Susan Sziborra-Seidlitz (GRÜNE): 

Vielen Dank. - Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Langsam muss man sich wirklich Sorgen machen, Herr Dr. Tillschneider. Sie scheinen sich von allem Möglichen verfolgt und getrieben zu fühlen. Die echte, bunte Welt da draußen muss Ihnen unfassbar viel Angst machen. 

Was ist diesmal Ihr Problem? Zittern Sie davor, dass eine kluge Frau Ihnen Ihren Job wegnimmt und Sie als Mann Ihren Platz in der Gesellschaft verlieren, weil eine Frau oder ein Mann Kurse zu feministischer Theorie besucht hat? Das ist wirklich nicht mehr nachzuvollziehen. 

(Zuruf von der AfD)

Dieser Kampf rechtsextremer Trolle weltweit gegen Geschlechterforschung: Vielleicht müssen bei Ihnen, Herr Dr. Tillschneider, ein paar Wissenslücken geschlossen werden, damit Ihnen klar ist, was Sie mit Ihrer Verbots- und Angstpartei AfD da eigentlich wegstreichen wollen. Ansonsten läuft es so, wie Sie es immer bei Ihren komischen alternativen Haushalten machen, wo mittels Google-Suche alles, wo „Frauen“, „Gender“ und „Vielfalt“ steht, weggestrichen werden soll, auch dann, wenn es Programme trifft, die nun wirklich überhaupt nichts mit dem zu tun haben, was Sie hier behaupten. 

Mir als Krankenschwester fallen da als Erstes Beispiele aus der Medizin ein. Jetzt festhalten, Herr Dr. Tillschneider, bitte nicht vom Stuhl fallen! In der geschlechtersensiblen Medizinforschung, auch Gender-Medizin genannt, wird z. B. an Krebssorten geforscht, an denen vor allem Frauen sterben, wie Brustkrebs oder Gebärmutterhalskrebs. Dazu gehört auch Forschung über Endometriose, eine oft extrem schmerzhafte Erkrankung der Gebärmutterschleimhaut, 

(Zuruf von der AfD: Darum geht es doch gar nicht!)

unter der etwa 15 von 100 Frauen in Deutschland leiden und die bisher wirklich noch schlecht erforscht ist. 

(Zustimmung bei den GRÜNEN, bei der Linken und der SPD)

Es werden Studien dazu gemacht, wie sich die Symptome von z. B. Schlaganfällen oder Herzinfarkten bei Frauen von den Symptomen bei Männern unterscheiden. Die haben nämlich oft ganz andere Symptome als Männer und Notfälle werden daher noch heute häufig viel zu spät erkannt. 

In der Gender-Medizin wird auch untersucht, wie Medikamente bei Frauen und Männern unterschiedlich wirken. Noch heute sind auf Beipackzetteln angegebene Nebenwirkungen oft nur an Männern erforscht.

(Christian Hecht, AfD: Klingt so, als würde es nur zwei Geschlechter geben!)

Zu all diesen Themen und viel mehr wurde jahrzehntelang nicht bis kaum geforscht. Warum? - Weil Typen wie Sie, Herr Dr. Tillschneider, all das für unnötig gehalten haben. Sie finden es doof und bezeichnen es als Gender-Gaga, wenn z. B. daran geforscht wird, dass Frauen gut und gesund leben können - Gender-Medizin.

(Christian Hecht, AfD: So ein Unsinn! Ich höre nur: Männer und Frauen!)

Was Ihnen und Ihrer Frauenhasserpartei AfD auch missfällt, ist,

(Felix Zietmann, AfD: Frauenhasserpartei!)

dass an den Universitäten und Hochschulen in Sachsen-Anhalt z. B. Kurse und Forschungen zur Geschichte der Frauenrechtsbewegung   feministische Theorie   stattfinden. Ohne die Frauenrechtsbewegung in Deutschland wäre unsere Gesellschaft nie so weit gekommen, wie sie es jetzt ist. 

(Zustimmung bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der Linken - Christian Hecht, AfD: Tja, da hätten wir uns einiges erspart!)

Ein Beispiel: Wie viel näher wäre unsere Wirtschaft am Zusammenbruch durch Fachkräftemangel, wenn sich westdeutsche Frauen in den 1970er-Jahren nicht das Recht erstritten hätten, auch nach der Heirat zu arbeiten?

(Zustimmung bei den GRÜNEN, bei der Linken und bei der SPD - Felix Zietmann, AfD: Wir sind in Ostdeutschland!)

Denn obwohl in der ehemaligen DDR Frauen zu diesem Zeitpunkt schon lange arbeiten durften und es auch taten, war es bis dahin Frauen in Westdeutschland nicht möglich, ohne die Erlaubnis des Ehemanns zu arbeiten. Seitdem ist der Anteil der erwerbstätigen Frauen immer weiter angestiegen. Es ist nicht vorstellbar, wie sehr unsere Wirtschaft und der deutsche Wohlstand zusammenkrachen würden, wenn die Frauen, wie Sie es hier immer wieder propagieren, nicht mehr arbeiten, sondern nur noch zu Hause hinter dem Herd stehen und regelmäßig Kinder zur Welt bringen würden.

(Ulrich Siegmund, AfD: So ein Schwachsinn!)

Vielleicht erklärt das auch Ihre Missachtung gegenüber Judith Butler. Judith Butlers Theorien zu Geschlechterrollen und dazu, wie diese durch die Gesellschaft geformt und vorbestimmt werden, haben die Sozialwissenschaften maßgeblich beeinflusst. Man muss ihre Weltsicht insgesamt nicht teilen und es ist ganz sicher grundfalsch, dass Butler Israel das Existenzrecht abspricht, aber genauso wie die Theorien von Max Weber, Karl Marx, Max Horkheimer, Simone de Beauvoir, Theodor Adorno, Jutta Allmendinger usw. gehören Judith Butlers Gesellschaftstheorien zum aktuellen und viel zitierten Wissensstand der Soziologie. Wir machen unsere Universitäten und Hochschulen um viel Wissen ärmer, wenn wir ihnen jetzt auch noch politisch vorschreiben wollen, welche soziologischen Theorien unterrichtet werden. 

Sie und Ihre Zwangspartei AfD wollen die grundgesetzlich verankerte Wissenschaftsfreiheit an den Hochschulen und Universitäten Sachsen-Anhalts abschaffen. Einmal mehr beweisen Sie hier, welchen Wert die Prinzipien unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung für Sie haben: keinen. 

(Oliver Kirchner, AfD: Sie wollen doch uns verbieten, nicht wir Sie!) 

Deshalb werden Sie mit Recht als Verfassungsfeinde beobachtet.

(Oliver Kirchner, AfD: Sie sind doch die Verbotspartei! - Beifall bei der AfD)

Sie wollen bestimmen, was geforscht werden darf und was die Studierenden lernen dürfen. Aber ich sage Ihnen klipp und klar: mit uns nicht. Ihre gesichert rechtsextreme Partei gehört verboten, und wir werden dafür kämpfen, dass das AfD-Verbotsverfahren endlich gestartet wird. 

(Oliver Kirchner, AfD: Jetzt ist sie beim Verbot! Weltklasse, die Frau!)

Zum Abschluss eine letzte Anmerkung: Wissen Sie, Herr Tillschneider, Ihr Schauspiel hier ist wirklich leicht zu durchschauen. In jeder Landtagssitzung bringen Sie irgendeine krude und wahnwitzige politische Forderung ein. Sie halten hier Reden, die sogar Ihren eigenen Fraktionskollegen oft peinlich sind   wie man an deren Gesichtern deutlich sehen kann  , nur um die Öffentlichkeit abzustumpfen. Immer das Gleiche wird sogar dann irgendwann langweilig, wenn es so atemberaubend extremistisch ist wie Ihre Vorschläge, und das macht irgendwann unaufmerksam. - Das ist der einzige Grund. Sie wollen das Leben der Bürgerinnen in Sachsen-Anhalt nicht besser machen. Sie wollen einfach nur eine öffentliche Debatte, bis es langweilig wird und es irgendwann keine öffentliche Debatte mehr gibt, und dann wollen Sie durchziehen. 

Aber nicht, solange es noch Demokratinnen in diesem Haus gibt! Wir lehnen Ihren ekelhaften Antrag selbstverständlich ab. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei den GRÜNEN, bei der Linken und bei der SPD - Christian Hecht, AfD: Sie haben den gar nicht verstanden!)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding: 

Frau Sziborra-Seidlitz, es gibt eine Nachfrage von Herrn Köhler. - Herr Köhler, bitte.

(Zuruf: Die machen einen Film für „TikTok“! - Lachen)


Gordon Köhler (AfD): 

Vielen Dank für die Möglichkeit, meine Frage loszuwerden. - Die Gender-Studies selbst argumentieren, dass es keine biologischen Gewissheiten gibt, also nicht die zwei herkömmlichen Geschlechter, sondern dass Geschlechter eher durch Konstruktion, durch soziale Normen und in Summe die Gesellschaft selbst sozusagen geprägt und hervorgebracht werden. Deswegen ist jetzt meine Frage: Wie viele Geschlechter gibt es und können Männer Kinder bekommen?

(Dr. Katja Pähle, SPD: Oh, ist das langweilig! - Olaf Meister, GRÜNE: Aufklärung ist jetzt gefragt, die Bienchen und die Blümchen!)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding: 

Frau Sziborra-Seidlitz, bitte.


Susan Sziborra-Seidlitz (GRÜNE): 

Die Antwort auf die erste Frage ist: 42. Und die Antwort    

(Zustimmung bei den GRÜNEN - Lachen bei der AfD - Christian Hecht, AfD: Sie haben zu viel „Per Anhalter durch die Galaxis“ gelesen! 42 ist die Antwort auf alles! - Weitere Zurufe von der AfD)

- Ich habe geahnt, dass Sie das nicht verstehen. Deshalb beantworte ich selten Fragen der AfD.

(Zurufe von der AfD)

Vielleicht sollten Sie sich ein bisschen mit Literatur beschäftigen, dann hätten Sie die Antwort verstanden. 

(Zuruf von der AfD: Haben wir doch!) 

Also, die Antwort ist: 42 - immer 42. Jede Antwort ist: 42. 

Die Antwort auf die zweite Frage könnte Sie verunsichern   das ist eines meiner Lieblingsthemen  , aber in der Theorie kann ein Mann am Bauchfell innen tatsächlich eine Schwangerschaft austragen. 

(Zuruf von Oliver Kirchner, AfD)

Die Schwierigkeit an dieser Stelle ist, dass das Bauchfell nicht so gut durchblutet ist wie eine Plazenta und dass auch, weil weniger Platz vorhanden ist, eine Schwangerschaft, die am Bauchfell ausgetragen würde, maximal sieben Monate bestehen würde. Bei weniger Durchblutung wäre das Kind wahrscheinlich nicht lebensfähig. Theoretisch ist es möglich; praktisch sollte man es einfach nicht probieren.