Nicole Anger (Die Linke): 

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der heute vorliegende Gesetzentwurf ist vor allem eines: ein zögerlicher Schritt, aber keine Antwort auf die großen Herausforderungen, vor denen wir in der zahnmedizinischen Versorgung stehen.

(Zustimmung von Guido Henke, Die Linke - Zuruf von Matthias Redlich, CDU)

Mehr Studienplätze sind ein richtiger Schritt und eine Landzahnarztquote ist grundsätzlich sinnvoll, aber all das reicht längst nicht mehr.

(Zuruf von Matthias Redlich, CDU)

Meine Damen und Herren! Bis 2035 brauchen wir 750 Zahnärztinnen in diesem Land. Es sind also jedes Jahr mindestens 75 Absolventinnen. Das ist mitnichten eine kleine Lücke. Das wissen Sie. Es ist ein strukturelles Problem, das sich mit Ihrem Gesetzentwurf auch nur marginal lösen lässt. Dabei gäbe es Lösungen, die in der Praxis ansetzen und als Haltefaktoren für junge Zahnärztinnen wirken. Dabei geht es nicht um Studienplätze.

(Unruhe)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Frau Anger, einen Augenblick bitte. - Es herrscht mittlerweile ein ziemlicher Lärmpegel hier im Plenarsaal. Ich bitte, diesen ein bisschen zu reduzieren. Sonst kann man gar nichts mehr verstehen. - Bitte, Frau Anger.


Nicole Anger (Die Linke):

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Eine eigene Praxis zu übernehmen oder neu zu gründen, ist für junge Zahnmedizinerinnen

(Ulrich Siegmund, AfD: Männer gibt es auch!)

heute schlicht nicht mehr attraktiv. Es gibt zu viel Bürokratie, ein zu hohes finanzielles Risiko und zu wenig verlässliche Unterstützung. Das ist die Realität und nicht die Theorie. Medizinische Versorgungszentren in kommunaler Trägerschaft, also Praxisgemeinschaften mit geteilter Technik, geteilter Verantwortung und geteilten Kosten, könnten genau diese Hürden abbauen. Das ist ein Modell mit Perspektiven, aber in Sachsen-Anhalt gibt es kein einziges kommunales medizinisches Versorgungszentrum für Zahnmedizin. Denn es gibt auch keine Unterstützung des Landes dafür.

Meine Damen und Herren! Ebenso spielen ein verlässlicher ÖPNV, gute Kitas, Schulen und Kulturangebote eine Rolle. Das gehört zur Versorgung dazu. Wer Fachkräfte im Land halten will, muss ihnen ein attraktives Lebensumfeld bieten. Eine Fachkräftebindung über die Landzahnarztquote   es sind drei, die Sie mit dem Gesetz fordern   gelingt eben nur, wenn auch die Lebensqualität stimmt.

Meine Damen und Herren! Was bleibt also vom vorliegenden Gesetzentwurf übrig? - Es bleibt der Eindruck, dass wertvolle Zeit ungenutzt verstrichen ist und dass Maßnahmen, die heute als Fortschritt verkauft werden, längst hätten Realität sein müssen. Es bleibt außerdem das fehlende Aufgreifen der Kritik der Anzuhörenden im Sozialausschuss. Die schriftlich eingebrachten Stellungnahmen wurden nicht ernsthaft einbezogen. So geht man nicht mit dem Fachwissen um. Wissenschaftsminister Willingmann hat soeben die KZV und die Zusammenarbeit mit ihr gelobt. Deren Hinweise in ihrer Stellungnahme wurden aber nicht aufgegriffen.

Meine Damen und Herren! Ja, die Erhöhung der Zahl der Studienplätze ist ein richtiger, wenn auch ein sehr kleiner Schritt. Die Zahnärztinnen werden frühestens in sieben Jahren in die Versorgung kommen. Drei Studierende mit Landzahnarztquote sind doch eher Symbolpolitik und keine echte Strategie. Trotzdem, Herr Redlich, extra für Sie: Ein kleiner Schritt ist besser als keiner.

(Zustimmung von Matthias Redlich, CDU)

Die Hartnäckigkeit meiner Fraktion hat deutlich dazu beigetragen, dass sich überhaupt etwas bewegt.

(Matthias Redlich, CDU: Ach, so! - Guido Kosmehl, FDP: Oh! - Weitere Zurufe: Oh!)

Sie wissen, dass unsere Anträge von Ihnen vertagt und vertagt werden. Die dümpeln noch im Ausschuss herum. Aber sehen wir es einmal so: Hoffentlich geschieht es nicht zu spät, was wir heute beschließen. „Einfach mal machen“, Herr Redlich, hätte bereits vor Jahren passieren müssen. Das wissen Sie genauso gut wie ich. Denn eine zahnmedizinische Versorgung ist kein Luxus, sie ist Teil der Grundversorgung. - Vielen Dank.