Marco Tullner (CDU):

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, diese Debatte, auf die ich mich sehr gefreut habe, hat allen die Gelegenheit gegeben, auch Unterschiede zu betonen. Das war ein Stück weit erwartbar, und ich bin auch durchaus dankbar dafür, dass wir diese Unterschiede herausgearbeitet haben. Denn wir sind manchmal ein bisschen geneigt, über zu viel Konsens im Hohen Hause und darüber hinaus in der Debatte zu reflektieren.

Ich habe trotz aller Unterschiede auch viele Gemeinsamkeiten gefunden. Nun ist Frau Pähle leider nicht anwesend, es sei denn     Nein, sie ist gerade nicht im Saal. Ich fange bei der goldenen Brücke der Katja Pähle an, über die sie gesprochen hat. Hendrik Lange hat viele Vorschläge gemacht, die ich zum Teil sehr klug fand,

(Guido Kosmehl, FDP: Oh! - Dr. Gunnar Schellenberger, CDU: Oh!)

wie wir es nämlich schaffen, ausländische Studierende hier zu halten und zu unseren Fachkräften von morgen zu machen. Dazu brauchen wir allerdings Ressourcen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Sie haben von Stipendien und von Programmen gesprochen. Woher soll denn dieses Geld in diesem Lande kommen? - Nun könnte man über große Umverteilungen fabulieren. Kollege Gallert hat sich schon zu Wort gemeldet. Ich ahne schon, worauf nachher die Frage hinausläuft. Aber, liebe Kolleginnen, ich erläutere es einmal anhand eines Beispiels, damit es auch jeder verstehen kann.

Die Uni Magdeburg hat ungefähr ein Drittel ausländische Studierende. Rektor Jens Strackeljan, der das gemacht hat, ist damit eine sehr kluge Strategie gefahren. Ansonsten hätte die Universität schrumpfen müssen. Er hätte Studiengänge schließen müssen, und zwar oft MINT-Studiengänge wie Maschinenbau, Elektrotechnik etc. Wir müssen trotzdem feststellen, dass die - ich nehme sie jetzt als Beispiel, weil es auch in den Tagesthemen beleuchtet wurde - indischen Fachkräfte, die dann dabei herauskommen, in der Regel nicht bei uns bleiben. Wie können wir es schaffen, dass die indischen Fachkräfte oder alle Fachkräfte, die die Uni Magdeburg verlassen, im Lande bleiben und in die Unternehmen gehen? Darüber müssen wir mit den Unternehmen reden. Die Rektoren sagen, dass die Unternehmen noch Nachholbedarf haben. Ich will das nicht Willkommenskultur nennen, weil der Begriff in der politischen Kampfdebatte aus meiner Sicht zu sehr negativ belegt ist. Unternehmen müssen aber einladender sein und Hürden abbauen.

(Zustimmung von Sebastian Striegel, GRÜNE)

Wir reden über Behörden. Wir alle hören die Klagen von Ausländerämtern und Co. Die liegen irgendwo in der Pampa, man muss sich bei Wind und Wetter hinten anstellen und dann trifft man unfreundliche Mitarbeiter. Dabei sprechen wir nicht nur über Digitalisierung. Auch das gehört dazu.

(Zustimmung von Olaf Meister, GRÜNE, und von Sebastian Striegel, GRÜNE)

- Danke. - Am Ende brauchen wir auch dafür Geld und Ressourcen.

Ich habe auch Katja Pähles Sorge verstanden, dass es der Einstieg in die allgemeine Studiengebührendebatte sein könnte. Das verstehe ich alles. Die sozialdemokratische Seele ist mir zwar eigentlich fremd, aber gelegentlich kann ich intellektuell nachvollziehen, was die Kolleginnen und Kollegen so umtreibt.

(Dr. Gunnar Schellenberger, CDU: Aber schwer!)

Deswegen glaube ich, dass wir diese Debatte dahin lenken sollten, dass der Wirtschaftsstandort Sachsen-Anhalt Fachkräfte braucht. Die Universitäten und Hochschulen haben in einem ersten Step Leute hierhergeholt. Wir müssen jetzt überlegen, wie wir Anreize schaffen, dass sie hierbleiben. Auf der anderen Seite ist die Frage legitim, warum, wenn überall auf der Welt Studiengebühren genommen werden, Fachkräfte, die zum Teil aus wohlhabenden Elternhäusern kommen, nicht auch an diesen Kosten ein Stück weit beteiligt werden. Das ist der Kern der Debatte, den die CDU anstrebt und für den ich werbe.

(Zustimmung bei der CDU)

- Vielen Dank für die Unterstützung. - All das, was jetzt an Emotionen und Schaufensterkämpfen kam, war erwartbar und das ist auch gut so. Wenn wir uns in diesem Kern, zumindest in der Regierungskoalition, einander annähern, dann, glaube ich, sind wir einen Schritt weiter und können in den kommenden Jahren gemeinsam dafür sorgen, dass Sachsen-Anhalt ein blühender Standort in der Mitte Europas wird.

(Zustimmung von Sandra Hietel-Heuer, CDU)

Ich will jetzt nicht zu plakativ werden.


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Ja, Herr Tullner, es gibt noch eine Nachfrage. Das müssen Sie auch bedenken.


Marco Tullner (CDU):

Ein letzter Satz. Ich habe auch mitbekommen, dass der Minister ein bisschen grillig auf mich war. Das nehme ich natürlich demütig zur Kenntnis. Ich glaube aber, dass eine Koalition das aushält. Wir werden spätestens dann, wenn der Landtagspräsident heute Abend einlädt, hoffentlich in der Lage sein, ein Getränk unserer Wahl zu trinken und den Frieden der Koalition zu betonen. Das will der Minister bestimmt auch.

(Zustimmung bei der CDU und von Dr. Katja Pähle, SPD - Lachen)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Herr Tullner, jetzt.


Marco Tullner (CDU):

In diesem Sinne danke ich für diese Debatte und ich freue mich auf deren Fortsetzung.

(Zustimmung bei der CDU)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Es gibt noch eine kleine Fortsetzung, weil es eine Nachfrage von Herrn Gallert gibt.


Marco Tullner (CDU):

Danke schön.


Wulf Gallert (Die Linke):

Herr Tullner, ich bin tatsächlich ein bisschen irritiert, dass die gesamte Debatte, was es diesem Land nützt, wenn ausländische Studenten hier ihren Studienabschluss machen, ausdrücklich nur mit Blick auf den einheimischen Arbeitsmarkt geführt wird. Ich gebe Ihnen ein Beispiel und dann sagen Sie mir einmal, ob das nicht auch eine völlig legitime Zielstellung ist.

Es gibt eine strategische Partnerschaft zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Vietnam, und zwar unter anderem deswegen, weil Vietnam eines der ganz großen aufstrebenden ASEAN-Länder mit einer der höchsten Wachstumsraten ist. Die zentrale Brücke zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Vietnam sind Menschen aus Vietnam, die in der DDR-Zeit hier studiert haben, und zwar sowohl in technischen als auch in anderen Bereichen, und die jetzt noch vielfach in Führungspositionen in Vietnam sind. Leider gehen die jetzt so langsam in Rente. Wir profitieren als Bundesrepublik Deutschland davon, dass die hier in der DDR studiert haben. Selbst diese marode und bankrotte DDR war in der Lage, die Ressourcen für diese Studiengänge bereitzustellen, und zwar mit einer langfristigen Perspektive, die übrigens dazu geführt hat, dass Vietnam heute der zweitgrößte Kaffeeexporteur oder sogar der größte Kaffeeexporteur der Welt ist. Das ist eine Perspektive.

Warum haben wir heute überhaupt nicht darüber geredet, dass es Sachsen-Anhalt nützt, wenn die Leute hier studieren, als Botschafter in die Welt gehen und unsere internationalen Beziehungen stärken?

(Zustimmung bei der Linken)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Herr Tullner.


Marco Tullner (CDU):

Herr Gallert, ich nehme Ihre kritischen Anmerkungen dankbar auf. Ich bin dafür wirklich dankbar, weil ich mich natürlich als Hochschulpolitiker ein bisschen beschränken muss. Das sind Debatten, die dann letztlich die Kollegen der Wirtschaft und andere aufgreifen müssen. Ich weiß, dass der Minister gerade seine Staatssekretärin wieder nach Vietnam schickt. Das heißt, diese Kontakte laufen.

Ich will diesen Punkt aber einmal aufgreifen. Warum gibt es denn keine Sachsen-Anhalt-Indien-Strategie? Wenn wir so viele Inder an der Universität in Magdeburg haben, warum setzen wir nicht daran an? Indien ist ja bekanntermaßen das neue China, wie es überall kolportiert wird. Wenn wir darauf setzen, diese Stränge fortzuführen, dann treffen wir gelegentlich alte Bekannte in Regierungsorganisationen wieder. In Hanoi war meines Wissens auch einmal jemand Vizeminister oder Ministerpräsident oder Ähnliches, der in Magdeburg studiert hat. Das ist auch wichtig.

Wichtig ist aber vor allen Dingen, dass wir im Interesse der Entwicklung unseres Standorts Sachsen-Anhalt diese wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Aspekte so verkoppeln und am Ende auch die Ressourcen im Blick haben. Denn wir wissen doch alle, dass der nächste Haushalt kommt und wie mühsam wir die Haushalte zusammenzimmern. Das heißt, wir werden keine Ressourcen in ausreichender Größenordnung generieren können. Deswegen ist die Idee, das Solidarprinzip einmal anders zu denken: Können sich nicht auch ausländische Studierende an den Kosten beteiligen, um Sachsen-Anhalt noch attraktiver zu machen? - Das ist aus meiner Sicht ein sehr legitimer Ansatz, über den wir weiter diskutieren sollten. Ich freue mich jedenfalls darauf. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der CDU)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Wir sind am Ende der Debatte angelangt und damit auch am Ende dieses Tagungsordnungspunktes. Wir führen jetzt hier vorn einen Wechsel durch.