etwas vorgelesen. Aber ich will trotzdem auf die Heuchelei hinweisen, die darin besteht, dass man immer so tut, als würde man die Wissenschaft machen lassen und sich heraushalten. Das stimmt einfach nicht. Zwischen den Zeilen wird ständig kommuniziert, was erwünscht ist, worauf es hinauslaufen soll. 

Ich habe z. B. erlebt, wie die deutsche Germanistik plattgemacht wurde. Sie war der Politik zu verstaubt, mit deutscher Identität solle man sich ohnehin nicht beschäftigen und Gender-Studies seien viel modischer. Das führte zu dem Ergebnis, dass es eigentlich kaum noch eine deutsche Germanistik gibt und dass die meisten Lehrstühle ersetzt worden sind durch diesen Gender-Kram. Das wurde natürlich von der Politik initiiert. 

Herr Minister,

(Dr. Katja Pähle, SPD: Ehemaliger!)

vielen Dank für das Gespräch. Das war einmal   das erste Mal in all den Jahren   ein Ansatz einer sachlichen Auseinandersetzung. Dafür bin ich dankbar. Es wäre schön, wenn es immer so laufen würde. Ich will bei Ihrer Antwort ansetzen. Sie haben die Wissenschaft definiert als Raum, in dem man vorurteilsfrei reflektieren kann. Das halte ich leider für doppelt falsch. Denn zum einen ist die Wissenschaft nicht vorurteilsfrei   Vorurteile haben eine erkenntnisleitende Funktion; bei Gadamer gibt es dazu viel zu lesen  , zum anderen reflektiert sie nicht ziellos, sondern sie hat natürlich ein Ziel, und das ist der Wahrheitsbezug. Was Wahrheit ist, habe ich Sie nicht mehr gefragt; das habe ich Ihnen erspart. Das ist auch eine sehr schwere Frage

Aber das Problem unserer Gesellschaft ist, dass uns der Wahrheitsbezug abhandengekommen ist, und über die Gender-Studies gewinnen wir ihn garantiert nicht zurück. Die Gender-Studies haben ihn mit zerstört, weil sie nämlich auf Derrida zurückgehen und auf diesen ganzen poststrukturalistischen Schwachsinn. 

Das, was Herr Lange vorgetragen hat, war im Grunde nicht satisfaktionsfähig. Er hat gesagt: krude Thesen, Rechtsextremismus. 

(Hendrik Lange, Die Linke: Ach, komm!) 

Ich will es Ihnen noch einmal erklären: Das Geschlechterverhältnis wird in der Wissenschaft beschrieben. Die Wissenschaft nähert sich ihm deskriptiv, nicht normativ. Sie verteidigen die Gender-Studies nur deshalb so sehr, weil Sie diese Art Wissenschaft für Ihren Zweck eingespannt haben. Es ist auch sehr bezeichnend, dass Sie am Schluss Ihrer Rede auf politische Fragen zu sprechen gekommen sind. 

Sie haben uns im Grunde unser Argument geliefert. Sie haben angefangen, über Wissenschaft und über Gender zu reden, und dann kamen Sie zum Feminismus und zur politischen Aktion. Und genau das ist das Problem. 

An der Rede von Herrn Pott fand ich sehr gut, dass er mit der Definition des Bundesverfassungsgerichts daherkam. Denn gerade dann, wenn man sich mit so schwülem Zeug wie den Gender-Studies befasst, ist die Reflexion der Juristen wohltuend, weil sie sowohl vernünftig ist, einen Realitätsbezug hat, aber auch reflektiert. Wahrheitsermittlung ist genau der Begriff, den wir brauchen. Aber ich habe in meiner Rede gezeigt, dass, gemessen an der Wahrheitsermittlung, wie es das Bundesverfassungsgericht sagt, die Gender-Studies keine Wahrheitsermittlung liefern. 

Glauben Sie mir, ich weiß in dem Fall, wovon ich spreche; deshalb rede ich auch dazu. Ich habe vor zehn Jahren das Werk „Gender Trouble“ von Judith Butler gelesen. In Vorbereitung auf diese Debatte habe ich es noch einmal gelesen. Butler sagt ganz klar: Wir müssen das Geschlechterverhältnis aufheben, und wir überlegten jetzt, welche Strategien die besten seien. Das ist das, was sie mit diesem Buch macht. Das ist die Bibel der Gender-Studies; darauf beruhen alle oder der größte Teil der Geschlechterforschungen, die zurzeit betrieben werden. Das ist eben keine Wahrheitsermittlung nach der Definition des Bundesverfassungsgerichts. 

Zu den GRÜNEN. Frau Sziborra-Seidlitz hat behauptet, die bunte Welt würde mir Angst machen. 

(Eva von Angern, Die Linke: Ja! - Lachen bei den GRÜNEN - Zurufe von der AfD)

Ganz ehrlich - ich habe manchmal eher den Eindruck, dass ich der bunten Welt Angst mache,

(Nadine Koppehel, AfD: Ja, genau so ist es! - Susan Sziborra-Seidlitz, GRÜNE: Dafür müsste man Sie ernst nehmen!) 

Wobei - ich kann die bunte Welt beruhigen: Sie müssen vor mir gar nicht so viel Angst haben, ich bin im Grunde viel liberaler, als ich manchmal tue.

(Lachen bei der AfD - Oh! bei der CDU - Zurufe von der Linken und von der FDP)

Ich kann es nur noch einmal sagen: Wissenschaft ja, Manipulation nein. Ich will es an Ihren medizinischen Beispielen festmachen. Forschung zu Krebsarten, die spezielle Krebsverläufe und Krebsarten bei Frauen und Männern in den Blick nehmen, um diese Krebsarten besser verstehen und besser heilen zu können - natürlich! Das will doch niemand abschaffen. 

(Hendrik Lange, Die Linke: Macht ihr gerade! - Zuruf von Dr. Katja Pähle, SPD) 

- Lassen Sie mich ausreden.   Unterschiedliche Krankheiten bei Männern und Frauen. 

Aber   sie hat auch ein anderes Beispiel gebracht   Geschlechtsumwandlung, also die Verunstaltung des menschlichen Körpers, sollte, so finde ich, an unseren Universitäten nicht gefördert werden. An Privatkliniken kann man das meinetwegen machen.

(Susan Sziborra-Seidlitz, GRÜNE: Das ist ein Zerrbild, das Sie zeichnen!) 

Aber das ist nichts, was im Auftrag der Wissenschaft liegt; denn das ist wirklich ein körperlich evidentes Beispiel für Manipulation, die wir nicht wollen. 

(Beifall bei der AfD - Zuruf von der AfD: Bravo!) 

Zu Frau Pähle. Besessenheit von Fragen der Identität. Na ja, die Fragen der Identität sind nun einmal wichtige Fragen. Ich glaube, diese Fragen treiben uns alle um, den einen auf die eine Weise, den anderen auf die andere Weise. Sie haben mir vorgeworfen, dass wir unsere Wertvorstellungen zur Architektur, zur Geschichte, zur Wissenschaft darlegen, und Sie würden das nicht tun. Aber das ist falsch. Sie haben einfach nur andere Wertvorstellungen. Aber Sie verzichten nicht darauf, Ihre Wertvorstellungen kundzutun.

Ich will nur einmal an Ihren Kollegen Herrn Schmidt erinnern   er ist gerade nicht anwesend  , der während der letzten Plenarsitzung aufgestanden ist und gemeint hat, was ich gemacht habe, sei keine Wissenschaft und es sei eine Schande, dass ich habilitiert worden bin. Er hat gesagt, es sei eine Schande, dass ich habilitiert worden bin. Wie kann man stärker in die Wissenschaftsfreiheit eingreifen und wie kann man stärker seinen Geschmack kundtun als mit dieser Äußerung? 

(Beifall bei der AfD) 

Also tun Sie nicht so, als wären Sie da anders. 


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding: 


Herr Dr. Tillschneider, kommen Sie zum Schluss. 


Dr. Hans-Thomas Tillschneider (AfD): 

Ich komme ohnehin zum Schlusswort. - Fazit: Es gab hier Wortmeldungen, die versucht haben, sich sachlich mit dem Antrag auseinandersetzen. Dafür bin ich dankbar. Und es gab andere Wortmeldungen, die das nicht getan haben. Es ist sehr bezeichnend, dass diejenigen, die die sachliche Auseinandersetzung verweigert haben, ein Verbot unserer Partei gefordert haben. Wenn ich mich nämlich nicht mehr sachlich auseinandersetze und keine Argumente habe, dann kann ich nur noch verbieten. 

(Beifall bei der AfD - Ulrich Siegmund, AfD: Jawohl!)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding: 

Herr Dr. Tillschneider, es gibt eine Intervention. - Herr Dr. Grube, Sie haben sich schon hingestellt. 


Dr. Falko Grube (SPD): 

Nein, ich habe mich für eine Frage gemeldet und habe mich aus Gründen der Zeitersparnis schon einmal hingestellt. Es ist eine Frage.


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding: 

Okay, gut, eine Nachfrage. Aber dann kann Herr Dr. Tillschneider noch Ja oder Nein sagen. 


Dr. Hans-Thomas Tillschneider (AfD): 

Ja, immer.


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding: 

Herr Dr. Grube, bitte schön. 

(Susan Sziborra-Seidlitz, GRÜNE: Er hat auf seine Eitelkeit gesetzt! Er würde nicht Nein sagen!) 


Dr. Falko Grube (SPD): 

Ich will es einmal sachlich probieren und mich dem wissenschaftstheoretischen, epistemologischen Teil Ihrer Rede widmen. Sie haben gesagt, dass Sie normative Aspekte in der Wissenschaft ausschließen. Sie sind für eine wertfreie Wissenschaft. Sie haben auch gesagt, Wissenschaft sei nicht normativ, sondern ausschließlich deskriptiv. 

Ich komme aus einer anderen wissenschaftstheoretischen Ecke. Für mich sind gerade Gesellschaftswissenschaften immer performativ. Das Reden über Wirklichkeit schafft ganz automatisch Bewusstsein, einfach indem man darüber redet. Aber sei es drum, geschenkt, man kann das auch anders sehen. Das ist in der Wissenschaft auch keine Mindermeinung. 

Sie ziehen daraus den Schluss, dass Gender-Studies verboten werden sollen, weil sie Bewusstsein schaffen sollen, weil sie Werte vermitteln sollen. Sie haben in einer anderen Rede postuliert, dass die deutsche Hochschule dazu da ist, deutsches Nationalbewusstsein zu schaffen. Das ist ein Werturteil, das Ihnen besser gefällt als das, was den Gender-Studies zugrunde liegt. Aber wenn Sie eine wertfreie Wissenschaft wollen, die kein bewusstseinsverändernder Prozess sein soll und die nicht Bewusstsein schaffen soll, warum ist es statthaft, dass Ihr Werturteil vermittelt wird, andere aber nicht?


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding: 

Herr Dr. Tillschneider, bitte. 


Dr. Hans-Thomas Tillschneider (AfD): 

Erst einmal vielen Dank für diese Frage, die zum Nachdenken einlädt und die wirklich an den Kern der Sache geht. Zuerst will ich sagen: Wir wollten Gender-Studies nicht verbieten, sondern wir wollen sie einfach weniger finanzieren. Das ist doch ein Unterschied zum Verbot. An Privatuniversitäten kann so etwas betrieben werden. 

Aber zum Kern Ihrer Frage, zu den Werturteilen. Weshalb ist das, was die Gender-Studies machen, nach unserer Auffassung im Rahmen der Wissenschaft ein illegitimes Werturteil, und weshalb ist das, was wir wollen, nämlich ein Bekenntnis zu nationaler Identität, legitim? - Deshalb, weil das Bekenntnis zu nationaler Identität im Grunde der Grundwert ist, der alles umfasst, 

(Zuruf von Juliane Kleemann, SPD)

der auch uns alle umfassen sollte. Das Bekenntnis zur nationalen Identität sollte nichts sein, das die Rechten von den Linken unterscheidet. Deshalb schätze ich übrigens auch noch die Reste linker Patrioten sehr, die es ganz vereinzelt noch bei Ihnen gibt; sie haben so einen Seltenheitswert. Das Bekenntnis zur nationalen Identität sollte das sein, was uns alle in gleicher Weise eint, und rechts und links sollten sich in anderen Fragen unterscheiden.

Genauso ist es in der Wissenschaft. Die deutsche Wissenschaft, die auf Deutsch in Deutschland betrieben wird, ist selbstverständlich deutsch, und das hat sie auch nicht in ihrer Gewalt. Das hätte ich noch erwidert, wenn ich die Zeit dafür gehabt hätte: Die Selbstbestimmung, unsere Existenz   damit sind wir wieder bei der Identität   ist gekennzeichnet durch Geworfenheit. Sie haben sich Ihre Eltern nicht ausgesucht. Sie haben sich nicht ausgesucht, dass Sie als Frau geboren wurden. Sie haben sich nicht ausgesucht, dass Sie als Deutsche geboren wurden; und das sind Sie.

Genauso ist es mit den Universitäten in Deutschland. Das sind Universitäten, die in deutscher Tradition stehen, in unserem Land, in unserer Sprache. Und das hat einen ganz anderen Rang, als die Frage, ob ich das Geschlechterverhältnis manipuliere oder nicht.

(Beifall bei der AfD - Zuruf von Dr. Katja Pähle, SPD) 


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding: 

Herr Dr. Grube, bitte führen Sie jetzt keinen wissenschaftlichen Dialog. Das überfordert das Plenum und unsere Tagesordnung. 

(Zuruf von der AfD: Was? - Lachen bei der AfD)

Aber eine kurze Nachfrage können Sie stellen.


Dr. Falko Grube (SPD): 

Frau Präsidentin, ich neige nicht dazu, dieses Plenum intellektuell zu unterschätzen.

(Zustimmung bei der SPD, bei der CDU, bei der AfD und bei den GRÜNEN)

Insofern ist das, glaube ich, kein Problem. 

Ich weise Sie darauf hin, dass Ihre Äußerungen fundamental dem widersprechen, was Sie in Ihrer Eingangsrede gesagt haben. Sie haben eine wertfreie Wissenschaft verlangt und jetzt gesagt, es gebe Werturteile, die dieses ad absurdum führen. 

(Dr. Katja Pähle, SPD: Das ist eine Wertung!)

Sie wollen keine wertfreie Wissenschaft. Sie wollen eine Wissenschaft mit Ihren Werten.

(Dr. Katja Pähle, SPD: Ja!)

Im Übrigen: Auch die Identität, wenn ich sie an Geschlechterrollen festmache und vielleicht nicht nur an zwei Geschlechtern festmache     Wobei es immer Leute gibt, die dieser binären Geschlechterphänomenologie angehören. Ich bin ein Mann, ich bleibe ein Mann, ich bin dieses Geschlecht.

(Marco Tullner, CDU: Das steht jetzt im Protokoll!)

Aber jemand, der sagt, es ist ein anderes Geschlecht, der soll das gern machen. Sie sagen, es gebe Werturteile, die es wert seien, an der Universität vermittelt zu werden, und zwar die, die Sie fällen. Das ist keine wertfreie Wissenschaft. Dann müssen Sie sich entscheiden und dann müssen Sie das hier offenlegen. Ich finde, das haben Sie gerade getan. Aber dann hören Sie auf, von wertfreier Wissenschaft zu fabulieren.

(Beifall bei der SPD, bei der Linken und bei den GRÜNEN)


Dr. Hans-Thomas Tillschneider (AfD): 

Ganz kurz nur. 


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding: 

Herr Dr. Tillschneider, bitte. 


Dr. Hans-Thomas Tillschneider (AfD): 

Es ist im Grunde genommen kein Werturteil, sondern es ist eine existenzielle Struktur. Die deutsche Universität kann sich nicht entscheiden, ob sie eine deutsche ist oder keine deutsche ist - sie ist es. Wenn ich einen Wert nicht anders werten kann, sondern er vorgegeben ist, dann ist es im Grunde auch nicht mehr in mein Belieben gestellt. Dann ist es kein Werturteil mehr, sondern dann ist es eine existenzielle Struktur, in die wir geworfen sind.