Dr. Katja Pähle (SPD): 

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Werte Kolleginnen und Kollegen! Was gibt es zu diesem Antrag zu sagen? Erstens. Völlig unabhängig von der Causa Gender-Forschung offenbart er zum wiederholten Male die Allmachtsfantasien der AfD, allen voran von Herrn Tillschneider mit seiner Besessenheit von Fragen der Identität. Das Muster ist so banal wie langweilig. 

Nach Ihren Vorstellungen können Sie aus eigener identitätspolitischer Machtvollkommenheit bestimmen, wie Menschen leben sollen, was gute Architektur ist, wer ein richtiger Lehrer ist, wie Kirche und Glaube ausgerichtet sein müssen, wer ein echter Deutscher ist und wer nicht, was die richtige Vorstellung von deutscher Geschichte ist, und eben auch, was echte Wissenschaft ist, wie viele Geschlechter gibt, was sexuelle Norm ist und was Abweichung. 

Zu alldem haben wir in den letzten Jahren in steigender Frequenz ihre persönlichen Geschmacksproben anhören müssen. 

(Oliver Kirchner, AfD: Und wir Ihre!)

Es ist der Bonustrack in jeder Sitzung: Tillschneider macht Ansagen. Vermutlich erstreckt sich Ihre Obsession auch bald auf Musik, Malerei, Literatur und möglicherweise auch Tapetenmuster. Ganz ehrlich gesagt: Ich will es nicht wissen.

(Zustimmung bei der SPD, bei der Linken und bei den GRÜNEN - Eva von Angern, Die Linke: Irgendwann auch zu Vögeln! Mal gucken, was kommt! - Zuruf von der AfD: Sie reden nur dummes Zeug!) 

Der Vorwurf eines normativen Anspruchs jedenfalls, den Sie in Ihrem Antrag gegen einen für Sie unliebsamen Zweig der Wissenschaft erheben, fällt in vollem Umfang auf Sie zurück. 

Zweitens. Von Wissenschaftsfreiheit halten Sie gar nichts. Durch Parlamentsbeschluss und Regierungshandeln wollen Sie Forschung trockenlegen. Das steht in direktem Gegensatz nicht nur zum Grundgesetz, sondern auch zur Tradition von Selbstverwaltung und Selbstkooptation der europäischen Hochschulen. Ganz ehrlich: Das wissen Sie ganz genau. 

Wie Sie dabei operativ vorgehen wollen, ist geradezu peinlich unoriginell, nämlich eins zu eins aus dem MAGA-Handbuch der Staatszersetzung übernommen.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Wie Donald Trump setzen auch Sie bei der Streichung der finanziellen Mittel an, um zu eliminieren, was Ihnen nicht passt. 

Gender-Studies stehen auch in den USA ganz oben auf der Abschussliste, zusammen mit Bürgerrechten, Gleichstellungsprogrammen, Critical-Race-Theory und vielem mehr. Wir dürfen sicher sein, dass auch Sie bei der Genderforschung nicht Halt machen würden, wenn Sie denn könnten. 

Drittens. Der Angriff auf die Genderforschung ist kein Zufall. In Ihrem Weltbild bestimmen biologische Platzanweiser, wohin man gehört: Geschlecht, Nation, Abstammung - deswegen auch der Verweis auf die Bauernsöhne. Unser Weltbild sieht anders aus. Nach unserer Vorstellung   oder um in Ihren Kategorien zu sprechen: nach dem abendländischen Konzept der Aufklärung   befreit sich der Mensch idealerweise aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit und die Wissenschaft ist sein Instrument dafür. 

Natürlich gehört zu diesem aufklärerischen Anspruch auch, kritisch zu untersuchen, wo sich verfestigte Geschlechterrollen in gesellschaftliche Machtstrukturen transformiert haben, welche Rolle Ausrichtung und Methode der Wissenschaft selbst für diese Vermachtungsprozesse spielen und welche individuellen und kollektiven Potenziale wir haben, um uns von diesen tradierten Platzanweisungen zu emanzipieren und die Verhältnisse zum Tanzen zu bringen. 

Das hat rein gar nichts mit der neurotischen Befürchtung von Zwangstranssexualisierung oder Ähnlichem zu tun, 

(Beifall bei der SPD, bei der Linken und bei den GRÜNEN)

die Sie hier wie in den sozialen Medien immer wieder ventilieren. Trotzdem macht die kritische wissenschaftliche Beschäftigung mit Geschlechterrollen und Machtverhältnissen manchen Männern Angst. Das verstehe ich, aber das ist nicht zu ändern. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.